aktualisiert:
17. Juli 2008
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Recht
und Unrecht |
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasser-Rundbrief
Nr. 897 vom 2.August 2008
Abwasserkonzerne
empört über
Entwurf zum Umweltgesetzbuch II
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"Die
interkommunale Zusammenarbeit im Wasser- und Abwassersektor
wird zu einem »Zweckverband Deutschland« führen – und
der wird so kläglich enden wie ehemals die DDR!“
Diese
Voraussage wagte ANDREAS BANKAMP, Chef der Wassersparte des
REMONDIS-Konzerns, auf dem Parlamentarischen Abend des
Bundesverbandes
der Deutschen Entsorgungsindustrie (BDE) am 2. Juni 2008 in Berlin.
Anlass zur Schwarzmalerei des Sprechers der REMONDIS Aqua GmbH & Co.
KG ist der Verdruss darüber, dass die interkommunale Zusammenarbeit
bei der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zumindest derzeit
von einer EU-weiten Ausschreibung ausgespart bleibt. Aber der
Frust der Konzerne mit Ambitionen auf die deutsche Wasser- und
Abwasserentsorgung wird noch weiter gefördert:
Im
Entwurf zum geplanten Umweltgesetzbuch II (siehe
RUNDBR. 895/2-3, 894/
2-3) ist die bisherige Option zur Vollprivatisierung
kommunaler Abwasserbetriebe herausgefallen. Die Möglichkeit
zur Vollprivatisierung kommunaler Abwasserbetriebe war zu Helmut
Kohls Kanzlerzeiten
von der damaligen CDU/CSU-FDP-Koalition 1996 bei der sechsten
Novelle des Wasserhaushaltsgesetzes über einen neuen § 18
a (2a) ins WHG eingefügt worden (siehe Kasten unten).
Die Bundesländer
hatten von der ihnen zugewiesenen Option zur Vollprivatisierung
aber nie Gebrauch gemacht. Die
Zurückhaltung
der Bundesländer hat das Bundesumweltministerium jetzt
zum Anlass genommen, die Möglichkeit zur sogenannten Pflichtenübertragung
erst gar nicht in den UGB II-Entwurf aufzunehmen. Hierzu heißt
es in der Begründung zum UGB II-Gesetzentwurf:
„Für
die bundesgesetzliche Zulassung einer Übertragung
der Abwasserbeseitigungspflicht auf Private liegen derzeit
aber keine hinreichenden Gründe vor.“
§ 18a „Abwasserbeseitigung“
im Wasserhaushaltsgesetz
(…)
(2) Die Länder regeln, welche Körperschaften des öffentlichen
Rechts zur Abwasserbeseitigung verpflichtet sind und die Voraussetzungen,
unter denen anderen die Abwasserbeseitigung obliegt. Die zur Abwasserbeseitigung
Verpflichteten können sich zur Erfüllung ihrer Pflichten
Dritter bedienen.
(2a)
Die Länder können regeln, unter welchen Voraussetzungen
eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ihre Abwasserbeseitigungspflicht
auf einen Dritten ganz oder teilweise befristet und widerruflich übertragen
kann. Zu diesen Voraussetzungen gehört insbesondere, dass
1.
der Dritte fachkundig und zuverlässig sein muss,
2. die Erfüllung der übertragenen Pflichten
sicherzustellen ist,
3. der Übertragung keine überwiegenden öffentlichen
Interessen entgegenstehen dürfen.
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Der
Job der Abwasserbeseitigung bleibt somit weiterhin kommunale
Pflichtaufgabe, mithin eine hoheitliche Aufgabe. Die abwasserbeseitigungspflichtigen Kommunen
können sich allerdings beim Kanal- und Kläranlagenbetrieb – wie
bislang auch schon - der Hilfe privater Konzerne bedienen
(siehe Kasten unten). Somit sind auch „Öffentlich-Private
Partnerschaften“ im
Abwassersektor „weiterhin in voller Bandbreite möglich“,
wie Dr. HELGE WENDENBURG, Abteilungsleiter Wasserwirtschaft,
Abfall, Bodenschutz im Bundesumweltministerium, dem Publikum
auf dem BDE-Abend erläuterte. Gleichwohl empörte
sich BANKAMP auf dem BDE-Abend, dass der vorgesehene § 48
im UGB II „ein Rückschritt für unsere Akquisition“ sei.
