In dem Zusammenhang mit der Rohrnetzrehablitierung könnte es von Interesse sein, dass bei der Internationalen Normungsorganisation (ISO) derzeit eine Norm zum Management bei der Reduzierung von Wasserverlusten in Trinkwasserversorgungssystemen in Arbeit ist. In der Working Group 6 des Technischen Komitees 224 der ISO verhandeln Experten über die Details der geplanten ISO 24528 „Water loss“.
Bei deutschen Experten ist es auf Erstaunen gestoßen, dass in südeuropäischen Ländern und bei nicht wenigen Consultern das Druckmanagement als probates Mittel zur Einschränkung von Wasserverlusten aus löchrigen Wasserversorgungsystemen anerkannt wird: Während der Nacht wird der Druck im Leitungssystem abgesenkt. Mit abnehmendem Druck quillt automatisch weniger Trinkwasser aus dem schadhaften Leitungssystem aus. Mit dieser schlitzohrigen Herangehensweise kann man sich dann bestätigen lassen, dass man im Jahresmittel erfolgreich die Wasserverluste um X Prozent reduziert hat.
Deutsche Rohrnetz-Experten setzten sich in der Working Group 6 dafür ein, dass es demgegenüber auf die tatsächliche Rehabilitierung des Leitungssystems ankommen muss. Druckmanagement dürfe allenfalls nur als vorübergehende Nothilfemaßnahme anerkannt werden. Hohe Wasserverluste seien immer ein Hinweis auf einen schlechten Systemzustand. Somit bestehe auch hier eine Verbindung mit dem oben genannten Management von Assets, damit die unterirdische Infrastruktur nicht einen fortschreitenden Substanzverlust erleidet. Ein Druckmanagement wäre in Deutschland schon wegen der Löschwasserbereitstellung über das Trinkwasserversorgungssystem ein Problem (siehe RUNDBR. 1134/4). Aber in anderen Ländern gibt es teilweise separate Löschwasserleitungen. Eine Rolle spielen in der geplanten ISO-Norm auch betriebswirtschaftliche Aspekte: Ab wann lohnt sich eine Leckagesuche und das Abstellen von Wasseraustritten überhaupt? Kann man bei Wasserreichtum sowie bei preisgünstiger Förderung und Aufbereitung hohe Wasserverluste tolerieren? Die betriebswirtschaftliche Sicht spielt auch im DVGW-Arbeitsblatt W 392 eine Rolle – siehe:
https://www.dvgw.de/themen/wasser/netze-und-speicherung/wasserverlust-in-rohrnetzen/
Sinngemäß wird in W 392 angedeutet, dass man die Verhältnismäßigkeit bei der Leckagebekämpfung in Stuttgart (Versorgung mit vergleichsweise teurem Fernwasser) und in München (ergiebige eigene Wasserressourcen) unterschiedlich beurteilen müsse. Wir haben darauf hingewiesen, dass Leckagen unabhängig von betriebswirtschaftlichen Erwägungen auch ein hygienisches Risiko beinhalten können: Dort wo Trinkwasser aus defekten Leitungen austritt, können (krankmachende) Keime ins Netz eindringen (s. RUNDBR 1014/1). Dem wird entgegengehalten, dass man zumindest in Deutschland noch nie eine Korrelation zwischen den Rohrnetzverlusten und Leckagen mit wasserbürtigen Krankheiten habe nachweisen können.