aktualisiert:
11. November 2018
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasserrundbrief,
3. Oktober 2018
Wasser & Abwasser in der Smarten City
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Abwasserwiederverwertung, Wärmerückgewinnung aus Abwasser, Smarte Wasserzähler in jedem Haushalt und die Echtzeitüberwachung des Trinkwasserversorgungsnetzes und der Kanalisation sollen künftig zur Grundausstattung einer Smarten City zählen – dann jedenfalls, wenn der Entwurf zu einer neuen ISO-Norm breite Akzeptanz finden sollte. Derzeit wird in den internationalen Normungskreisen der Entwurf für die ISO-Norm 37122 verhandelt. Die ISO 37122 „Sustainable Development of Communities – Indicators for Smart Cities“ wird eine ganze Normungsreihe bereichern, in denen es um Kriterien geht, an Hand derer sich die Nachhaltigkeit in der Smarten City messen lassen soll. Die grundlegende Norm für die smarte Stadt der Zukunft – die ISO 37101 - existiert bereits seit 2016. Auf der ISO-Homepage www.iso.org findet man unter „ISO 37101“ in prächtigem Design Näheres zu dieser »Mutternorm«:
„ISO 37101, Sustainable development in communities – Management system for sustainable development – Requirements with guidance for use, sets out requirements and guidelines to help communities become more sustainable. Using the standard will help communities set objectives and define a strategy for sustainable development at the local level that takes into account the views of all interested parties.“
In einer Folgenorm – der ISO 37120 aus dem Jahr 2014 – wurden dann die Indikatoren benannt, die dazu tauglich sein sollen, den Grad der erreichten Nachhaltigkeit in der Smarten City zu messen. Die dort genannten Indikatoren mit Wasser- und ‚Abwasserbezug waren teilweise recht sonderbar. Und die deutsche Übersetzung der ISO 37120 „Nachhaltige Entwicklung von Kommunen – Indikatoren für städtische Dienstleistungen und Lebensqualität“ war ein besonders „gelungenes“ Beispiel für eine in Teilen misslungene Übersetzung. Die etablierte deutsche Wasserwirtschaft, soweit sie sich überhaupt mit der internationalen Normung beschäftigt, war ziemlich einhellig der Meinung, dass man in Deutschland auf derartige Indikatoren gerne verzichten könne. Verwiesen wurde darauf, dass es ja bereits eine speziell auf die Siedlungswasserwirtschaft zugeschnittene Normenfamilie – die Normen ISO 24511, 24511 und 24512 – geben würde (s. RUNDBR. 940/3-4).
In der Debatte um die Normung der Nachhaltigkeit in schlauen Städten hat sich mittlerweile herausgestellt, dass man zur Messung der Nachhaltigkeit gut noch einige weitere Indikatoren brauchen könnte. Zudem hat man beschlossen, die Indikatoren an die Sustainable Development Goals (SDG) anzubinden. Dazu soll jetzt die ISO 37122 dienen. Mehr zum Entwurf der Normentwurf mit neu aufgenommen Wasser- und Abwasser-Indikatoren in den nächsten Notizen …
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ISO 37122: Mehr politische Unsicherheiten
- mehr Videoüberwachung?
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Die ISO 37122 hat lt. Einleitungstext den Ehrgeiz, ein Werkzeug zu liefern, mit dem man die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeitsanforderungen in einer Kommune berücksichtigen kann, die sich auf dem Weg zur „Smart City“ gemacht hat. Dazu gehört (frei übersetzt), dass man sich auf die Herausforderungen des Klimawandels, auf die rasant zunehmende Urbanisierung sowie auf drohende politische und wirtschaftliche Instabilitäten vorbereiten muss. Zum Thema, wie man sich gegen politische Instabilitäten wappnen kann, findet sich dann auch gleich ein passender Indikator. Im Kap. 15.1 („Safety“) schneidet man umso besser ab, je größer der Prozentsatz des städtischen Areals ist, das mit „digital surveillance cameras“ überwacht wird. Mit der Digitalüberwachung könne ein Beitrag zum Wohlbefinden und zur Attraktivität der smarten City geleistet werden. Nicht nur in dem Punkt hinterlässt der Entwurf zur ISO 37211 einen zwiespältigen Eindruck. Neben vielen guten Ansätzen, die auch bei den Umweltverbänden begrüßt werden, findet sich auch Unausgegorenes – u.a. für den Wasser- und Abwassersektor.
