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14. Feb. 2018

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 24. Januar 2018

Die Trinkwasserversorgung
im Wasserhaushaltsgesetz (WHG)

 

Wenn es in Deutschland um Trinkwasser geht, dann ist vorrangig die Trinkwasserverordnung auf der Basis des Infektionsschutzgesetzes und der EG-Trinkwasserrichtlinie maßgeblich. Aber gelegentlich kann auch ein Blick in das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) hilfreich sein. Denn im Kapitel 3 mit den „Besondere(n) wasserwirtschaftliche(n) Bestimmungen“ beschäftigt sich das WHG im Abschnitt 1 auch mit der öffentlichen Trinkwasserversorgung, den Wasserschutzgebieten und deren Ausweisung sowie mit dem Heilquellenschutz.

Wenn es auf die genaue Interpretation der einschlägigen WHG-Paragraphen ankommt, greift man in der Regel auf einen WHG-Kommentar zurück. Diesbezüglich ist jüngst die 2., völlig neu bearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage des WHG-Kommentars von Berendes, Frenz und Müggenborg (Hrsg.) erschienen (siehe RUNDBR. 1122). Der im Erich-Schmid-Verlag publizierte WHG-Kommentar widmet allein dem § 50 „Öffentliche Wasserversorgung“ 110 (!) Seiten. Nachfolgend werden die Kommentierungen der trinkwasserrelevanten WHG-Paragraphen auszugsweise vorgestellt.

Wie „ortsnah“ muss die
Trinkwassergewinnung erfolgen?

 

Nach Abs. 2 von § 50 ist der Trinkwasserbedarf vorrangig aus ortsnahen Wasservorkommen zu decken. In seiner Auslegung dieses Absatzes geht der WHG-Kommentar davon aus, dass es den Gemeinden und den Wasserversorgungsunternehmen nicht frei steht, sich entweder für eine ortsnahe Wassergewinnung oder für einen Anschluss an eine Fernwasserversorgung zu entscheiden. Der Rückgriff auf ortsferne Wasservorkommen dürfe nur ausnahmsweise erfolgen. Das Primat der ortsnahen Wasserversorgung bezwecke „einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem regional vorhandenen Wasservorkommen“ und diene dem Grundwasserschutz.

Das grundsätzliche Verbot, auf andere Vorkommen auszuweichen, bewirkt einen sorgsameren Umgang vor Ort. Intendiert ist eine ‚Selbstdisziplinierung aus Selbstinteresse‘.“

Darüber hinaus ziele der Grundsatz der ortsnahen Wasserversorgung aber auch darauf ab, „Transportverluste, hohen Energieaufwand bei der Beförderung und die Gefahr der Verkeimung“ zu minimieren. Der WHG-Kommentar gesteht zu, dass sich der Begriff der „Ortsnähe“ „räumlich nicht scharf abgrenzen lasse“. Kleinräumige Verbundlösungen seien möglich. Ferner lasse § 50 (2) Ausnahmen zu Gunsten eines Anschlusses an eine Fernwasserversorgung zu. Und zwar dann, wenn sich ortsnah nicht genügend Trinkwasser in ausreichender Güte fördern lasse bzw. dann, wenn dies mit einem „unvertretbaren Aufwand“ verbunden wäre. „Fraglich“ sei dabei, welcher Aufwand noch als vertretbar angesehen werden könne. Finanzielle Hinderungsgründe für eine ortsnahe Trinkwassergewinnung seien äußerst kritisch zu prüfen:

Ein schlichtes Überschreiten der Kosten der Eigenwasserversorgung gegenüber den Kosten des Fernwasserbezugs rechtfertigt keine Abweichung vom Grundsatz der ortsnahen Wasserversorgung.“

Und weiter:

§ 50 Abs. 2 weist primär eine ökologische Zielsetzung auf, die eine nur nachrangige Berücksichtigung ökonomischer Faktoren fordert.“

Im Übrigen sei der Vorrang der ortsnahen Wassergewinnung auch ein Argument gegen eine Liberalisierung im „Wassermarkt“: Große Wasserkonzerne mit Ambitionen zur Errichtung weiträumiger Verbundstrukturen hätten mit diesem Ansinnen vor dem Hintergrund von § 50 (2) keine Chance. Damit würde die Wasserversorgung „für einen klassischen Wettbewerb unattraktiv“.

