aktualisiert:
28. November 2023

 

 

 


 

 

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BBU-Wasserrundbrief Nr. 1211, 3. November 2023

 

Besser Aktivkohle aus Kokusnussschalen
als aus Steinkohle?

 

Aktivkohle ist in der Aufbereitung von Rohwässern zu Trinkwasser unentbehrlich, wenn die Rohwässer mit Mikroschadstoffen belastet sind. Die hervorragende Eignung der Aktivkohle bei der Zuverfügungstellung von schadstoffarmem Trinkwasser hat aber eine dunkle Seite: Bei der Herstellung von einer Tonne Aktivkohle muss mit einer Treibhausgasemission von 11 bis 18 Tonnen CO2 gerechnet werden.

Deshalb wird schon seit längerem untersucht, ob Steinkohle als Basis zur Herstellung von Aktivkohle durch Kokusnussschalen ersetzt werden kann? Denn der Herstellungsprozess aus Aktivkohle führt „nur“ zu einer Emission von zwei bis drei Tonnen CO2. Aus Kokusnussschalen hergestellte A-Kohle (CC-Kohle) hätte gegenüber steinkohlebürtiger Aktivkohle (SK-Kohle) sogar einen Vorteil: Denn beim Anfahren von SK-gefüllten „Filtern“ werden u.a. Aluminium, Antimon und Arsen freigesetzt. Das ist bei CC-Kohle nicht der Fall. Allerdings hatte CC-Kohle bis jetzt eine schwächere Bindekraft für Schadstoffe im Vergleich zur SK-Kohle. Inzwischen konnte man aber die CC-Kohle so weit optimieren, dass sie mit der „Reinigungskraft“ von CC-Kohle gleichziehen kann. Gleichwohl werden die „Filter“ jetzt nicht gleich komplett auf CC-Kohle umgestellt.

In ersten großtechnischen Praxisversuchen wird zunächst nur der Anteil der CC-Kohle ersetzt, der beim Recyceln der schadstoffbelasteten SK-Kohle durch Abbrand verloren geht. Die vollständige Umstellung von SK-Kohle auf CC-Kohle wird damit erst nach sechs bis sieben Reaktivierungszyklen erreicht sein.

Über das langsame Herantasten an eine Komplettumstellung in zwei Wasserwerken der Wuppertaler WSW Energie&Wasser AG berichten Markus Klemann (WSW) und Brigitte Haist-Gulde (TZW) in der energie-wasser-praxis 10/2023, S. 70 bis 73, unter der Überschrift „Aktivkohle im Wasserwerk: Wie Kokonusschalen die Steinkohle ersetzen können“. Weitere Auskunft zur Umstellung des Aktivkohlemanagements in Zusammenhang mit der thermischen Reaktivierung schadstoffbelasteter A-Kohle:

Dr. Brigitte Haist-Gulde
Technologiezentrum Wasser (TZW) Karlsruhe
E-Mail: brigitte.haist-gulde@tzw.de

Sauberes Trinkwasser hierzulande und
massig Schadstoffe in China?
 

Soll man einige Mikrogramm Schadstoffe aus deutschen Trinkwasser rausholen – um den Preis, dass in China und Indien tonnenweise Schadstoffe emittiert werden? Diese Frage im Zusammenhang mit dem zuvor genannten Einsatz von steinkohlebürtiger Aktivkohle ist zugegebenermaßen ziemlich schief und damit ziemlich polemisch. Aber ist es tatsächlich gerechtfertigt, Aktivkohle aus ökologisch und sozial fragwürdigen Herstellungsbedingungen in Asien zu beziehen, um hierzulande die Wasserqualität „minimal“ zu verbessern? Kann der lokale Positiveffekt den globalen Negativeffekt ausgleichen? Hier ein paar Gedanken und Lösungsansätze zu dem Thema …

Von der A-Kohle aus Klopapier und
unserem Grillkohleverbrauch
 

Es gibt bereits Forschungen, um A-Kohle aus alternativen Rohstoffen und in Deutschland herzustellen - beispielsweise durch Pyrolyse von den (Klo-)Papierresten, die sich am Eingangsrechen der Kläranlage ansammeln. Das scheint sich aber nicht so richtig bewährt zu haben. Deshalb eher mal der Link zu einem Projekt, bei Friedrichshafen durch Pyrolyse von Laub, Grünschnitt und anderen Bioabfallmassen ebenfalls A-Kohle zu gewinnen:
https://www.uni-kassel.de/uni/aktuelles/meldung/post/detail/News/aktivkohle-aus-laub-uni-kassel-koordiniert-neues-forschungsprojekt/

Eines der Probleme: Nicht jede A-Kohle eignet sich für jeden Zweck. Da muss man noch viel Tüfteln ...
Inzwischen gibt es aber auch Lieferkettenprobleme und massive Preiserhöhungen bei A-Kohle. Das führt zumindest in der Rohwasseraufbereitung der Trinkwasserwerke zu Überlegungen, wie man die knappe und teure A-Kohle effizienter einsetzen kann – siehe:
https://www.dvgw.de/themen/forschung-und-innovation/forschungsprojekte/dvgw-forschungsprojekt-ak-krisenresilienz

Zu Effizienzverbesserung gehört auch, dass schadstoffbelastete Aktivkohle thermisch wieder regeneriert wird, um sie erneut einzusetzen. Insgesamt ist es kein ganz einfacher Weg, wie wir aus dem Abhängigkeitsverhältnis von in Asien produzierter A-Kohle herauskommen - nicht nur wegen der Lieferkettenprobleme und der schlechten Ökobilanz an den asiatischen Produktionsstandorten, sondern auch wegen der damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen und Gesundheitsschäden bei den ArbeiterInnen und AnwohnerInnen der Produktionsstätten in China und Indien – siehe:
Kann die Kohle nachhaltig sein? (micropoll.ch)

Unter diesem Link wird auch der Einsatz von A-Kohle in den schweizerischen Kläranlagen mit dem Verbrauch von Grillkohle in der Schweiz verglichen: rund 4.000 Tonnen pro Jahr zu 13.000 Tonnen pro Jahr. Gleichwohl denken wir, dass gerade die Wasserversorgung als essenzieller Bestandteil der Daseinsvorsorge eine besondere Verantwortung im Hinblick auf die Nachhaltigkeit hat. Insofern könnte es für die deutsche Wasserwirtschaft eine lohnende Herausforderung sein, entsprechend der Sustainable Development Goals (SDG) verantwortbarere Wege bei der Aktivkohleproduktion zu finden.



Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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