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14. Feb. 2018

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 26.1.2018

Keine weiteren Datenfriedhöfe
bei der Trinkwasseranalytik

 

Den Experten im „Art. 12-Ausschuss“ zur turnusmäßigen Überprüfung der EG-Trinkwasserrichtlinie war vor einigen Jahren aufgefallen, dass bei der Überwachung der Trinkwassergüte im großen Umfang Datenfriedhöfe produziert werden – ohne dass durch den unverhältnismäßigen Analysenaufwand ein Mehr an Sicherheit erreichbar wäre. Bei vielen Wasserversorgern ist es nämlich so, dass man langjährig bei einem Großteil der Parameter weit unter dem zulässigen Grenzwert liegt. Trotzdem muss man fleißig weiter messen und viel Geld für Analysen ausgeben. Deshalb hat sich der Ausschuss überlegt, dass man diesen kostenträchtigen Dogmatismus zumindest aufweichen könnte.

Bei den Parametern, bei denen die Messwerte tatsächlich über viele Jahre hinweg mit deutlichem Abstand unter den Grenzwerten liegen, könne man sich weitere Analysen sparen oder zumindest die Probenahme- und Analysenhäufigkeit reduzieren. Allerdings müssten sich die Wasserversorger dieses Entgegenkommen verdienen. Denn als Voraussetzung für eine Reduktion der Analysenhäufigkeit müssten die Wasserversorger eine Risikobewertung erstellen – sozusagen einen kleinen Water Safety Plan (s. RUNDBR. 1041/2, 979/3, 699/1). Mit der Risikobewertung müsse der Nachweis geführt werden, dass keine unliebsamen Überraschungen drohen – dass also insbesondere ein plötzliches Hochschnellen von Messwerten auf Grund von Schadstoffeinträgen im Einzugsgebiet des Wasserwerkes mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.

Es versteht sich von selbst, dass eine ausgedünnte Probenahmehäufigkeit nur bei den chemischen Parametern zulässig ist. Die mikrobiologischen Parameter sind von einem reduzierten Probenahmenumfang ausgeschlossen! Das ganze Konzept wurde 2015 von der EU-Kommission in eine Änderungsrichtlinie zur EG-Trinkwasserrichtlinie gepackt. Die Änderungsrichtlinie 2015/1787 musste von den EU-Mitgliedsstaaten bis zum 27.10.17 in nationales Recht umgesetzt werden. Schon mit einigen Tagen Verspätung liegt inzwischen die umfangreiche Bundesrats-Drs. 700/17 vom 03.11.17 vor, mit dem per Verordnung das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesernährungsministerium im Einvernehmen mit dem Bundesumweltministerium die Trinkwasserverordnung an die EU-Änderungsrichtlinie anpassen wollen. Die BR-Drs. mit dem Entwurf einer „Verordnung zur Neuordnung trinkwasserrechtlicher Vorschriften“ kann unter

http://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2017/0601-0700/0700-17.html

heruntergeladen werden. Die Drs. umfasst einschließlich der Begründung und der Anhänge mehr als 70 Seiten. AbonnentInnen des RUNDBRIEFS können kostenlos via nik@akwasser.de unsere ausführliche Darstellung der geplanten Änderungen anfordern. Nachfolgend einige Ausschnitte …

Wenn weniger oder gar nicht
mehr analysiert werden muss

 

Kernbestandteil der Verordnung ist eine „risikobasierte Anpassung der Probenahmeplanung für eine Trinkwasserversorgungsanlage“ (RAP). Die RAP ist wiederum Voraussetzung, um die Analysenprogramme individuell an die Bedürfnisse einzelner Wasserversorgungsgebiete anpassen zu können. Entsprechend der Philosophie der oben genannten EU-Änderungs-Richtlinie soll die Risikobewertung dazu beitragen, dass die richtigen Parameter am richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt gemessen werden.

Die Details zur risikobasierten Anpassung der Probenahmeplanung finden sich in den neu eingefügten Absätzen 2 a bis 2 d in § 14 b der Trinkwasserverordnung. In Abs. 2 b wird bestimmt, dass bei denjenigen Parametern die Probenahme künftig entfallen kann, wenn sich bei der Risikobewertung herausstellt, dass der Grenzwert über sieben Jahre hinweg mit weniger als 30 Prozent ausgeschöpft worden ist. Falls der Grenzwert – ebenfalls über sieben Jahre hinweg – zu weniger als 60 Prozent ausgeschöpft worden ist, kann die Untersuchungshäufigkeit reduziert werden. In beiden Fällen gilt, dass nach fünf Jahren die Risikobewertung aktualisiert werden muss. Die Risikobewertung muss belegen, dass nichts dafür spricht, dass die Analysenergebnisse wieder nach oben gehen könnten. Die Risikobewertung mit dem Vorschlag für die Parameter, die gar nicht mehr oder mit reduzierter Häufigkeit untersucht werden sollen, muss lt. Abs. 2a zur Genehmigung dem jeweils zuständigen Gesundheitsamt vorgelegt werden.

Der jetzt getroffenen RAP-Regelung war über mehr als zwei Jahre hinweg eine umfangreiche Diskussion in den Fachkreisen vorangegangen. Ursprünglich war erwogen worden, dass private Dienstleister die RAP übernehmen könnten. Dazu mehr in den nächsten beiden Notizen.

Risikobewertung durch private Dienstleister?

