BBU-Wasserrundbrief,
9. August 2019
Das Abwasserabgabengesetz mit einer Spurenstoffabgabe ergänzen?
Das Abwasserabgabengesetz im Mahlstrom
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Viele Freunde hat die Abwasserabgabe nicht mehr. Da sind zum einen die Bundesländer, deren Wasserwirtschaftsverwaltungen auf die Einnahmen aus der Abwasserabgabe angewiesen sind – und zum anderen die Umweltverbände. Alle anderen Lobbygruppen wünschen das Abwasserabgabengesetz zum Teufel: Das Gesetz habe sich überlebt, weil die Kläranlagen im Optimum arbeiten würden und an der Güte der Oberflächengewässer kaum mehr etwas zu bemängeln sei. Das Abwasserabgabengesetz (AbwAG) war in den 70er Jahren als „ökonomischer Hebel“ zur Unterstützung des Vollzugs des Wasserhaushaltsgesetzes konzipiert worden – und hatte sich nach dem Eindruck aller Lobbygruppen seinerzeit durchaus bewährt. Für die Betreiber von industriellen Kläranlagen ist die Abwasserabgabe inzwischen aber nur noch ein lästiger Kostenfaktor – und die Betreiber der kommunalen Kläranlagen sehen das ähnlich. Zudem wird ein überbordender Bürokratismus beklagt.
Ende letzten Jahres ist neuer Drive in die Diskussion über Sinn und Unsinn des AbwAG gekommen. Im Bundesumweltministerium (BMU) bastelt man nämlich an Plänen, das AbwAG mit einer „Spurenstoffabgabe“ aufzuladen. Mit den Zusatzeinnahmen aus einer Erhöhung der Abgabe soll der Bau von „Vierten Reinigungsstufen“ auf kommunalen Kläranlagen bezuschusst werden. Die Lobbygruppen, die die Abwasserabgabe nur noch als ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert einstufen, sehen jetzt den Zeitpunkt gekommen, um das AbwAG endgültig untergehen zu lassen. Motto: Viele Hunde sind des Hasen Tod.
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Das Abwasserabgabengesetz
mit einer Spurenstoffabgabe ergänzen?
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Der Frontverlauf in der Debatte um das Abwasserabgabengesetz (AbwAG) zeichnete sich auf der 18. Wasserwirtschaftlichen Haupttagung des Bundesverbandes der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) am 24. und 25. Juni 2019 in Berlin ab: Dort wurde vor allem über die Sinnhaftigkeit der geplanten „Spurenstoffabgabe“ debattiert. Die soll nämlich im Gegensatz zu den bisherigen stoffbezogenen „Zahlparametern“ (CSB, Nährstoffe, Schwermetalle usw.) durch einen pauschalen Zuschlag auf die Abgabe erhoben werden. Nicht die Mikroverunreinigungen im Abwasser, sondern die Zahl der an eine Kläranlage angeschlossenen Einwohnerwerte soll maßgeblich sein (s. RUNDBR. 1141/4). Darin sieht der BDEW – und wir übrigens auch - eine Verletzung der bisherigen Systematik des AbwAG. Darüber hinaus würde die „Spurenstoffabgabe“ aber auch dem Verursacherprinzip widersprechen. Nicht die Produzenten und Inverkehrbringer von Mikroverunreinigungen, sondern alle Menschen (genauer gesagt: Alle Zahler von Abwassergebühren), die an eine Kläranlage angeschlossen sind, sollen für die Kosten von „Vierten Reinigungsstufen“ zur „Eliminierung“ von Mikroverunreinigungen aufkommen. Insofern würde die „Spurenstoffabgabe“ keinerlei Lenkungswirkung zur Reduktion von Mikroverunreinigungen bei den Produzenten und im Anwendungsbereich aufweisen.
Der BDEW und die Umweltverbände plädieren deshalb für Abgaben auf Produkte, die gewässerschädliche Mikroverunreinigungen enthalten. Bei den derzeitigen Kräfteverhältnissen im Bundestag haben Produktabgaben aber keine Chance.
