aktualisiert:
16. Oktober 2023
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasserrundbrief Nr. 1206, 24. September 2023
„Aldi will unser Trinkwasser“
Sabotage an der Grundwasserneubildung
bei der „Nationalen Wasserstrategie“ ?
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Im März 2023 hat ein Aufruf der Kampagnenorganisation Campact bei den LeserInnen für großes Aufsehen gesorgt. Campact hatte bei den UnterstützerInnen unter dem Betreff „Aldi will unser Trinkwasser“ angefragt, ob die Organisation eine Kampagne gegen den Wasserraub der Discounter und der Flaschenwasserkonzerne starten sollte? Hintergrund der Frage war, dass EDEKA und ALDI in den letzten Monaten große Flaschenwasserabfüller übernommen hatten – siehe beispielsweise unter
https://kurzelinks.de/5dnn
Die Frage hatte Campact mit dem Hinweis verbunden, dass die Flaschenwasserindustrie in ihrem Sinne die „Nationale Wasserstrategie“ manipuliert habe. Das ursprüngliche Ziel, Grundwasserentnahmen nur im Rahmen der Grundwasserneubildung zu genehmigen, sei abgeschosssen worden (siehe Kasten unten). Wörtlich wurde in dem Aufruf formuliert:
"Kurz vor Schluss [der Verabschiedung der Strategie durch das Bundeskabinett am 15. März 2023] hat sie [gemeint ist die Flaschenwasserlobby] den Beschluss über den Umgang mit unserem Wasser zu ihren Gunsten gedreht.[5]"
Belegt wurde dieser Vorwurf mit einem Hinweis auf eine Sendung des Deutschlandfunks (DLF). Wenn
man sich den Text zur DLF-Sendung unter
https://www.deutschlandfunk.de/wasserknappheit-wassermangel-nationale-wasserstrategie-durre-in-deutschland-100.html
durchliest, findet man für eine erfolgreiche Einflussnahme der Flaschenwasserindustrie aber keinen Beleg. In der DLF-Sendung wird nur die Kritik von Campact zitiert, nach dem Campact behauptet, dass es so wäre:
"Die NGO Campact kritisiert, dass in der fertigen Strategie im Vergleich zum Ursprungsentwurf aus dem Umweltministerium zu viele Kompromisse gemacht wurden. Die Strategie sei regelrecht entkernt – auch durch Lobbyarbeit der Industrie. Ein Kritikpunkt: In der Beschlussfassung ist nicht mehr die Rede davon, dass nur so viel Grundwasser entnommen werden darf, wie natürlich neu gebildet werden kann. Es erfülle sie mit ziemlicher Sorge, dass dieses „völlig selbstverständliche Prinzip“ offensichtlich in der Bundesregierung „keinen Konsens findet“, sagte Luise Neumann-Cosel von Campact."
Die Behauptung in dem Spendenaufruf ist damit selbstreferenziell und taugt nicht viel zur Erkennt-nisgewinnung. Und wer (im Gegensatz zu Campact) von Anfang an beim „Nationalen Wasserdialog“ dabei war, weiß: Kein Mensch hat in diesem Dialog gefordert, dass auf die Grundwasserneubildung bei beantragten Entnahmen keine Rücksicht mehr genommen werden soll. Die Flaschenwasserindustrie und die Discounter-Lobby hatten sich beim „Nationalen Wasserdialog“ ohnehin nicht zu Wort gemeldet.
„Stoppt den Ausverkauf unseres Trinkwassers“
„Trinkwasser in Gefahr: In den nächsten Monaten entscheidet die Regierung, wer bei Wasserknappheit Vorrang hat – Menschen wie Du und ich oder Konzerne,
wurde in dem Kampagnen-Aufruf von Campact im März 23 alarmiert – und weiter:
„Aldi Nord, Tesla und Red Bull bringen sich in Stellung; sie sichern sich den Zugang zu unserem Wasser.[ Als wir das in der Zeitung lasen, waren wir geschockt. Die Klimakrise macht Deutschland immer trockener. In Zukunft können Konzerne mit Wasser viel Geld verdienen – und wir Bürger*innen könnten leer ausgehen. Und das Schlimmste: Niemand kämpft für unser Recht auf Trinkwasser (…)
Bei der gerade veröffentlichten Wasserstrategie der Bundesregierung haben wir die Macht der Lobby unterschätzt: Kurz vor Schluss hat sie den Beschluss über den Umgang mit unserem Wasser zu ihren Gunsten gedreht.
