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3. April 2021

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BBU-Wasserrundbrief Nr. 1174, 19. März 2021

Kann SarsCoV2 über das Abwasser
übertragen werden?

 

Ein internationales Autorenkollektiv geht in nature substainability davon aus, dass ein Übertragungsweg für die Coronaviren auch über den Abwasserpfad erfolgen könnte! In dem Review Article wird unter der Überschrift „Rethinking wastewater risks and monitoring in light of the COVID-19 pandemic“ u.a. vermutet, dass in Kanalisationen und Kläranlagen die Freisetzung von Aerosolen zu einer Infektionsgefahr für das dort tätige Personal führen könnte. Und falls mehr oder weniger gut gereinigtes Abwasser zur Bewässerung im Lebensmittelanbau genutzt wird, müsste auch dort mit einer Infektionsgefahr gerechnet werden. Trotz der 125 Lit.-Hinweise gestehen die AutorInnen insgesamt ein, dass man über die abwasserbürtigen Übertragungswege noch so gut wie gar nichts weiß. Ihre Vermutungen über mögliche Übertragungswege basieren deshalb auf Analogieschlüssen. Denn im Gegensatz zu SarsCoV2 hat man zu anderen Viren bereits weitergehende Erkenntnisse. Allerdings steckt die extrem aufwendige Analytik von Viren im Abwasser immer noch in den Kinderschuhen. Jetzt zeichne sich aber ab, dass man mit neuen Verfahren zu besseren Virennachweisen kommen könnte.

Beruhigend ist immerhin, dass die AutorInnen davon ausgehen, dass in der Uferfiltratpassage die Viren kaum eine Überlebenschance haben. Insofern kann man davon ausgehen, dass die Viren bei Uferfiltrat gestützten Wasserwerken nicht ins Trinkwasser gelangen. Entwarnung wird auch im Hinblick auf Grauwasser gegeben: Im Abwasser aus Duschen, Wasch- und Geschirrspülmaschinen seien so viel Seife und Detergenzien enthalten, dass die empfindliche Hülle der Corona-Viren - und damit deren Vitalität - zerstört wird. Gefährdet seien vor allem die Menschen im Globalen Süden, wo Abwasser zum einen ohne jegliche Reinigung in der landwirtschaftlichen Bewässerung eingesetzt wird. Die dort vielerorts praktizierte offene Ableitung von Abwässern würde zum anderen auch die Gefahr der Aerosolbildung beinhalten. Sollte man in den Industriestaaten der Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser nähertreten, sollten die Desinfektionsmaßnahmen

„neu überdacht werden, sobald mehr Informationen über Virusbelastung, -übertragung, -überleben und -infektiosität im Abwasser zur Verfügung stehen“.

Hierzulande sei nicht völlig auszuschließen, dass über Kläranlagen und Mischwasserüberläufe Corona-Viren auch in urbane Gewässer gelangen könnten, die der Freizeitnutzung dienen. Der Übersichtsaufsatz betont in seinem Fazit,

„die dringende Notwendigkeit einer verbesserten Risikobewertung und neuer Risikomanagementstrategien für COVID-19 im Abwasser“.

Der umfangreiche Aufsatz kann unter
https://www.nature.com/articles/s41893-020-00605-2
heruntergeladen werden.

Abwasserbasiertes Corona-Frühwarnsystem
im Berchtesgadener Land

 

Die Region um Berchtesgaden war im November 2020 wegen einer außerordentlich hohen Infektionsrate tagelang und bundesweit in den Schlagzeilen - bis andere Covid-19-Hotspots dem bayerischen Landstrich den Rang abgelaufen hatten. Gleichwohl ist das Berchtesgadener Land auserkoren worden, um an Hand von PCR-Analysen auf zehn Kläranlagen eine flächendeckendes Corona-Frühwarnsy-stem zu installieren. Die »Fracht« an Corona-RNA im Zufluss zu den Kläranlagen gibt frühzeitig Auskunft über das Infektionsgeschehen - und lässt zudem eine Beurteilung der Dunkelziffer zu. Denn auch Infizierte ohne jegliche Symptome scheiden Viren-RNA aus, die dann im Kläranlagenzufluss detektiert und hochgerechnet werden kann.

„Die Sensitivität reiche aus, um als Frühwarnsystem anzuzeigen, ob der Inzidenz-Wert von 50 Corona-Infektionen pro 100.000 Einwohnern überschritten werde“,

schrieb dpa am 04.12.20 in einem Bericht über das Vorhaben. Bei dem Pilotversuch zur frühzeitigen Beobachtung der Infektionsentwicklung im Berchtesgadener Land arbeiten die TU München, das Karlsruher DVGW-Technologiezentrum Wasser und Epidemiologen der Bundeswehr zusammen.

Abwasserbasiertes Corona-Frühwarnsystem
auch in Kärnten
 

Ein ähnliches Projekt wie im Berchtesgadener Land ist im Nov. 2020 auch im österreichischen Bundesland Kärnten gestartet worden. Die auf den dortigen Kläranlagen entnommenen 24-Stunden-Mischpro-ben werden in der Uni Innsbruck mit quantitativen PCR-Tests ausgewertet. Damit kann dann berechnet werden, wie hoch die Viruslast im Einzugsgebiet der jeweiligen Kläranlage ist. Durch die Probenahme an fünf Kläranlagen in Kärnten werden 350.000 EinwohnerInnen erfasst. Das sind mehr als 60 Prozent der Einwohner des Bundeslandes. Die bisherigen Auswertungen belegen, dass das abwasserbasierte System im Vergleich zu den Individualtests eine bis zwei Wochen früher das Infektionsgeschehen wiederspiegelt. Damit könnten frühzeitig passende Lockdown-Anordnungen erlassen werden. Ferner könnten Massentests gezielt dort durchgeführt werden, wo das abwasserbasierte Frühwarnsystem überproportional hohe Anstiege der Infektionen erkennen lässt. Außerdem lasse sich an Hand der Corona-RNA-Last in den Kläranlagen der Erfolg bzw. Misserfolg von Lockdown-Maßnahmen frühzeitig erkennen (nach einem ORF-Bericht vom 22.11.20).

In Dresden fördert das Land Sachsen ebenfalls ein abwasserbasiertes Frühwarnsystem zur Überwachung der Covid-19-Infektionsraten. Hierfür stellt das Land für zwei Jahre zur Praxiserprobung 1,2 Mio. Euro Fördergelder bereit. Mit dem Praxistest sind das Helmholtz-Umweltforschungszentrum in Leipzig sowie Abwasserexperten und Ärzte der TU Dresden beauftragt worden. Das Helmholtz-Umweltforschungszentrum untersucht bereits Proben aus 40 Kläranlagen in ganz Deutschland auf die jeweilige Corona-Viruslast. In Sachsen werden die Proben aus der Großkläranlage in Dresden-Kaditz entnommen. Dort wird das Abwasser von 650.000 EinwohnerInnen aus dem Großraum Dresden gereinigt.


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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