Die hygienische Unbedenklichkeit von Materialien, die mit Trinkwasser in Kontakt kommen, war in der alten Trinkwasserrichtlinie 98/83 EG in Art. 10 geregelt. Zu diesen Materialien in der Hausinstallation gehören beispielsweise Rohre, Fittings, Armaturen und darin enthaltene Kunststoff- und Gummidichtungen. In ihrer Analyse der Defizite der bisherigen Trinkwasserrichtlinie war die EU-Kommission zum Schluss gekommen, dass die Bestimmungen in Art. 10 ein Hindernis für den europäischen Binnenmarkt darstellen würden.
Einzelne Länder hätten besonders hohe Ansprüche an die hygienische Unbedenklichkeit formuliert, was zu Handelshemmnissen gegenüber den Ländern mit lascheren Anforderungen führen würde. In Anspielung auf das „FRABO-Urteil“ (siehe RUNDBR. 1057/1-2, 1023/1-3) argumentiert die EU-Kommission in ihrer Begründung zur geplanten Neufassung der Richtlinie, dass die „Rechtsunsicherheit“ im Binnenmarkt aufgrund unterschiedlicher Standards beseitigt werden müsse. Die Evaluierung der Richtlinie habe gezeigt,
„dass Artikel 10 der Richtlinie (‚Materialien, die mit Trinkwasser in Berührung kommen‘) den Mitgliedstaaten bei der Entscheidung über die Frage, welches die ‚erforderlichen Maßnahmen‘ sind, zu viel Spielraum lässt, mit dem Ergebnis, dass zusätzliche Prüfungen und Kontrollen durchgeführt werden mussten, wenn ein Produkt in einem anderen Mitgliedstaat in Verkehr gebracht werden sollte, weshalb die Bestimmung letztlich unwirksam war.“
Art. 10 habe somit auch in finanzieller Hinsicht zu einer „erheblichen, unnötigen Belastung“ der Trinkwasserversorgung in der EU geführt. Bei der vorlaufenden Konsultation zur Neufassung der Richtlinie hätten „bestimmte Interessenträger (…) immer wieder auf die Notwendigkeit einer Harmonisierung bei Materialien und Produkten, die mit Trinkwasser in Berührung kommen“ verwiesen, heißt es in der Begründung zur Novelle. Und in der Präambel zum Entwurf der neuen Richtlinie wird kritisiert, dass „weiterhin nationale Produktzulassungen mit unterschiedlichen Anforderungen von einem Mitgliedstaat zum anderen“ existieren würden. Dies mache „es für die Hersteller schwierig und kostspielig, ihre Produkte in der gesamten Union zu vermarkten“. Ziel der Novelle sei deshalb die „Beseitigung von Hemmnissen, die den freien Handel mit Materialien, die mit Trinkwasser in Berührung kommen, verhindern“.
Um „mehr Kohärenz zu den Binnenmarktvorschriften“ und der Bauproduktenverordnung garantieren zu können, schlägt die EU-Kommission jetzt vor, im Rahmen der europäischen Normung (CEN) einheitliche Anforderungen an Baumaterialien und Bauprodukte festzulegen, die mit Trinkwasser in Berührung kommen. Die im Rahmen der Bauproduktenverordnung 305/2011/EU geschaffenen Standards sollen dann im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Damit würden die Normen bindend für den gesamten EU-Wirtschaftsraum.
In einem Schreiben an die EU-Kommission haben wir inzwischen kritisiert, dass dem „freie Warenverkehr“ Vorrang vor dem Gesundheitsschutz der TrinkwasserkonsumentInnen in der EU eingeräumt werden soll. Ferner erläutern wir in unserem Kritikschreiben, dass das in Art. 10 vorgesehene Verfahren überhaupt nicht funktionieren kann. Somit kann weiterhin nicht gewährleistet werden, dass aus Duschschläuchen, Armaturen, Fittings und anderen Installationen im Haushalt keine Schadstoffe oder Keime ins Trinkwasser gelangen. Unser Schreiben an die EU-Kommission kann auf unserer Homepage
www.akwasser.de in der Rubrik „Aktuelles“ nachgelesen werden.