aktualisiert:
20. Juli 2006
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Recht
und Unrecht |
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WasserInBürgerhand!
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Ein
unter den vielen Streitfällen um den Anschluss- und Benutzungszwang
besonders exemplarisches Beispiel wird derzeit in einem kleinen
Schwarzwaldtal ausgefochten. Dort musste ein Landwirt für
den beabsichtigen Neubau seines Bauernhofes die bislang ungeordneten
Abwasserverhältnisse auf Vordermann bringen. Der Landwirt
beschloss, Nägel mit Köpfen zu machen und schaffte
sich eine High-Tech-Membrankläranlage an. Das optimal
geklärte Abwasser beabsichtigte der Landwirt teilweise
als Brauchwasser auf seinem landwirtschaftlichen Anwesen zu
verwenden. Der Überschuss an gereinigtem Abwasser würde
mit der Gülle seiner Kühe auf den Weiden aufgebracht.
Abwasser zur Entsorgung würde somit gar nicht mehr anfallen.
Mit diesem Reinigungs- und Verwertungskonzept war die Gemeinde
jedoch nicht einverstanden. Das Bürgermeisteramt besteht
gegenüber dem Landwirt ultimativ auf dem Anschluss- und
Benutzungszwang und lehnte einen Befreiungsantrag des Landwirts
ab. Maßgebend für die Entscheidung des Bürgermeisters
war der Verweis auf die „Solidargemeinschaft“ der
An-schlussnehmer, aus der man sich nicht mit individuellen
Verfahren der Abwasserreinigung ausklinken dürfe. Im Ablehnungsschreiben
heißt es hierzu u.a.:
„Für
die Gemeinde bedeutet jede Befreiung aber ein Weniger an
Beitrags- und Gebühreneinnahmen; Einnahmen, welche im
Gesamtkonzept über die gerade neu beschlossene Globalberechnung
einkalkuliert sind. Da für die Gemeinde somit die zu
erbringende Aufwendungen [für den Ausbau der Kanalisation;
Anm. Red.] gleich bleiben, die zu erwartenden Einnahmen aber
niedriger ausfallen würden, müsste der 'Fehlbetrag’ von
den verbleibenden Gebührenzahlern, der so genannten
'Solidargemeinschaft’, zusätzlich aufgebracht
werden, was unter Umständen zu einer erheblichen Belastung
entweder der restlichen Gebührenzahler oder aber der
gesamten Bürgerschaft über höhere Gemeindesteuern
führen würde,
sollte der Fehlbetrag nicht über eine 100-prozentige
Kostendeckung im Bereich Abwasser, sondern aus allgemeinen
Mitteln aufgebracht werden.“
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Befreiung
vom Anschlusszwang: „Keine Präzedenzfälle!“
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In
ihrem zuvor zitierten Ablehnungsbescheid verweist das Bürgermeisteramt
zudem darauf, dass bei einer Akzeptierung des Befreiungsantrages
ein folgenschwerer Präzedenzfall geschaffen würde.
Bei einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang „wäre
mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dies Nachfolgeanträge
von künftig Anschlusspflichtigen mit sich bringen würde“.
Dadurch käme schließlich das gesamte Abwasserbeseitigungskonzept
ins Wanken: Während einige Grundstücksbesitzer auf
individuelle Kleinkläranlagen setzen könnten, würden
andere Grundstücksbesitzer „weiterhin den Anschluss
an die Gemeindekanalisation einer dezentralen Lösung vorziehen“.
Das Abwasserbeseitigungskonzept würde damit durchlöchert
und könnte nicht mehr wirtschaftlich umgesetzt werden.
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Anschlusszwang:
Auf Armut oder Reichtum kommt es nicht an!