 

Ein großes Thema auf einem Workshop am 9. Nov. 2015 im Umweltbundesamt (UBA) in Dessau war die Frage, ob man private Dienstleister in die Erstellung der Risikobewertung einbeziehen sollte. Nicht wenige Diskussionsredner und Vortragende hatten die Ansicht vertreten, dass die Gesundheitsämter (GA) der Aufgabe der Überprüfung der Risikobewertung nicht gewachsen wären. Insofern könnten private Gutachterorganisationen zur „Entlastung“ der Gesundheitsämter die Risikobewertung bei den Wasserversorgern vornehmen. Aufgrund des Mangels an qualifiziertem Personal müsse man den Gesundheitsämtern private Gutachterorganisationen zur Seite stellen. Die Beurteilung dieser Vorschläge reichten von „völlig idiotisch“ bis zu „man muss ja mal zumindest darüber nachdenken dürfen!“ Hingewiesen wurde auch auf „die Heterogenität der GA-Landschaft in Deutschland“: „Kleine Ämter sollen sich der Hilfe Dritter bedienen dürfen!“ Die Dessauer Diskussion war noch geprägt von der „Flüchtlingskrise“ im Jahr 2015. Die Mitarbeiterin eines bayerischen Gesundheitsamtes:

Die Gesundheitsämter sind mit Flüchtlingen überlastet und können keine zusätzlichen Aufgaben im Wasserbereich übernehmen.“

Brauchen Gesundheitsämter
eine Qualitätssicherung?

 

Konsens war in Dessau, dass die privaten Dritten auf jeden Fall qualitätsgesichert, akkreditiert und zertifiziert sein sollten. Dieser Forderung schloss sich aber sogleich die Diskussion an, warum man nur von privaten Dienstleistern eine Zertifizierung verlange. Auch von den Gesundheitsämtern müsse man ein Qualitätsmanagement à la ISO 9001 und eine Zertifizierung bzw. Akkreditierung verlangen. Denn eine Zwei-Klassen-Gesellschaft“ bei den Überwachungsbefugnissen dürfe es nicht geben. Der Forderung, „den Gesundheitsämtern ein Zertifizierungssystem überzustülpen“ wurde aber sogleich widersprochen. Wenn das drohe, würden sich die Gesundheitsämter aus der Prüfung der Risikobewertung zurückziehen, wie das schon bei der Analytik erfolgt sei. Und überhaupt würde eine Akkreditierung der Gesundheitsämter nichts am Personalmangel in den Ämtern ändern. Es wurde auch die Frage gestellt, was preisgünstiger sei: Eine personelle Aufrüstung der Gesundheitsämter oder die Ausgliederung an ein externes Gutachterwesen. Einig war man sich bei dem Vorschlag, dass eine sachkundige Prüfung einer Risikobewertung in den Ausbildungsgang der Hygieneinspektoren mit aufgenommen werden sollte.

In Dessau war auch die Frage aufgeworfen worden, ob eine Akkreditierung der Gesundheitsämter dazu beitragen könne, dass die Gesundheitsämter mehr Personal bekommen? Ein in Dessau anwesender Vertreter des Bundesverbandes der Hygieneinspektoren warnte davor,

dass die Gesundheitsämter darauf beschränkt werden, die Gutachten zur Risikobewertung nur noch abzulochen. Wenn es dann zum Störfall kommt, fehlen uns die Ortskenntnis und der jahrelang angehäufte Erfahrungsschatz. Es führt kein Weg daran vorbei, den Ämtern mehr fachkundiges Personal zur Verfügung stellen.“

Bei der Betrachtung des Zweijahreszeitraums vom Dessauer UBA-Workshop im November 2015 bis zur Veröffentlichung des Entwurfs der Änderungsverordnung im Nov. 2017 lässt sich feststellen, dass die Dessauer Diskussion im Hinblick auf eine personelle und qualitative Stärkung der Gesundheitsämter keine spürbaren Folgen hatte. Bei der neuen Aufgabe der Prüfung der „risikobasierten Anpassung des Probenahmeumfangs“ müssen die Gesundheitsämter mit dem vorhandenen Personalbestand klar kommen.

Leitlinien zur risikobasierten
Anpassung der Untersuchungshäufigkeit

 

Wie zuvor erläutert, wird künftig die Trinkwasserverordnung erlauben, dass die Auswahl der chemischen Parameter und deren Untersuchungsfrequenz an den tatsächlich erforderlichen Bedarf angepasst werden kann. Damit man diese Flexibilisierungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen kann, ist zuvor allerdings eine Risikobewertung erforderlich. Für den Vollzug der neuen Flexibilisierungsmöglichkeiten hat das Umweltbundesamt (UBA) jetzt „Leitlinien für die risikobewertungsbasierte Anpassung der Probennahmeplanung für eine Trinkwasserversorgungsanlage (RAP) nach § 14 Absatz 2a bis 2c Trinkwasserverordnung“ auf den Seiten des UBA unter

https://www.umweltbundesamt.de/themen/
wasser/trinkwasser/rechtliche-grundlagen-empfehlungen-regelwerk/empfehlungen-stellungnahmen-zu-trinkwasser

veröffentlicht. Weitere Auskunft zur RAP gibt es auch bei

Frau Bettina Rickert - Umweltbundesamt (UBA) - Fachgebiet II 3.1 - Nationale und internationale Fortentwicklung der Trinkwasserhygiene
Tel.: 030/8903-4133
E-Mail: bettina.rickert@uba.de


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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