WENDENBURG erteilte aber auch denjenigen eine Absage, die
ein gesetzliches Verbot der Privatisierung von kommunalen
Abwasserbetrieben
forderten – denn: „Ein Privatisierungsverbot
wäre
nicht abweichungsfest.“ Soll heißen: Privatisierungswütige
Länder könnten in dem Fall Bundesrecht zerschießen
- und in ihren Landeswassergesetzen dann doch eine Vollprivatisierung
von kommunalen Abwasserbetrieben vorsehen.
§ 48 „Pflicht
zur Abwasserbeseitigung“
im Entwurf zum Umweltgesetzbuch II
Abwasser
ist von den nach Maßgabe des Landesrechts
hierzu verpflichteten juristischen Personen des öffentlichen
Rechts zu beseitigen (Abwasserbeseitigungspflichtige).
Die Länder können bestimmen, unter welchen Voraussetzungen anderen
die Abwasserbeseitigung obliegt. Die Abwasserbeseitigungspflichtigen können
sich zur Erfüllung ihrer Pflichten Dritter bedienen.
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Vergaberecht
erschwert
Konzernübernahme kommunaler Wasserbetriebe |
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Beim
Gejammer von REMONDIS & Co. über den UGB II-Entwurf
blieb es REINHOLD HÜLS von der VEOLIA WASSER DEUTSCHLAND
GmbH vorbehalten, auf dem BDE-Abend darauf hinzuweisen, dass
es Wichtigeres gäbe:
Man müsse
den UGB II-Entwurf – insbesondere § 48
- nämlich in Kombination mit dem neuen Vergaberecht
sehen. Im Hinblick auf die angestrebte (Teil-) Privatisierung
der Abwasserbetriebe
sei das novellierte Vergaberecht der entscheidendere Hemmschuh.
Um das neue Vergaberecht „mittelstandsfreundlicher“ zu
gestalten, sei die Aufspaltung größerer Ausschreibungen
in mehrere Lose vorgesehen. Über diese „Mittelstandsklausel“ werde
ein in sich geschlossener Abwasserbetrieb aber
„losweise
auseinandergerissen“: „Das passt nicht, wenn
ich als VEOLIA einen ganzen Abwasserbetrieb mit Personalübergang übernehmen
will!“, so das Verdikt des VEOLIA-Manns.
HÜLS
konnte auch dem CDU-Bundestagsabgeordneten ULRICH PETZOLD
(vgl. RUNDBR.
808/1) nicht zustimmen, als dieser auf dem
Podium beklagte, dass der eigentliche Knackpunkt bei der
Privatisierung
von
Abwasserdienstleitungen nicht das UGB, sondern das „Halleurteil“ des
Europäischen Gerichtshofes (EuGH) sei. Das „Halle-Urteil“ führe „irrsinnigerweise“ dazu,
dass öffentlich-private Partnerschaften komplett ausgeschrieben
werden müssten – was zur Folge habe, dass die
Kommunen angesichts der totalen Ausschreibungsverpflichtung
ihre teilprivatisierten
Wasser- und Abwasserbetriebe eher wieder rekommunalisieren
würden (s. 835/1, 819/1-2,
786/ 1, 787/2, 787/1).
HÜLS
vertrat demgegenüber den geradlinigen Wettbewerbskurs
des EuGH: Die Hereinnahme eines privaten Partners in eine Öffentlich-Private-Partnerschaft
müsse selbstverständlich und „richtigerweise“ EU-weit
ausgeschrieben werden. Das „Halle-Urteil“ des
EuGH habe hierfür nach Ansicht des VEOLIA-Vertreters „klare
Regelungen“ aufgestellt. Und an denen dürfe
man sich jetzt nicht vorbeidrücken. Eine bemerkenswerte
Aussage angesichts der geballten Schelte zum „Halle-Urteil“ (s.
