Die drohende Einstellung der Gasversorgung hängt wie ein Damoklesschwert über zahlreichen Industriebranchen in Deutschland. Ohne Gas lassen sich beispielsweise keine Windschutzscheiben mehr produzieren – so dass im nächsten Schritt auch die hiesige Autoproduktion zum Stillstand käme. Und Papier ließe sich auch nicht mehr produzieren – denn die Papierbahnen werden mit Gas getrocknet. Bei der BASF, die so viel Gas benötigt wie ganz Dänemark, müsste die gasabhängigen Produktionszweige auf Null gefahren werden. Milchproduzenten sollen – ebenso wie die Hersteller von anderen Grundlebensmitteln - bevorzugt mit Gas beliefert werden. Aber im Worstcase würde auch bei den Milchverarbeitern die Produktion zusammenbrechen, weil die Milch nicht mehr pasteurisiert werden kann. Und H-Milch gibt es wegen fehlender Erhitzung auch keine mehr.
Das Problem für den Gewässerschutz: In den Werkskläranlagen von Chemiefirmen, Papierherstellern und Lebensmittelbetrieben werden teilweise auch die kommunalen Abwässer der benachbarten Gemeinden und Städte mit gereinigt. Bei eingestellter Industrieproduktion laufen die Kläranlagen nicht mehr am optimalen Betriebspunkt – falls sie überhaupt noch laufen. Das Kommunalabwasser kann bestenfalls noch suboptimal gereinigt werden – und die Kosten pro Kubikmeter Kommunalabwasser gehen steil in die Höhe, weil die Größendegression durch das Werksabwasser fehlt.
Der Kollateralschaden für den Gewässerschutz durch die eingestellten Gaslieferungen wäre angesichts des immensen Gesamtschadens für die Wirtschaft allenfalls einer Randbemerkung wert. Aber das Beispiel zeigt, wie in einer hochvernetzten Wirtschaft, die sich völlig von importierten fossilen Energien abhängig gemacht hat, eben alles mit allem zusammenhängt.
Da aus vielen Industriebetrieben mehr und mehr auch die Abwärme zur Fernwärmeheizung benachbarter Stadtteile ausgekoppelt wird, würden übrigens nicht nur die Heizungen im nächsten Winter kalt bleiben – die Warmwasserversorgung würde ebenfalls lahmgelegt. Denn die für einen Notbetrieb tauglichen Spitzenlastkessel würden mangels Erdgas ebenfalls kalt bleiben. Öl und Kohle für die Spitzenlastkessel hat man zunehmend durch Gas ersetzt. Und wenn es zusätzlich noch (wegen Überlast und stillstehenden Gaskraftwerken) zu Stromausfällen kommen sollte – u.a. weil in den kalten „Fernwärmewohnungen“ alle auf Elektroheizer umsteigen – würden diejenigen Kläranlagen noch vergleichsweise gut über die Runden kommen, die ihr Klärgas aus den Faulbehältern mit Hilfe von Blockheizkraftwerken verstromen.