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Mit der ISO 37211 zu noch mehr Wachstum
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In der Einleitung zum ISO-Entwurf wird zudem dazu aufgerufen, sich gesellschaftlich zu engagieren, sich kooperative Führungsmethoden zu befleißigen, sektorübergreifend und interdisziplinär zu arbeiten und die Kirchturmpolitik hinter sich zu lassen. Die hinter der ISO-Normenreihe zur Nachhaltigkeit in der Smarten City stehende Philosophie geht davon aus, dass der Wachstumswahn nachhaltig aufgehübscht werden kann. Das befremdet vielleicht aus deutscher Sicht. Aber die ISO-Norm soll auch in den Kommunen des globalen Südens Anwendung finden, insofern darf man den Aufruf nach mehr Wachstum vielleicht nicht überbewerten.
Die Einleitung zum Entwurf der ISO 37122 macht sich dafür stark, dass in der Smarten City die Weichen so gestellt werden sollten, dass Innovationen und dem Wachstum Hemmnisse aus dem Weg geräumt werden sollten. An die Anwender der Norm wird appelliert, eine „dynamische und innovative Wirtschaft“ voranzutreiben, die auf die Herausforderungen von morgen vorbereitet sein sollte. Ausdrücklich empfiehlt der Normentwurf, sich auf privat-öffentlichen Partnerschaften (privat-public-partnerships) einzulassen.
Für eine nachhaltige Ausrichtung der Smarten City biete die ISO 37122 einen Werkzeugkasten mit dazu geeigneten Indikatoren. Es bleibe den Stadtverwaltungen und den politischen Entscheidungsgremien freigestellt, sich die Indikatoren je nach den lokalen Besonderheiten aus dem von der ISO 37122 bereitgestellten Set herauszusuchen. Allerdings sollten mindestens 50 % der in der Norm aufgelisteten Indikatoren zur Anwendung gebracht werden. Die ausgewählten Indikatoren müssen dann in einer Gesamtschau bewertet werden. Es wird davor gewarnt, sich nur auf einzelne Indikatoren zu kaprizieren: Die isolierte Betrachtung einzelner Indikatoren könne zu „verzerrten bzw. zu unvollständigen Schlussfolgerungen“ führen. Die Indikatoren müssen jedes Jahr neu berechnet werden.
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ISO 37122: Nutzt die Energie,
die in Eurem Abwasser steckt!
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Eine große Bedeutung räumt der Entwurf zur ISO 37122 einer nachhaltigen Energiebereitstellung ein. So sollte sich die smarte Kommune durch eine möglichst dezentrale Energiebereitstellung auszeichnen. Außerdem solle man die Abwärme nutzen, die in der Smarten City beispielsweise in Rechenzentren oder bei der Belüftung von U-Bahn-Tunneln anfalle. Zur intelligenten Energiebereitstellung gehöre auch die Nutzung des thermischen und chemischen Energieinhalts von Abwasser. Der Normentwurf weist darauf hin, dass im Abwasser fast das Fünffache derjenigen Energie enthalten sei, die man zur Abwasserreinigung benötige.
Lt. dem Normentwurf soll die smarte Kommune darüber Rechenschaft ablegen, welchen Anteil am gesamten Energiemix in der Kommune über die Nutzung des Energieinhalts von Abwasser bereitgestellt wird. Außerdem sollte angegeben werden, wie viel Kilowattstunden im Jahr an thermischer und elektrischer Energie aus dem Abwasser gewonnen wurden. Das muss dann mit dem Gesamtenergieverbrauch der Kommune verglichen werden.
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ISO 37122: Praktiziert Abwasser-Recycling!
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Als ein weiterer Indikator für die Nachhaltigkeit einer Smarten City wird im Entwurf der ISO 37122 der Grad der in der Kommune praktizierten Wiederverwertung von gereinigtem Abwasser aufgelistet. Das Recycling von Abwasser sei in Regionen mit zunehmendem Wassermangel ein Schlüsselfaktor zur Einsparung von Frischwasser. Ferner sei in den Wassermangelregionen das Abwasserrecycling eine Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels.
Zum Nachweis ihrer Nachhaltigkeit soll die Smarte Kommune deshalb angeben, wie viel Prozent des gereinigten Abwassers einer Wiederverwertung zugeführt wird. Gereinigtes Abwasser könne beispielsweise zur Bewässerung in der Landwirtschaft oder in Parkanlagen genutzt werden. Dazu sollte das Abwasser mindestens mechanisch-biologisch gereinigt werden oder darüber hinaus mit UV desinfiziert, gechlort oder mit Ozon behandelt werden. Noch weitergehender käme eine Membranfiltration bis hin zur Umkehrosmose in Frage.
