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19. April 2019

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 4. April 2019

TFA-Einleitung:
Regierungspräsidium Stuttgart völlig unschuldig!

 

Dass der Solvay-Konzern jahrelang mehr als 100 kg Trifluoracetat (TFA) pro Tag in den Neckar eingeleitet hat, sei nicht die Schuld der Oberen Wasserbehörde beim Regierungspräsidium Stuttgart (RPS). Zu dieser Erkenntnis ist nach einer Ermittlungszeit von 14 Monaten die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gekommen. Wir hatten im Oktober 2016 die Staatsanwaltschaft gebeten, Ermittlungen gegen das RPS wegen Beihilfe zur Gewässerverschmutzung (§ 324 Strafgesetzbuch) bzw. wegen Beihilfe zur illegalen Abfallbeseitigung (§ 326 StGB) einzuleiten. Den Mitarbeitern des RPS hätte auffallen müssen, dass die Solvay Fluor Chemie GmbH ohne wasserrechtliche Erlaubnis große Mengen an TFA in den Neckar einleitet (siehe RUNDBR. 1122/2-4, vgl. 1133/3-4). Mit Schreiben vom 24.01.19 teilte uns die Staatsanwaltschaft mit, dass sie die Ermittlungen eingestellt habe:

Der Verantwortlichen des Regierungspräsidiums Stuttgart ist, unabhängig von der Frage, ob Verantwortlichen der Solvay Fluor Chemie GmbH ein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden kann, kein Verstoß gegen §§ 324, 326 Abs. 1 StGB nachzuweisen.“

Maßgeblich für diese Bewertung sei, dass es keinen rechtlichen Grenzwert für die Einleitung von TFA in Oberflächengewässer geben würde. Zudem sei kein Nachweis zu führen, dass es durch die TFA-Einleitungen zu einer Gefährdung der Öffentlichen Trinkwasserversorgung gekommen sei. Denn auch die Trinkwasserversorgung enthalte keinen Grenzwert für TFA. Die vom Umweltamt festgesetzten gesundheitlichen Orientierungswerte (GOW) sowie die um den Faktor 10 darüber liegenden Maßnahmenwerte im Trinkwasser seien nicht überschritten worden. Die betroffenen Wasserversorgungsunternehmen am unteren Neckar seien deshalb nicht verpflichtet gewesen, „sofortige Maßnahmen einzuleiten“. (Zur Erinnerung: Die Gemeinde Edingen-Neckarhausen hatte wegen der zeitweisen Überschreitung des Maßnahmenwertes die Umstellung ihrer Trinkwasserversorgung geplant gehabt – siehe RUNDBR. 1109/1-4). Schlussendlich argumentiert die Staatsanwaltschaft damit, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen würden,

dass den Verantwortlichen des Regierungspräsidiums vor der Einstellung der Wasserentnahme in Edingen-Neckarhaus bekannt war oder sich ihnen hätte aufdrängen müssen, dass die Einleitung von TFA durch die Solvay Fluor Chemie GmbH zu Überschreitungen des Maßnahmenwertes für Trinkwasser im Neckar führen würde. Eine solche Kenntnis kann auch dann nicht angenommen werden, wenn der Firma über die bestehenden Dokumentationspflichten hinaus weitere Auflagen gemacht worden wären.“

Weitere Auskunft zur Positionierung der Staatsanwaltschaft
(Az.: 170 Js 98383/17):

Staatsanwaltschaft Stuttgart
Herrn Dr. Scheiderhan (Oberstaatsanwalt)
70049 S t u t t g a r t
Tel.: 0711/921 4525
poststelle@stastuttgart.justiz.bwl.de

Mit einer identischen Begründung hat die Staatsanwaltschaft Heilbronn inzwischen auch die Ermittlungen gegen den Solvay-Konzern eingestellt. Weiterverfolgt wird gegen den TFA-Einleiter allerdings noch ein Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Nicht reglementierte Stoffe“:
Was nicht verboten ist, bleibt erlaubt

 

Unbefriedigend an dem Einstellungsschreiben der Stuttgarter Staatsanwaltschaft bleibt, dass sich die zuständige Wasserbehörde offenbar nur um Schadstoffe kümmern muss, für die es einen Grenzwert („Überwachungswert“) gibt. Was eine Chemiefirma an „nicht reglementierten Stoffen“ ansonsten in den „Vorfluter“ einleitet, scheint in den Augen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft völlig belanglos zu sein. Die Überwachungswerte für Chemiefirmen sind in Anhang 22 zur Abwasserverordnung aufgelistet. An dem dort enthaltenen Parameterkatalog orientieren sich die individuellen wasserrechtlichen Erlaubnisbescheide für die direkteinleiteten Chemiestandorte. Unsere Positionierung hat die Staatsanwaltschaft wie folgt wiedergegeben: Ein Behördenversagen habe unseres Erachtens deshalb vorgelegen,

weil die Verantwortlichen des Regierungspräsidiums sich nicht die Auffanglinien für nicht reglementierte Stoffe zu eigen gemacht hätten, die von anderen oberen Wasserbehörden standardmäßig in eine wasserrechtliche Erlaubnis aufgenommen würden. Hätten die Beamten des Regierungspräsidiums dies getan, wäre die Solvay Fluor Chemie GmbH von Anfang an verpflichtet gewesen, von sich aus die Einleitung von TFA zu dokumentieren und dann auch entsprechend abzustellen.“

Bemerkenswerter Weise geht die Stuttgarter Staatsanwaltschaft auf diese Argumentation aber gar nicht weiter ein. Die Vorlage eines in die Tiefe gehenden Abwasserkatasters ist in den Augen der Staatsanwaltschaft offenbar nur für Schadstoffemissionen erforderlich, für die ein Überwachungswert im branchenspezifischen Anhang zur Abwasserverordnung enthalten ist – oder bei Stoffen, die unabhängig davon auch für einen vielleicht nicht ganz aufgeweckten Behördenmitarbeiter erkennbar die öffentliche Trinkwasserversorgung gefährden. Dies ist wiederum nur dann der Fall, wenn der gesundheitliche Orientierungswert offensichtlich und auf Dauer überschritten wird.

Die „nicht reglementierten Stoffe“ bleiben damit weiterhin ein Thema, das es in Deutschland zu reglementieren gilt. Die Schweizer verweisen in der Internationalen Rheinschutzkommission diesbezüglich immer auf ihre Philosophie: Was nicht explizit erlaubt ist, hat als verboten zu gelten!

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
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