Damit die Lobby sich nicht wieder durchsetzt, will sich ein Kampagnen-Team mit voller Kraft dem Kampf für unser Wasser einsetzen. Mit einer Aktion im ausgetrockneten Flussbett machen wir auf die Wasserkrise aufmerksam, gemeinsam mit Tausenden Campact-Aktiven decken wir die größten Wasserdiebe auf und ein Rechtsgutachten zeigt, was getan werden muss, damit wir Bürger*innen beim Wasser an erster Stelle stehen.“
Mehr zur Kampagne auf der Campact-Homepage unter. https://kurzelinks.de/ylot
Die Campact-Kampagne führte bei uns zu zahlreichen Anfragen. Auch in den Medien war die Kampagne auf Aufmerksamkeit gestoßen:
„Scharfe Kritik [an der Nationalen Wasserstrategie] gab es von der Kampagnenorganisation Campact: Die Strategie sei komplett entkernt worden. In vorherigen Entwürfen sei klar der Vorrang für die Trinkwasserversorgung definiert worden. In dem neuen Papier stehe nun die Ergänzung, dass auch die Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln dauerhaft sichergestellt werden solle. Sie seien entsetzt, ‚dass die Umweltministerin der Industrie nichts entgegensetzt‘, hieß es von der Organisation“,
berichteten beispielsweise die RUHRNACHRICHTEN unter Bezug auf eine dpa-Meldung am 15.03.23.
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Grundwasserraub ohne Rücksicht
auf die Grundwasserneubildung?
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Die von Campact behauptete Vernachlässigung der Grundwasserneubildung wäre im Übrigen auch gesetzeswidrig: Die Rücksichtnahme auf eine genügend hohe Grundwasserneubildung ist im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) in § 47 seit dem Inkrafttreten der letzten großen WHG-Novelle im Jahr 2010 (u.a. Anpassung des WHG an die EG-Wasserrah-menrichtlinie (WRRL)) verankert (siehe Kasten).
Was sagt das WHG zum Gleichgewicht zwischen Grundwasserentnahmen und –neubildung?
"§ 47 Bewirtschaftungsziele für das Grundwasser
(1) Das Grundwasser ist so zu bewirtschaften, dass
1. eine Verschlechterung seines mengenmäßigen und seines chemischen Zustands vermieden wird;
2. alle signifikanten und anhaltenden Trends ansteigender Schadstoffkonzentrationen auf Grund der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten umgekehrt werden;
3. ein guter mengenmäßiger und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht werden; zu einem guten mengenmäßigen Zustand gehört insbesondere ein Gleichgewicht zwischen Grundwasserentnahme und Grundwasserneubildung.
(2) Die Bewirtschaftungsziele nach Absatz 1 Nummer 3 sind bis zum 22. Dezember 2015 zu erreichen. (…).
(3) (…) Für die Bewirtschaftungsziele nach Absatz 1 Nummer 3 gilt (…), dass (…) der bestmögliche mengenmäßige und chemische Zustand des Grundwassers zu erreichen ist."