Die Wiedergabe der äußerst vielschichtigen AbwAG-Debatte auf der BDEW-Tagung würde mehrere RUNDBR. vollumfänglich füllen. Stattdessen können die AbonnentInnen des BBU-WASSER-RUNDBRIEFS via nik@akwasser.de kostenlos einen ausführlichen pdf-Tagungsbericht mit erklärenden Hintergrundinformationen zur aktuellen AbwAG-Kontroverse beziehen. Nach Informationen aus dem BMU soll der Referentenentwurf zur Novelle des AbwAG übrigens bis Oktober 2019 auf den Tischen der Lobbyverbände liegen – siehe auch 1137/2-3.
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Röntgenkontrastmittel im Abwasser:
Wer muss für die Urinbeutel zahlen?
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Eine maßgebliche Gruppe unter den Mikroverunreinigungen sind die schwerabbaubaren Medikamente – und dazu zählen u.a. auch die jodieren Röntgenkontrastmittel (RKM). Die RKM sind zwar völlig inert – das heißt, dass sie sich in Gewässerorganismen nicht anreichern und dort auch keinen Schaden anrichten. Aber weil die RKM praktisch nicht abbaubar sind, findet man Spuren dieser Stoffe verschiedentlich im Trinkwasser. Für empfindsame Zeitgenossen sind die RKM im Trinkwasser ein Indiz, dass sie das Pipi ihrer Oberlieger trinken müssen. Im Vergleich zu tatsächlich gewässerschädigenden Pharmawirkstoffen geht es bei den RKM also mehr um ein psychologisches Problem. Gleichwohl gehören die RKM zur ersten Stoffgruppe, für die in der „Bundes-Spurenstoff-Strategie“ (s. RUNDBR. 1129/1) Abhilfemaßnahmen entwickelt werden sollen.
Dazu zählen zuallererst Urinbeutel, in die die PatientInnen der Röntgenstationen von Krankenhäusern und der ambulanten Röntgenpraxen die ersten 24 Stunden nach Verabreichung der RKM reinpinkeln sollen. Ähnlich wie in Windeln befindet sich in den Beuteln ein Superabsorber, durch den der Urin augenblicklich und geruchsneutral verfestigt wird. Der Beutel kann anschließend mit dem normalen Hausmüll entsorgt werden. Bei der Müllverbrennung soll es zu keinen relevanten Jod-Emissionen kommen.
Die Idee mit den Urinbeuteln ist schon alt, aber im Verlauf von mehreren Jahren konnte in dem „Stakeholderprozess“ zur Spurenstoffstrategie des Bundes keine Einigung erreicht werden, wer für die Kosten der Urinbeutel aufzukommen hat. Weder die Produzenten der RKM noch die Krankenhäuser und auch die Röntgenpraxen sahen für eine (alleinige) Kostenübernahme keinen Anlass. Auf einer Sitzung des „Bundespurenstoffdialogs“ wurde am 30. Juli 2019 im Bundesumweltministerium in Bonn ein neuer Anlauf unternommen, um doch noch eine Verständigung über die Kostenübernahme zu erreichen. Ergebnis: Die Verhandlungen werden an einem „Runden Tisch“ weitergeführt.
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Werden unnötig viel Röntgenkontrastmittel eingesetzt?
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Aus der Sicht des BUND und nach unserer Einschätzung ist es bemerkenswert, dass die Frage, ob man auch mit weniger jodierten Röntgenkonstrastmitteln (RKM) auskommen könnte, im Bundesspurenstoffdialog keine Rolle spielt. Die Vermeidungsstrategie hat durch einen Beitrag der ARD-Sendung PANORAMA am 01.08.19 zusätzliche Aktualität erreicht. Danach kaufen Radiologen die Röntgenkontrastmittel weit unter dem Listenpreis bei den Pharmafirmen ein und rechnen sie dann aber zum Listenpreis mit den Krankenkassen ab. Eine Röntgenpraxis könne alleine mit diesem Schmu ein Zusatzeinkommen von 30.000 Euro im Jahr erwirtschaften. Und je mehr RKM pro Patient abgerechnet werden kann, desto lukrativer wird dieses Geschäft auf Kosten der KrankenkassenbeitragszahlerInnen. Die Verführung, unnötig viel RKM einzusetzen sei also sehr hoch, urteilt PANORAMA – siehe:
https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2019/Radiologen-Extra-Profit-mit-Kontrastmitteln,kontrastmittel108.html
Wer die Kommentare zu diesem PANORAMA-Bericht liest, merkt, dass es einer umfassenderen Sicht bedarf, um die vermeintlichen „Betrügereien“ der Radiologen halbwegs fundiert bewerten zu können. Insgesamt dürfte es aber doch so sein, dass unnötig viele Medikamente verschrieben und konsumiert werden. Wie viel der „überflüssigen“ Medikamente dann auch noch eine schädigende Wirkung auf die Gewässerökologie haben, ist weitgehend unbekannt.