RUNDBR. 835/2-3).
Wieder
in Übereinstimmung mit BANKAMP
von REMONDIS/BDE war HÜLS, als er bekräftigte,
dass die privaten Abwasserunternehmen
„hinsichtlich
dezentraler Systeme bei der Abwasserentsorgung im
Wettbewerbsvorteil gegenüber
staatlichen Strukturen“ seien.
HÜLS vertrat
zudem die Auffassung, dass man wegen des demographischen
Wandels
zu „flexibleren Systemen“ kommen müsse – und
eine wettbewerbsorientierte Wasserwirtschaft würde
diesbezüglich „mehr
Kreativität an den Tag legen“, als wenn
Abwasserverbände
stupid ihre Standardlösungen abfahren würden.
Ideenwettbewerbe bei Ausschreibungen könnten
den Einfallsreichtum fördern,
wenn es um die Findung von demographiefesten Lösungen
im Abwassersektor gehe (vgl. 896/1-3).
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Kommunale
Wasser- und Abwasser-betriebe: „Nur Schrott!“
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Fast
schon peinlich war auf dem BDE-Abend der Auftritt von Prof.
Dr.-Ing. CARSTEN HANEKE. HANEKE hat den neuen Stiftungslehrstuhl
für Öffentlich-Private-Partnerschaften (public privat
partnerships – ppp) an der Hochschule Bremerhaven inne.
Hanekes Vortrag war derart diffus, dass selbst ppp-Freunde
sich hinterher fragten, was einem der Professor mit seinem
Vortrag eigentlich sagen wollte. Verständlich war immerhin
HANEKES neoliberales Glaubensbekenntnis, dass der Staat „gewährleisten,
aber nicht leisten“ solle.
HANEKE
nahm im Nachgespräch
am erlesenen Büfett des Parlamentarischen Abends des
BDE für sich in Anspruch, dass er „Hunderte“ von
kommunalen Wasser- und Abwasserbetrieben „durchleuchtet“ habe – und
was er vorgefunden habe, sei in der Regel „nur Schrott“ gewesen,
insbesondere Chefs und Amtsleiter, die sich jeder produktiven
Veränderung in den Weg stellen würden. Angesichts
dieser desolaten Verhältnisse solle man sich eine Scheibe
von den privatisierten Wasser- und Abwasserbetrieben in England
und Wales abschneiden. Die Privatisierung der dortigen Betriebe
habe zu einem „Quantensprung bei der Effizienzerhöhung“ geführt.
Kommunale Betriebe würden „Lichtjahre“ benötigen,
um auf diesen Leistungsstandard zu kommen.
An
der Hochschule Bremerhaven kümmert sich der 41-Jährige derzeit
vor allem um den Aufbau eines PPP-Institutes,
„das
als unabhängige
Einrichtung informieren, beraten und dazu beitragen soll,
Unsicherheiten und Ängste über den Abschluss
von Verträgen
zwischen Wirtschaft und Öffentlicher Hand abzubauen“,
heißt es auf
der Homepage der Hochschule Bremerhaven:
http://www.hs-bremerhaven.de
Eher
peinlich aus unserer Sicht war auch der Be-trag der umweltpolitischen
Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Frau SYLVIA
KOTTING-UHL. Vom Podium aus forderte die grüne
Bundestagsabgeordnete, dass auch Abwasser der Mehrwertsteuerpflichtigkeit
unterworfen
werden müsste (vgl.
RUND-BR. 791/2, 714/1, 573/3-4). Mit
dieser Uraltforderung aller
Marktliberalen befand
sich KOTTING-UHL in voller Übereinstimmung mit
dem FDP-Bundestagsabgeordneten
HORST MEIERHOFER – was Anlass zu Hoffnung gibt,
dass eine Jamaika-Koalition zumindest nicht an Abwasserfragen
zerschellen
wird.
-ng-
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alle 14 Tage über das aktuelle Geschehen in der Wasserwirtschaft
und in der Wasserpolitik sowie im Gewässerschutz. Ansichtsexemplare
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