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Selbst wenn es in der Strategie so gelaufen wäre, wie Campact behauptet, hätte das für konkrete Erlaubnisverfahren für beantragte Grundwasserentnahmen nicht viel zu sagen. Denn relevant ist letztlich nur das Gesetz und nicht eine Strategie. Eine Strategie hat keine gesetzliche Verbindlichkeit – sondern nur empfehlenden Charakter. Anträge zu Grundwasserentnahmen müssen sich an den Kriterien des WHG - und damit auch an den Vorgaben der EG-WRRL - messen lassen - also Bewahrung oder Erreichung des guten mengenmäßigen Zustandes. Hierzu muss bei allen größeren Grundwasserentnahmen eine Umweltverträglichkeitsprüfung nebst den zugehörigen hydrogeologischen Gutachten erarbeitet werden. Beim Erörterungstermin zur beantragten Grundwasserentnahme kann im Einzelfall über die Stichhaltigkeit dieser Gutachten gestritten werden (siehe das „TESLA-Verfahren“). Aber pauschal und übergeordnet von einer "Entkernung" der "Nationalen Wasserstrategie" zu sprechen, war eine arg schiefe Darstellung.
Wir hatten uns deshalb an die Presseabteilung von Campact gewandt. Aber mehr als eine Eingangsbestätigung haben wir von den Campact-Campaignern nicht bekommen. Auffallend war aber, dass Campact trotz einer Zustimmung von über 500.000 Menschen in kurzer Zeit die geplante Kampagne nur noch mit angezogener Handbremse fortzuführen scheint.
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Ist der Vorrang für die öffentliche
Wasserversorungung gefallen?
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Campact hatte ferner behauptet, dass die Bundesregierung unter dem Druck der Industrielobby den Vorrang für die öffentliche Trinkwasserversorgung in der „Nationalen Wasserstrategie“ aufgegeben hätte. Diesen Vorrang kann die Bundesregierung gar nicht aufgeben, weil er seit eh und je in § 6 des WHG ("Allgemeine Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung") enthalten ist:
(1) Die Gewässer sind nachhaltig zu bewirtschaften, insbesondere mit dem Ziel, (...) bestehende oder künftige Nutzungsmöglichkeiten insbesondere für die öffentliche Wasserversorgung zu erhalten oder zu schaffen (...)."
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Der „Wasserraub“ mobilisiert die Menschen
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Eigentlich war die Campact-Kampagne gegen den Einkauf von Aldi, Edeka und Co. in die Flaschenwasserindustrie genial. Fast eine halbe Million Klicks in kürzester Zeit im April 2023 sprechen für sich! Mittlerweile sind über 500.000 unterstützende Klicks zusammengekommen. Die LeserInnen des Spendenaufrufs wurden aber nicht darüber aufgeklärt, dass die Flaschenwasserindustrie weit weniger als ein Prozent der Wassermengen der öffentlichen Wasserversorger entnimmt. Dabei kann es lokal durchaus zu Konkurrenzen kommen. Aber die großen Konkurrenzen spielen sich zwischen anderen Akteuren ab. So konkurrieren die öffentliche Wasserversorgung und der landwirtschaftliche Bewässerungsbedarf zunehmend gegeneinander - und beide zusammen gegen den aquatischen Naturschutz Verschärft werden diese Konflikte, wenn stark wasserverbrauchende Industrien in wasserarmen Regionen angesiedelt werden (siehe TESLA).
Die global aber tatsächlich relevante Konkurrenz ist unser imperialer Lebensstil, der dazu führt, dass wir in semiariden Regionen den Wasserstress noch einmal erheblich vervielfachen - in dem wir via virtuellem Wasserkonsum ungleich mehr Wasser verbrauchen, als es je Niederschlag (und Grundwasserneubildung) in Deutschland zu registrieren gibt. Da man beim Thema "virtueller Wasserbedarf" aber dreimal um die Ecke denken muss, eignet sich unsere Ausbeutung der Wasserressourcen im Globalen Süden weit weniger für zündende Kampagnen als die von Aldi, Edeka und Co. vorangetriebene Konsolidierung in der Flaschenwasserindustrie. Insofern ist es verdienstvoll, dass Campact auch eine groß angelegte Kampagne gegen den Bezug von bewässerungsintensiven Erdbeeren aus Andalusien gestartet hat.
Zur Kampagne „Kein Wasserraub für Erdbeeren“ gibt es mehr Infos unter
https://www.campact.de/trinkwasser/duerre-erdbeeren/
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Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
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