Frappierend ist jedoch, dass schon jeder Ansatz einer Diskussion über einen zurückhaltenderen Konsum von Medikamenten im Ansatz unterbunden wird. Auch die Berücksichtigung von nichtmedikamentösen Therapievarianten galt und gilt im „Bundesspurenstoffdialog“ auf Drängen der Pharmaindustrie als unerwünscht. Nach dem Eindruck des BUND-Vertreters im „Bundesspurenstoffdialog“ scheint
„die Industrieseite nicht bereit zu sein (…), Herstellerverantwortung im Sinne von Minimierung, Substitution, Rückhaltung, vorbeugenden Maßnahmen etc. bei Entwicklung, Produktion und Anwendung der Stoffe wahrzunehmen“.
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EU-Pharmastrategie setzt auf
geringeren Medikamentenkonsum
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Im Gegensatz zum weich gewaschenen „Bundesspurenstoffdialog“ sieht die EU-Kommission durchaus die Perspektive, mit einem geringeren Konsum von Medikamenten die aquatische Umwelt zu entlasten. In einem im März 2019 veröffentlichen „Sechs-Punkte-Katalog“ wird als erstes eine Steigerung des Bewusstseins gefordert, damit es zu einem umsichtigeren Einsatz von Arzneimitteln komme. Dem medizinischen Fachpersonal würde in dem Zusammenhang eine „Schlüsselrolle“ zukommen. Die Kommission sei bereit, entsprechende Ausbildungsprogramme mitzufinanzieren. Hierzu gehöre auch die Entwicklung von Leitlinien für die Angehörigen der Gesundheitsberufe. Die Spurenstoffproblematik müsse „Teil der medizinischen Ausbildung“ werden.
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Einschränkung der Werbung für Arzneimittel?
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Zudem müssten „Überlegungen“ angestellt werden, wie in der „Werbung und Verschreibung“ von Arzneimitteln deren Umweltrelevanz berücksichtigt werden könnte – soweit dies „angemessen“ sei, schreibt die EU-Kommission in ihrer zuvor erwähnten Pharmastrategie. Die Kommission äußert sich hier also sehr vorsichtig – wohl auch im Bewusstsein, dass die Pharmaindustrie alle Maßnahmen zur Einschränkung der Bewerbung oder gar der Verschreibung von gewässerrelevanten Arzneimitteln strikt ablehnt.
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EU-Strategie gegen
Pharmawirkstoffe
im Wasserkreislauf
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Einige Pharmawirkstoffe lassen sich mit Hilfe der Hightech-Analytik inzwischen schon im Trinkwasser von Kommunen nachweisen, die mit Uferfiltrat aus belasteten Oberflächengewässern versorgt werden. Das sorgt für Irritationen bei den TrinkwasserkonsumentInnen und treibt seit Jahren auch die EU-Kommission um. Im März 2019 hat die EU-Kommission deshalb eine EU-Pharmastrategie vorgelegt. Diese stellen wir zunächst an Hand eines kurzen Faktenblattes vor, das die EU-Kommission zu ihrer Strategie publiziert hat. Anschließend erläutern wir an Hand der ausführlichen „Mitteilung“ der Kommission die Empfehlungen, EU-weit den Eintrag von pharmazeutischen Mikroverunreinigungen in die aquatische Umwelt zu verringern. Zum Schluss unserer Berichterstattung wird die EU-Strategie mit der deutschen „Bundesstrategie Spurenstoffe“ in Bezug gesetzt.
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EU-Pharmastrategie setzt auf
geringeren Medikamentenkonsum
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Im Gegensatz zum weich gewaschenen „Bundesspurenstoffdialog“ sieht die EU-Kommission durchaus die Perspektive, mit einem geringeren Konsum von Medikamenten die aquatische Umwelt zu entlasten. In einem im März 2019 veröffentlichen „Sechs-Punkte-Katalog“ wird als erstes eine Steigerung des Bewusstseins gefordert, damit es zu einem umsichtigeren Einsatz von Arzneimitteln komme. Dem medizinischen Fachpersonal würde in dem Zusammenhang eine „Schlüsselrolle“ zukommen. Die Kommission sei bereit, entsprechende Ausbildungsprogramme mitzufinanzieren. Hierzu gehöre auch die Entwicklung von Leitlinien für die Angehörigen der Gesundheitsberufe. Die Spurenstoffproblematik müsse „Teil der medizinischen Ausbildung“ werden.