Wie weit muss die Kundeninformation
zur Wassereinsparung gehen?

 

§ 50 (3) WHG beinhaltet die Pflicht zum sorgsamen Umgang mit Wasser. Für Wasserversorger wird bestimmt, dass sie die Wasserverluste in ihrem Leitungssystem möglichst gering halten sollten. Ferner sind die Wasserversorger dazu angehalten, ihre Kunden über zweckmäßige Maßnahmen zur Einsparung von Wasser zu beraten und zu informieren. Der WHG-Kommentar bewertet diese Aufforderungen eher skeptisch:

Die Norm stellt aufgrund ihrer unbestimmten Begriffe allenfalls in Extremfällen eine Rechtsgrundlage für ein wasserbehördliches Einschreiten dar. Vielmehr ist sie programmatisch bez. appellativ, zu verstehen. Die Regelung ist gleich in mehrfacher Hinsicht zu vage gehalten, weshalb eine Durchsetzung durch die Behörde annähernd ausgeschlossen ist.“

So bleibe es den Wasserversorgern überlassen, in welcher Weise und Häufigkeit sie ihre Endkunden über die Möglichkeiten der Wassereinsparung informieren wollen.

Die Trinkwasserversorgung
als
Aufgabe der Daseinsvorsorge

 

Zu Beginn der Auslegung von § 50 wird in dem WHG-Kommentar die Definition der Wasserversorgung als Aufgabe der Daseinsvorsorge in den Zusammenhang der Liberalisierungsdebatte seit Ende der 1990er Jahre gestellt. In Kenntnisnahme der Auseinandersetzungen um die öffentliche Wasserversorgung habe die Novelle des WHG im Jahr 2009 in § 50 (1) eindeutig festgelegt, dass „die der Allgemeinheit dienende Wasserversorgung (öffentliche Wasserversorgung (…) eine Aufgabe der Daseinsvorsorge“ sei. Dazu stellt der Kommentar fest: „Die öffentliche Wasserversorgung hat für die Bevölkerung überragende Bedeutung.“ In dem Zusammenhang diskutiert der WHG-Kommentar ausführlich die Frage, ob das wettbewerbsorientierte EU-Recht überhaupt den Freiraum lässt, die öffentliche Trinkwasserversorgung unter die Daseinsvorsorge zu subsummieren. Maßgeblich bei der Beantwortung dieser Frage sei Art. 345 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV):

Auf Grund des hier verankerten Grundsatzes der Neutralität hinsichtlich der Eigentumsordnung können die Mitgliedsstaaten nicht verpflichtet werden, öffentliche Unternehmen zu privatisieren.“

Gleichwohl stehe die öffentliche Wasserversorgung als Bestandteil der Daseinsvorsorge immer unter Rechtfertigungsdruck, weshalb sie beanspruche, von der wettbewerbsdominierten Wirtschaftsverfassung der EU ausgeklammert bleiben zu dürfen. Der Kommentar widmet sich in dem Zusammenhang auch den Ermittlungen der Kartellämter einiger Bundesländer und des Bundes gegenüber privatrechtlich organisierten Wasserversorgern wegen überhöhter Wasserpreise. Einige der davon betroffenen Wasserversorger hatten daraufhin formale Rekommunalisierungen vorgenommen, um dem weiteren Ermittlungsdruck der Kartellämter zu entgehen. Dies wurde vielerorts als „Flucht in die Gebühren“ tituliert (s. RUNDBR. 990/3-4 966/1-3, 955/1, 949/2-3). Der WHG-Kommentar kann diese Sichtweise nicht nachvollziehen. Denn jedem Trinkwasserkonsumenten stehe es nach der „Rekommunalisierung“ frei, vermeintlich überhöhte Gebühren vor dem Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen.

Von einer ‚Flucht in die Gebühren‘ kann aufgrund der Überprüfungskompetenz und Rechtmäßigkeitskontrolle der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Hinblick auf Gebühren und Beiträge auch im Zusammenhang mit der Wasserversorgung daher keine Rede sein“.

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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