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14. Oktober 2022

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BBU-Wasserrundbrief Nr. 1194, 26. August 2022

 

Der Russland-Ukrainekrieg und der Gewässerschutz

 

Die drohende Einstellung der Gasversorgung hängt wie ein Damoklesschwert über zahlreichen Industriebranchen in Deutschland. Ohne Gas lassen sich beispielsweise keine Windschutzscheiben mehr produzieren – so dass im nächsten Schritt auch die hiesige Autoproduktion zum Stillstand käme. Und Papier ließe sich auch nicht mehr produzieren – denn die Papierbahnen werden mit Gas getrocknet. Bei der BASF, die so viel Gas benötigt wie ganz Dänemark, müsste die gasabhängigen Produktionszweige auf Null gefahren werden. Milchproduzenten sollen – ebenso wie die Hersteller von anderen Grundlebensmitteln - bevorzugt mit Gas beliefert werden. Aber im Worstcase würde auch bei den Milchverarbeitern die Produktion zusammenbrechen, weil die Milch nicht mehr pasteurisiert werden kann. Und H-Milch gibt es wegen fehlender Erhitzung auch keine mehr.

Das Problem für den Gewässerschutz: In den Werkskläranlagen von Chemiefirmen, Papierherstellern und Lebensmittelbetrieben werden teilweise auch die kommunalen Abwässer der benachbarten Gemeinden und Städte mit gereinigt. Bei eingestellter Industrieproduktion laufen die Kläranlagen nicht mehr am optimalen Betriebspunkt – falls sie überhaupt noch laufen. Das Kommunalabwasser kann bestenfalls noch suboptimal gereinigt werden – und die Kosten pro Kubikmeter Kommunalabwasser gehen steil in die Höhe, weil die Größendegression durch das Werksabwasser fehlt.

Der Kollateralschaden für den Gewässerschutz durch die eingestellten Gaslieferungen wäre angesichts des immensen Gesamtschadens für die Wirtschaft allenfalls einer Randbemerkung wert. Aber das Beispiel zeigt, wie in einer hochvernetzten Wirtschaft, die sich völlig von importierten fossilen Energien abhängig gemacht hat, eben alles mit allem zusammenhängt.

Da aus vielen Industriebetrieben mehr und mehr auch die Abwärme zur Fernwärmeheizung benachbarter Stadtteile ausgekoppelt wird, würden übrigens nicht nur die Heizungen im nächsten Winter kalt bleiben – die Warmwasserversorgung würde ebenfalls lahmgelegt. Denn die für einen Notbetrieb tauglichen Spitzenlastkessel würden mangels Erdgas ebenfalls kalt bleiben. Öl und Kohle für die Spitzenlastkessel hat man zunehmend durch Gas ersetzt. Und wenn es zusätzlich noch (wegen Überlast und stillstehenden Gaskraftwerken) zu Stromausfällen kommen sollte – u.a. weil in den kalten „Fernwärmewohnungen“ alle auf Elektroheizer umsteigen – würden diejenigen Kläranlagen noch vergleichsweise gut über die Runden kommen, die ihr Klärgas aus den Faulbehältern mit Hilfe von Blockheizkraftwerken verstromen.

Bringt der Russland-Ukraine-Krieg
mehr Cadmium auf unsere Äcker?

 

Noch ein Beispiel für Kollateralschäden auf Grund der imperialen Wahnsinnstaten des Putin-Regimes? Russland ist nicht nur einer der größten Lieferanten für Phosphor für die Düngemittelindustrie – Russland liefert auch die schwermetallärmsten Phosphor-Chargen. Die Phosphorvorkommen in anderen Ländern (wie beispielsweise Marokko) sind deutlich mehr mit Cadmium angereichert – u.U. zusätzlich auch mit Uran.

Durch das gegen Russland gerichtete Embargo kommen jetzt aber auch keine Phosphorlieferungen mehr aus Russland in die EU. Das daraus resultierende Dilemma für die EU-Agrarpolitik: Entweder vergisst man die strengen Cadmiumgrenzwerte für Phosphordünger – oder man muss die schwermetallhaltigen Phosphor-Lieferungen aus anderen Produzentenländern mit hohem Kostenaufwand vom giftigen Cadmium befreien. Das würde den eh schon stark gestiegenen Preis für Phosphor-Dünger noch weiter nach oben treiben. Da viele Ackerböden zumindest in Deutschland und anderen EU-Mitgliedsstaaten aber mit Phosphor vielerorts überdüngt sind, kann man auch mal zwei Jahre ohne zusätzliche Phosphordüngega-ben auskommen. Das meint zumindest ein Kommentar aus Dänemark, aus dem die „Agrarhinweise“ vom 26.04.22 zitieren. (Wie schon öfters im RUNDBR. erwähnt, bieten die kostenfrei erhältlichen „Agrarhinweise“ oft mehrmals in der Woche eine überwältigende Fülle von ökologie- und sozial-orientierten Meldungen aus dem Landwirtschaftssektor – siehe RUNDBR. 1124/2.).

Bliebe aus der Sicht der Siedlungswasserwirtschaft noch anzumerken, dass der extreme Kostenanstieg für Phosphordünger die Verfahren zur Rückgewinnung von Phosphaten aus der Klärschlammasche rentabel machen könnten. Als während der Weltfinanzkrise die damals absurd hohen Phosphordüngerpreise in den Keller rutschten, war absehbar, dass man bei dem niedrigen Preisniveau mit allen Verfahren zur Phosphorrückgewinnung nie auf einen grünen Zweig kommen würde. Jetzt werden sich – ausgerechnet als Folge eines Krieges - die wirtschaftlichen Perspektiven für das P-Recycling aus der Klärschlammasche wohl deutlich verbessern.

Der Russland-Ukraine-Krieg und
die Wasserversorgung der Krim

 

Neben vielem anderen hat der Ukraine-Russland-Konflikt auch einen wasserwirtschaftlichen Aspekt: Bereits in den ersten Tagen des Krieges haben die russischen Truppen die ukrainische Wehranlage gesprengt, mit dem die Ukraine die Wasserzufuhr über den Nord-Krim-Kanal für die Krim blockiert hatte. Der Nord-Krim-Kanal war bereits zu Sowjetzeiten vom Kubanfluss abgezweigt worden, um die Trinkwasserversorgung und die Bewässerung auf dem Krimhalbinsel zu sichern. Aufgrund der zunehmenden Dürren auf der Krim hatte in den letzten Jahren die Bedeutung des Nord-Krim-Kanals noch einmal deutlich zugenommen. Umso ärgerlicher war es für die russische Regierung, dass die Ukraine die lebenswichtige Wasserzufuhr blockiert hatte.

Mehr zum Konflikt um den Nord-Krim-Kanal in den RUNDBR. 1160/4 und 1153/2-3 sowie unter:

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/ukraine-russland-wasser-krim-100.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Nord-Krim-Kanal

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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