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Antibakterielle Wirkstoffe im Fokus
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Mit einem „Factsheet“ hat die EU-Kommission am 11. März 2019 ihre Pharmastrategie der Öffentlichkeit vorgestellt. In dem Streckbrief heißt es, dass es „immer mehr Belege“ dafür geben würde, dass der Gehalt bestimmter Arzneimittelwirkstoffe, die in Böden und Gewässern gefunden werden, ein Risiko für die Gewässerökologie darstellen könnte. Dies liege daran, „weil Arzneimittel so konzipiert sind, dass sie bereits in geringen Konzentrationen wirken“. In dem Factsheet wird zudem die „Sorge“ artikuliert, „dass die Freisetzung antimikrobieller Wirkstoffe in die Umwelt auch zur Entwicklung und Verbreitung von Resistenzen gegen antimikrobielle Wirkstoffe beitragen könnte“. Das sei „ein Problem von globaler Bedeutung“. Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, habe die Kommission einen „Strategischen Ansatz zur Bewältigung der von Arzneimitteln ausgehenden Umweltrisiken“ formuliert. Mit dem Papier wolle die Kommission auf die genannten Risiken aufmerksam zu machen. Zudem habe man sechs Bereiche identifiziert, in denen Handlungsbedarf bestehe:
„Die Bereiche umfassen den gesamten Lebenszyklus von Arzneimitteln, von der Konzeption über die Herstellung bis hin zu Entsorgung und Abfallbewirtschaftung.“
Die Kommission ruft auch zu einem Dialog mit Drittländern auf, in denen Pharmawirkstoffe für den EU-Markt produziert werden. Dabei stehen vor allem Antibiotika im Fokus, die beispielsweise an indischen Pharmastandorten auf Grund einer völlig unzulänglichen Abwasserreinigung die Ausbildung von Mehrfachresistenzen in den dortigen „Vorflutern“ begünstigen (siehe RUNDBR. 1100/3).
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EU: Legislative Maßnahmen
erst nach einer Folgenabschätzung
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Die gesundheitliche Relevanz von Pharmawirkstoffen im Nano- und Mikrogrammbereich wird in dem Factsheet als eher untergeordnet bewertet. Das „offensichtlichere Risiko für die menschliche Gesundheit“ bestehe darin, „dass die Freisetzung antimikrobielle Wirkstoffe in die Umwelt zur Entwicklung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen führen könnte“. In dem Factsheet kündigt die Kommission an, dass sie zur Reduktion des Eintrags von Pharmawirkstoffen in die Gewässer legislative Maßnahmen vorbereiten werde. Die entsprechenden Legislativvorschläge müssten allerdings noch eine „Folgenabschätzung“ (Impact-Analyse) durchlaufen, „die sich mit den potenziellen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der öffentlichen Gesundheit und der Kostenwirksamkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen“ befassen werde. Das zweiseitige Factsheet mit dem Kurzüberblick über die EU-Pharmawirkstoffstrategie kann unter
http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-19-1598_de.htm
heruntergeladen werden. Wer es genauer wissen will, kann sich über den zuvor genannten Link auch gleich die ausführliche „Mitteilung“ der Kommission zum „European Union Strategic Approach to Pharmaceuticals in the Environment“ (13 S. in Englisch) herunterladen.
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EU-Pharma-Strategie
kommt mit vier Jahren Verspätung
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In der Kommissionsmitteilung wird zunächst eingeräumt, dass man mit der Vorlage der Strategie im jahrelangen Verzug sei. Denn die Kommission hatte sich schon in der Richtlinie über Umweltqualitätsnormen (UQN-Richtlinie) aus dem Jahr 2013 (2013/39/EU) in Art. 8 c) verpflichtet gehabt, innerhalb von zwei Jahren - also bis 2015 - eine Pharmastrategie vorzulegen (s. RUNDBR. 1094/1). Aber erst im November 2017 hatte die EU-Kommission eine Konsultation zu der vorgesehenen Pharmastrategie eingeleitet. Im Rahmen einer EU-weiten Internetkonsultation konnten die interessierten Kreise ihre Vorstellungen zu einer Pharmastrategie äußern (siehe 1121/1-2). Die Kommission hatte damals 30 Optionen zur Eindämmung von Pharmawirkstoffen im Wasserkreislauf zur Diskussion gestellt.