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In
ihrem Ablehnungsbescheid unterstreicht die Gemeinde, dass es
bei der wirtschaftlichen Zumutbarkeit des Anschlusszwangs auf „die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des
Anschlusspflichtigen nicht ankomme“. Die mit dem Anschlusszwang
verbundenen Zielsetzungen seien von der Dicke des Sparbuches
des Landwirtes unabhängig. Unter Verweis auf einen Beschluss
des OVG Lüneburg vom 17.09.01 (s. RUNDBR. 684/4) hebt
die Gemeinde hervor, dass der Anschluss an die Kanalisation „seiner
Natur nach grundstücks- und nicht personenbezogen“ sei.
Eine Befreiung vom Anschlusszwang könne also nicht mit
einer eventuell schlechten Kassenlage des Anschlusspflichtigen
begründet werden, sondern einzig und allein „aus
einer besonderen und außergewöhnlichen Lage oder
Situation des Grundstücks“. Verwiesen wird ferner
auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
vom 20.06.94 (BWGZ 1995, 33), dass ein Anschluss nur dann wirtschaftlich
nicht mehr zumutbar sei, wenn auf Grund der Abgelegenheit des
Grundstücks die Anschlusskosten 40.000 DM (heute ca. 20.000
Euro) überschreiten würden. Im vorliegenden Fall
würden die Anschlusskosten aber nur ca. 11.000 Euro betragen.
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Super-Reinigungsgrad
der Kleinkläranlage bedeutungslos!
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Bei seinem
Begehren, vom Anschlusszwang verschont zu werden, hatte der
Landwirt argumentiert, dass mit seiner Membrankläranlage
das Abwasser besser gereinigt werde als in der kommunalen Kläranlage.
Zudem würde wegen der Verwertung des gereinigten Abwassers
als Brauchwasser gar kein Abwasser zur Einleitung mehr anfallen.
In ihrem Ablehnungsbescheid argumentiert die Gemeinde demgegenüber,
dass es auf einen mögli-cherweise exzellenten Reinigungsgrad
der Membrankläranlage gar nicht ankomme. Denn eine Befreiung
sei nach der kommunalen Abwassersatzung (AbwS) nur dann möglich,
wenn der Anschluss nicht zumutbar sei und die Befreiung wasserwirtschaftlich
als unbedenklich angesehen werden könne. Da aber - wie
oben erläutert - der Anschluss dem Landwirt wirtschaftlich
zugemutet werden könne, brauche die wasserwirtschaftliche
Unbedenklichkeit der individuellen Lösung erst gar nicht
mehr geprüft werden - denn:
„Die
Frage, ob eine Befreiung wasserwirtschaftlich unbedenklich
wäre, kann somit dahin gestellt bleiben. Da § 5 AbwS
als Bedingung für eine Befreiung sowohl die Unzumutbarkeit
als auch die wasserwirtschaftliche Unbedenklichkeit einfordert
, ist es für die Ablehnung einer Befre-ung bereits ausreichend,
wenn eines der beiden Tatbestandsmerkmale verneint wird.“
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Abwasserreinigung
nach eigener Facon kommt nicht in die Tüte!
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Fazit
des Ablehnungsbescheides: Auf die Durchsetzung des Anschlusszwangs
könne die Gemeinde nicht verzichten, weil damit ein Präzedenzfall
geschaffen würde, der letztlich zum Zerbröckeln der
Solidargemeinschaft führen könne. Eine Anschluss- und
Gebührengerechtigkeit sei dann nicht mehr zu gewährleisten.
Solange die Anschlusskosten im Bereich des wirtschaftlich Zumutbaren
lägen, komme es auch nicht darauf an, dass die individuelle
Lösung möglicherweise preisgünstiger und in der
Reinigungswirkung effizienter als der Anschluss sei. Zum Erhalt
zentraler Infrastruktureinrichtungen sei vorrangig zu garantieren,
dass die Solidargemeinschaft als Ganzes erhalten werde. Demzufolge
könne man sich nicht einfach aus der Solidargemeinschaft
ausklinken, in dem man sich eine Membrankläranlage anschaffe
- zumal dies auch noch ohne Absprache mit der Gemeinde erfolgt
sei. Der Landwirt will den Klageweg beschreiten; der RUNDBRIEF
wird über den Fortgang der Auseinandersetzung berichten.
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Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
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