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10. März 2025

 

 

 


 

 

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BBU-Wasserrundbrief Nr. 1232, 26. Februar 2025

 

Umsetzung von KARL: Wo sollen die 4. Reinigungsstufen gebaut werden?

 

Nach welchen Kriterien sollen die Kläranlagen in Deutschland ausgesucht werden, die nach der neuen EU-Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) mit einer vierten Reinigungsstufe zur Eliminierung von Mikroschadstoffen nachgerüstet werden müssen. Das wollte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion von der Regierung wissen. In der Antwort der Regierung vom 2. Jan. 2025 (BT-Drs. 20/14519) heißt es, dass eine Umfrage bei den dafür zuständigen Bundesländern noch kein belastbare Zahlen ergeben habe. Zudem weist die Regierung aber darauf hin, dass bei Kläranlagen mit einer Anschlussgröße von kleiner als 150.000 Einwohnerwerten die EU-Mitgliedsstaaten eh „keine bestimmte Anzahl an Kläranlagen ermitteln müssen“. Vorgabe von Art. 8, Abs. 2 der Richtlinie sei demgegenüber, dass die Mitgliedsstaaten „bis zum 31. Dezember 2030 eine Liste der Gebiete in ihrem Hoheitsgebiet melden“ müssten, „in denen die Konzentration oder Akkumulation von Mikroschadstoffen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen ein Risiko für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit“ darstellen wird – und weiter:

Ob der Ausbau einer Anlage innerhalb eines solchen Risikogebiets notwendig ist, hängt damit auch vom Ausbau anderer Anlagen in einem Risikogebiet und der Erreichbarkeit bestimmter Gewässergüteziele ab.“

Wie so eine Auswahl und Festlegung genau bewerkstelligt werden soll, werde die EU-Kommission in einer „Durchführungsrechtsakte zur Festlegung des Formats der Risikobewertung und der für diese Risikobewertung zu verwendenden Methode“ festlegen. Das solle sicherstellen, dass die Risikobewertung – und die darauf beruhende Auswahl von Standorten für die Nachrüstung mit 4. Stufen – EU-einheitlich erfolge. Bis wann die EU-Kommission aber so eine „Durchführungsrechtsakte“ nach Art. 8 (3) vorlegen werde, sei der Bundesregierung noch nicht bekannt.

Die Unionsfraktion wollte auch wissen, wie die erweiterte Herstellerverantwortung nach Art. 9 der Richtlinie umgesetzt werden könne? Zur Erinnerung: Die erweiterte Herstellerverantwortung sieht vor, dass die Pharma- und Kosmetikbranche mindestens 80 Prozent der Kosten für Planung, Bau und Betrieb der Vierten Reinigungsstufen zu übernehmen hat. (s. RUNDBR. 1226/3).

Dazu teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort mit, dass „das Umweltbundesamt im Oktober 2024 eine Studie mit einer Laufzeit von 27 Monaten in Auftrag gegeben“ habe. Anhand der Ergebnisse aus dieser UBA-Studie werde man „die Optionen zur administrativen Umsetzung“ prüfen. Dabei geht es u.a. darum, wie man die Überwälzung der Kosten auf die Pharma- und Kosmetikbranche mit möglichst wenig bürokratischem Aufwand eintüten kann.

Wie soll die Gefährlichkeit von
Mikroschadstoffen ermittelt werden?
 
In ihrer zuvor genannten Anfrage wollte die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag auch wissen, wie denn die Bundesregierung „die Gefährlichkeit von Inhaltsstoffen für das Abwasser“ ermitteln wolle „und in welcher Höhe“ dann die Hersteller gemäß der Menge der von ihnen in Verkehr gebrachten Inhaltsstoffe an den Kosten für die Vierten Reinigungsstufen beteiligt werden sollen. Gemäß der EU-Kommunalabwasserrichtlinie geht es dabei um folgende Pharmawirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen und Kosmetikprodukte:

a) Analgetika,
b) Antibiotika,
c) ACE-Hemmer,
d) Betablocker,
e) Cholesterinsenker,
f) Generika,
g) Nichtsteroidale Antiandrogene,
h) Protonenpumpenhemmer (PPI)
i) Sonnencremes,
j) Zahncremes,
k) Zystostatika

Dazu heißt es in der Antwort der Bundesregierung, dass nach Artikel 9 Absatz 5 der Richtlinie die Kommission die Befugnis hat,

„Durchführungsrechtsakte zu erlassen, um detaillierte Kriterien für die einheitliche Anwendung bestimmter Produktkategorien und ihre biologische Abbaubarkeit oder Gefährlichkeit festzulegen“.

Die Bundesregierung erwartet, dass die Kommission

„einen entsprechenden Durchführungsrechtsakt gemäß dem in Artikel 28 Absatz 2 KARL genannten Prüfverfahren spätestens bis zum 31. Dezember 2027 erlassen“ wird –

siehe Kasten.

Wir basteln uns einen Durchführungsrechtsakt

Art. 28 beinhaltet, dass sich die Kommission bei der Formulierung von Durchführungsrechtsakten von einem „Ausschuss zur Anpassung der Richtlinie über die Behandlung von kommuna-lem Abwasser an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt sowie zur Durchfüh-rung dieser Richtlinie“ unterstützen lässt.

Abs 2 besagt, dass bei Anwendung dieses Prozederes auf Artikel 5 der EU-Verordnung 182/2011 Bezug genommen werden muss. Der Name dieser Verordnung zum Mitschreiben: „Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren“.

Art. 5 regelt, was die Kommission alles beachten muss, wenn sie einen Ausschuss mit einem „Prüfverfahren“ für einen Durchführungsrechtsakt beauftragt. In Art. 5 wird insbesondere geregelt, wie vorgegangen werden muss, wenn sich die Kommission und der Ausschuss über die richtige Formulierung eines Durchführungsrechtsaktes in die Haare geraten und dann u.a. ein Berufungsausschuss zur Streitschlichtung einberufen werden muss.

Ein Durchführungsrechtsakt (auch als „Delegierter Akt“ bezeichnet) ist in etwa mit einer Rechtsver-ordnung im deutschen Recht zu vergleichen. Rechtsverordnung kann die Bundesregierung dank eigener Kraft, Macht und Herrlichkeit erlassen. Eine Zustimmung des Bundestags ist in der Regel nicht erforderlich. Analog benötigt die EU-Kommission beim Erlass eines Durchführungsrechtaktes keine Zustimmung des EU-Parlaments.

 



Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
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