Als Ergebnis dieser Konsultation liegt jetzt die „Mitteilung COM (2019) 123 final“ vor. In der Mitteilung werden die oben im Factsheet genannten Punkte ausführlicher dargestellt und erörtert. Mit über 60 Fußnoten und Quellenhinweisen wird die wissenschaftliche Reputation der Thesen in der Mitteilung belegt. Ebenso wie im Factsheet wird auch in der Mitteilung noch einmal betont, dass Spurenkonzentrationen von Pharmawirkstoffen im Trinkwasser für die menschliche Gesundheit nach dem jetzigen Stand des Wissens irrelevant seien.
Mit Berufung auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird aber zugleich festgestellt, dass die Problematik von Arzneimittelrückständen im Trinkwasser „nicht ignoriert“ werden könne. „Mögliche Auswirkungen einer Langzeitbelastung auf schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen“ könnten nicht völlig ausgeschlossen werden, heißt es in der Mitteilung. Daher sei „ein vorbeugender Ansatz erforderlich“. Die Kommission empfiehlt deshalb die Aufnahme eines „relevanten Parameters“ in die Neufassung der EG-Trinkwasserrichtlinie.
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„Regelungslücke“: Arzneimittel
sind von REACH ausgenommen
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Im Kapitel über bestehende Wissenslücken über die Effekte von Pharmawirkstoffen in der aquatischen Umwelt wird u.a. erwähnt, dass die Wissenschaft mögliche »Cocktail«-Effekte aus der kombinierten Anwesenheit vieler Pharmawirkstoffe und anderer Chemikalien in der Umwelt noch nicht gut erfassen könne. Den größten Handlungsbedarf sieht die Kommission beim Eintrag von antimikrobiellen Mitteln in die Umwelt. Aufgelistet werden in der Mitteilung die schon bestehenden Regularien auf EU-Ebene, die dazu dienlich sein können, die Freisetzung von Pharmawirkstoffen zu reduzieren und die verbleibenden Risiken zu minimieren. Aber trotz der bestehenden Regulierung würden Risiken für die Umwelt bestehen bleiben, heißt es in der Mitteilung. Im Hinblick auf die bestehenden Regularien wird hervorgehoben, dass der jetzt vorgelegte strategische Ansatz die „kürzlich verabschiedete Strategie für Endokrine Disruptoren“ ergänzen würde.
Ferner wird angemerkt, dass eine Minderung des Eintrags von Pharmawirkstoffen in die Umwelt erwartet werden könne, wenn die demnächst anstehenden Neufassungen der in die Jahre gekommenen EG-Kommunalabwasserrichtlinie sowie der - auch schon über 20 Jahre alten - EG-Trinkwasserrichtlinie verabschiedet worden seien. Auch die beabsichtigte Verordnung über die Wiederverwertung von gereinigtem Abwasser in der Landwirtschaft könnte sich vorteilhaft auf die Minderung von Pharmawirkstoffen im Abwasser auswirken. Als noch vorhandene Lücke in der EU-Chemikaliengesetzgebung (REACH) wird erwähnt, dass die Arzneimittel von den meisten Bestimmungen des EU-Chemikalienrechts ausgenommen seien.
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„Vierte Reinigungsstufen“ nur
an ausgewählten Kläranlagenstandorten
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Unter Bezugnahme auf Art. 8c der UQN-Richtlinie [Umweltqualitätsnormen] wird hervorgehoben, dass sich die angestrebten Maßnahmen in der Pharmastrategie nicht allein auf End-of-the-Pipe-Maßnahmen beschränken sollten. „Vierte Reinigungsstufen“ zur Spurenstoffeliminierung (vgl. RUNDBR. 1141/3) kommen nach Auffassung der EU-Kommission an „ausgewählten“ Kläranlagenstandorten in Frage. Neben einer verbesserten Abwasserbehandlung müssten auch Maßnahmen im Bereich der Produktion und der Nutzung von Arzneimitteln ergriffen werden. Hierzu habe die Kommission in ihrer Mitteilung sechs Handlungsbereiche identifiziert.
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Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
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