aktualisiert:
24. Mörz 2010
|
Recht
und Unrecht |
|
|
WasserInBürgerhand!
|
BBU-Wasser-Rundbrief
Nr. 940 vom 9. März 2010
Vom „BGH-Wasserpreisurteil“ zum
Wettlauf um den Minimalstandard
|
|
Das „Wasserpreis-Senkungs-Urteil“ des
Bundesgerichtshofs (BGH) vom 2. Februar 2010 war
ein Paukenschlag, der in der deutschen Wasserwirtschaft noch
lange nachklingen wird. Die BGH-Richter verdonnerten die
Stadtwerke Wetzlar zur Senkung ihrer Wasserpreise
um fast 30 Prozent (vgl. RUNDBR. 921/1-2,
918/3, 912/4, 905/1-3).
Während
die Presse, einige Länderwirtschaftsminister
und die Verbraucherschutzverbände frohlockten, dominieren
in der Wasserwirtschaft erwartungsgemäß die
sorgenvollen Kommentierungen. Bereits vor
dem Bekanntwerden des BGH-Urteils kritisierte
Prof. THOMAS WEGENER vom Institut für
Rohrleitungsbau an der FH in Oldenburg in
seinem Editorial in der Januar- Ausgabe der GWF-WASSER/ABWASSER,
dass die Kartellbehörden von den Wasserwerken
zunehmend verlangen, die „Unverzichtbarkeit“ von
zum Beispiel Anlagenteilen in der Wasserversorgung
und der damit verbunden Kosten nachzuweisen.
„Die
Folge einer solchen Vorgehensweise ist klar: Letztlich
ist damit der Wettlauf zur Erreichung eines Minimalanspruchs eröffnet“,
schreibt
Prof. WEGENER. Dass im Gefolge des BGHUrteils künftig
die Kartellbehörden entscheiden, was zu
den betriebsnotwendigen Ausgaben der Wasserversorgungsunternehmen gehört – und
was nicht, lässt den Rohrleitungsbauspezialisten
nichts Gutes ahnen. Prof. WEGENER ruft gar
zum Widerstand auf:
„Es
liegt nachgerade auf der Hand: Ingenieure und
Techniker, die in der Verantwortung stehen, dürfen
es nicht so weit kommen lassen, dass durch
Entscheidungen Fachfremder das erreichte Qualitätsniveau
gefährdet oder gar gemindert wird.“
|
„Geiz
ist geil“ im Wasserwerk
|
|
Die Print-Medien
feierten das Preissenkungsurteil des Bundesgerichtshofs
ausnahmslos als Sieg für die Verbraucher – nachstehend
einige repräsentative Schlagzeilen vom 3. und 4. Februar 2010:
-
„Kartellwächter
dürfen teure Wasserversorger stoppen“ (Stuttgarter Ztg.)
-
„Trinkwasser könnte billiger werden“ (FAZ)
-
„Gute Chancen auf billiges Wasser“ (WELT)
-
„Hoffnung
auf niedrige Wasserpreise wächst“ (Rheinzeitung, Koblenz)
-
„Wasser wird bald billiger“ (Süddt. Ztg.)
-
„Das
Monopol auf dem Wassermarkt wackelt“ (Handelsblatt)
-
„Urteil
scheucht Wasserversorger auf“ (Financial Times Deutschland)
-
„Versorger
verlieren, Verbraucher gewinnen“ (Frankfurter Rundschau)
-
„Urteil
lässt Wasserkunden hoffen“ (Giessener Anzeiger)
Dass
das BGH-Urteil längerfristig die Substanzerhaltung,
die Qualität und die Versorgungssicherheit
in der Trinkwasserversorgung gefährden könnte,
kam keinen der Schnäppchenjäger in den Zeitungsredaktionen
in den Sinn. Ob Hygieneanforderungen auf
Dauer eingehalten und das Minimierungsgebot
in der Trinkwasserverordnung langfristig in der Praxis
Bestand haben wird – egal! Hauptsache: Billig!
|
„Kontrolliert
die Wasser-Monopolisten!“
|
|
Die
ausnahmslos schlechte Presse für die Wasserversorger im
Gefolge des BGH-Urteils manifestierte sich auch
in den Kommentaren der Tagespresse. Beispielsweise kommentierte die FAZ am 03.02.10:
„Die
Wasserkunden sind ihren Versorgern (…) hilflos
ausgeliefert. Wettbewerb, der eine Wahlmöglichkeit böte,
existiert nicht. (…) Wasserpreise bilden
sich nicht im Wettbewerb, sondern nach dem
'Kostendeckungsprinzip’. Ob effizient gewirtschaftet wird,
spielt keine Rolle. Und ob er über die
Wasserrechnung nicht auch noch einen versteckten Solidaritätszuschlag
an den Kämmerer abführt, ist für
den Bürger kaum zu überprüfen. Deshalb
ist es gut, dass nun die Kartellbehörden genauer hinschauen dürfen.“
Und
die SZ kommentierte unter der Überschrift „Quelle
des Unmuts - Wasserversorger müssen kontrolliert werden, sie sind Monopolisten“, dass
sich viele Kunden von den Wasserwerken „über
den Tisch gezogen“ fühlen:
„Wer
von seinem Versorger gar Einblick in die Kostenkalkulation
verlangt, stößt dort meist auf eine
Mauer des Schweigens – aus Sicht der Kunden ein
unhaltbarer Zustand. Ein Unternehmen, dass
nicht bereit ist, diese Zahlen auf den Tisch zu legen, muss dazu gezwungen werden.“
Die
BGH-Richter hätten mit ihrem Urteil „ein wichtiges Signal“ gegeben: „Die
kommunalen Betriebe müssen sich künftig auf strenge Kontrollen einstellen.“
|
„Der
Alptraum der deutschen Wasserindustrie“ |
|
Die
Chefredaktion des HANDELSBLATTS steht seit eh
und je mit der öffentlichen Wasserwirtschaft in Fehde.