Der Entwurf der ISO 37122 verweist im Hinblick auf die möglichen Verfahren zur Abwasserreinigung auf die ISO 24511 (Gute Managementpraktiken in der Abwasserreinigung). In gleicher Weise soll auch Rechenschaft über den Prozentsatz des wiederverwerteten Klärschlamms gegeben werden. Dabei wird besonders die Rückgewinnung von Phosphor aus dem Klärschlamm hervorgehoben. [Ob die Chlorung von Abwasser eine gute Idee ist, wäre einer Diskussion wert. Die Bildung von chlororganischen Verbindungen in vergleichsweise hoher Konzentration ist dann nicht zu verhindern. Und ob man damit dann seine Äcker bewässern will?]
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ISO 37122: Echtzeitüberwachung von
Kanalisation und Trinkwassernetz
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Als ein weiterer Indikator für die Smartness einer Kommune gilt im Entwurf der ISO 37122 die sensorbasierte Echtzeitüberwachung des gesamten Kanalnetzes. Mit der kontinuierlichen Überwachung des Kanalnetzes habe man jederzeit einen Überblick darüber, was gerade im Kanalnetz abgeht und könne bei anormalen Betriebszuständen schnell eingreifen. Analog dazu wird auch ein Indikator für die Echtzeitüberwachung des Trinkwasserversorgungsnetzes vorgeschlagen. Ergänzt wird dieser Indikator durch die Angabe des Prozentsatzes des Trinkwasserversorgungsystems, das bereits durch „Smart Water Systeme“ überwacht wird. Auch hier geht es um Sensoren und um smart meters, deren Daten durch BigData ausgewertet werden, um beispielsweise zeitnah Leckagen im Leitungssystem erfassen oder andere Probleme im Leitungsnetz schnell diagnostizieren zu können.
Um die hygienische Sicherheit der Trinkwasserversorgung zu gewährleisten, wird ferner ein weiterer Indikator für die Echtzeitüberwachung der Trinkwassergüte präsentiert. Die intelligente Stadt möge hierzu angeben, wie viel Prozent des zur Verteilung gebrachten Trinkwassers bereits einer Echtzeitüberwachung unterliegt. Aber nicht nur die Trinkwassergüte, sondern auch die Gewässer in der Smarten City sollen mit intelligenten Überwachungsstationen kontinuierlich kontrolliert werden. Dazu sollen die Smart-City-Manager angeben, wie viele Gütemessstationen pro 100.000 Einwohner installiert worden sind. [In Deutschland liegt die Überwachung der Gewässergüte eher in der Zuständigkeit der Länder und weniger in der Zuständigkeit der Kommunen.]
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ISO 37122: Intelligente Wasserzähler in jedem Haus
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Smarte Messeinrichtungen zur Erfassung des Durchflusses sollen nicht nur im Leitungsnetz installiert werden. Die Smart City zeichne sich auch dadurch aus, dass möglichst jedes Haus über einen smart meter – also einen intelligenten Wasserzähler – verfügen sollte. Die kontinuierliche Überwachung des Wassergebrauchs bei den Endabnehmern über eine Fernauslesung würde es dem Wasserversorger erlauben, besser planen zu können. Und die Endverbraucher könnten dank der intelligenten Wasserzähler besser ihren Wasserverbrauch beobachten (vor allem dann, wenn der smart meter in Echtzeit seine Daten nicht nur an das Wasserwerk, sondern zusätzlich auch auf das Smartphone des Wasserkonsumenten sendet). Lt. Kapitel 23.4 ist die Kommune umso smarter, je höher der Prozentsatz der Häuser ist, die schon mit einem smart meter ausgestattet sind. In Kapitel 12.3 gibt es einen ähnlichen Indikator, der sich auf den Prozentsatz der installierten smart water meters pro Haushalt bezieht.
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ISO 37122: Macht das alles Sinn?
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Datensicherheit und Datenschutz kommen übrigens im Entwurf der ISO 37122 nur in dem Kapitel vor, in dem sich die Indikatoren zum Gesundheitssektor befinden. Wie man die durch und durch digitalisierte Wasserver- und Abwasserentsorgung vor Hackerangriffen schützen kann, scheint für die Macher der ISO 37122 kein Thema zu sein. Aber auf dem Weg in das goldene Zeitalter der Smart City sind derartige Bedenken eh fehl am Platz. Gleichwohl dürften viele Wasserwerker zumindest mit Stirnrunzeln reagieren, wenn sie die Anforderungen im Entwurf der ISO 37122 zu lesen bekommen. Die Echtzeitüberwachung des gesamten Trinkwasserversorgungssystems sowie die Einführung von Entscheidungsunterstützungssystemen waren bereits Thema von anderen Normentwürfen – und die sind auf eine weitgehende Ablehnung in der deutschen Wasserwerkerszene gestoßen. Die Begründung für die Skepsis kann im RUNDBR. 1028/2-3 nachgelesen werden.
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Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
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