So war das BGH-Urteil dem HANDELSBLATT am
3. Febr. 2010 nicht nur den Aufmacher auf
Seite 1 wert, sondern auch die Seiten 4 und 5 – und
zwar jeweils ganzseitig. Keine andere Zeitung in Deutschland
hat dem BGH-Urteil so viel Platz und Bedeutung eingeräumt - Tenor:
„Bisher
lebten Deutschlands Wasserversorger wie in einem Schutzgebiet.
Sie konnten die Preise bestimmen, wie sie wollten. Auch
deshalb ist Wasser hierzulande so teuer wie sonst fast nirgendwo.“
In
seiner Berichterstattung widmet sich das HANDELSBLATT ausführlich „dem
größten Sieg“ von HERMANN
DAIBER, der als Chef der Hessischen Kartellbehörde den
Kampf gegen die Wetzlarer Wasserwerke durch
alle Instanzen erfolgreich durchgefochten hat.
DAIBER sei „der Alptraum der deutschen Wasserindustrie“.
Nach Meinung des HANDELSBLATTS hat der
BGH mit seinem Urteil „eine Revolution“ losgetreten.
Das
ist vielleicht übertrieben– aber
die Wasserwerker müssen sich künftig warm anziehen.
Denn die Wirtschaftsminister vieler anderer Bundesländer
werden - ermutigt durch das Urteil – jetzt ebenfalls
versuchen, rigoros Preissenkungen bei den Wasserwerken durchzusetzen. „Sinkende Preise
sind schließlich populär – beim Wähler“, schreibt das HANDELSBLATT.
Auch
die Preissenkungsverfahren von DAIBER
in Hessen werden jetzt neuen Drive entfalten.
Denn gegenüber der Mainova in Frankfurt/M.
und gegen die Stadtwerke Kassel hat DAIBER
ebenfalls Preissenkungen verfügt – jeweils um
satte 37 Prozent! Weitere sechs hessische Wasserversorger
hat DAIBER gleichfalls im Visier. Dabei
handelt es sich um die Wasserversorger in Wiesbaden,
Darmstadt, Herborn, Gießen, Oberursel und Eschwege. |
BGH-Wasserpreisurteil:
Mediale Image-Pleite für die Wasserversorger |
|
Man
darf gespannt sein, ob man in der Wasserversorgung überhaupt
registriert, dass die Wasserversorgungsunternehmen anlässlich
des BGH-Urteils quer durch die Republik zu
geldgierigen Monopolisten aufgebaut wurden.
Eine Reflektion darüber, wie es zu diesem
Image-Desaster kommen konnte, wäre wohl
nicht das Verkehrteste. Zumal die öffentliche Vorführung
der Wasserversorger durch die Journaille in
seltsamen Kontrast zu den Meinungsumfragen steht,
die die Wasserversorger selbst in Auftrag gegeben haben.
Danach sehen laut einer Kundenumfrage des
Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) fast
drei Viertel der Wasserkunden ihren Wasserpreis
als angemessen an. Und nach dem Kundenbarometer
des Bundesverbandes der deutschen Energie-
und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigte sich immerhin noch knapp
die Hälfte der Befragten mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis
als zufrieden bis sehr zufrieden. (Wobei anzumerken
wäre, dass nur dem kleinsten Teil der Bevölkerung überhaupt
präsent ist, welcher Betrag auf der Wasser- und Abwasserrechnung
ausgewiesen ist.)
Die
Preiswahrnehmung bei den
Kunden einerseits und die Diskreditierung der
Wasserversorger in den Medien andererseits gibt Raum für allerlei Vermutungen:
Sind die Journalisten immer noch geprägt von der neoliberalen
Kampagne zur Totalliberalisierung der Wasserwirtschaft
aus dem Jahr 2000? Oder war nur einfach die Pressearbeit
von VKU und BDEW im Vorfeld des BGH-Urteils weniger als suboptimal?
|
Der seit 25 Jahren erscheinende BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
alle 14 Tage über das aktuelle Geschehen in der Wasserwirtschaft
und in der Wasserpolitik sowie im Gewässerschutz. Ansichtsexemplare
dieses aquatischen Informationsdienstes der anderen Art können
kostenlos via E-Mail an nik@akwasser.de angefordert werden.
|
Startseite
| |
|
|