Die
Modernisierungsstrategie der Bundesregierung stützt sich
im Wesentlichen auf die Kernelemente:
- Einführung
eines flächendeckenden und transparenten Benchmarking
- Lockerung
des Örtlichkeitsprinzips im Gemeindewirtschaftsrecht
- Übertragung
der Abwasserbeseitigungspflicht auf Dritte
- steuerliche
Gleichbehandlung von Trink- und Abwasser
- ein
stärkeres internationales Engagement der deutschen Wasserwirtschaft
Diese
Kernelemente setzen an den spezifischen Gegebenheiten der deutschen
Wasserwirtschaft an, die sich nachteilig auf die Ausbildung
zeitgemäßer, wettbewerbsfähiger Strukturen auswirken
und die deutsche Wasserwirtschaft auch im internationalen Maßstab
nicht im erforderlichen Maße vorankommen lassen.
Flächendeckendes
und transparentes Benchmarking
Die
Einführung eines flächendeckenden
und transparenten Benchmarking ist ein wesentlicher Bestandteil
des deutschen Modernisierungskonzeptes. Mit der Teilnahme an
freiwilligen Benchmarkingprojekten stellen sich die Unternehmen
einem Vergleichswettbewerb und lassen sich an den Vorgaben
der Besten messen. Ein solcher Vergleich hat eine grundsätzliche
Bedeutung für die Bewertung der Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens.
In
zwei Verbändeerklärungen
von 2003 und 2005 erklärten sich die deutschen Wasserverbände
[ATT: Arbeitsgemeinschaft Trinkwassertalsperren e.V.; BGW: Bundesverband
der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft e.V.; DBVW: Deutscher Bund
verbandlicher Wasserwirtschaft e.V.; DWA: Deutsche Vereinigung
für Wasserwirtschaft,
Abwasser und Abfall e.V.; DVGW: Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfachs e.V.] sowie auch der Verband kommunaler Unternehmen
e.V. (VKU) bereit, gemeinsam den erforderlichen konzeptionellen
Rahmen für
ein Benchmarking in der Wasserwirtschaft im Sinne der
Selbstverwaltung zu erarbeiten und weiterzuentwickeln. Im
November 2005 wurde ein Leitfaden als gemeinsamer Rahmen
und als praktische Hilfestellung für die Wasserwirtschaftsunternehmen
zur Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von
Benchmarkingprojekten herausgegeben.
Bislang
wurden bereits mehrere Projekte, z. B. in Nordrhein-Westfalen, Bayern,
Thüringen und Hessen durchgeführt. Aus diesen Kennziffern-
und Prozessvergleichen konnten die Unternehmen konkrete Handlungsempfehlungen
für die untersuchten Tätigkeitsbereiche ableiten. Insbesondere
wegen der freiwilligen Teilnahme der Unternehmen wurde das
Benchmarking allerdings als unzureichend kritisiert. Im Modernisierungsbericht
wird deshalb hervorgehoben, dass es darauf ankommt, Benchmarkingprojekte breitenwirksam
und unter Beteiligung auch der kleinen, meist öffentlich-rechtlichen
Unternehmen durchzuführen. Ob dieses Modell zukunftsfähig
ist, wird sich letztlich an den konkreten Auswirkungen auf
das Qualitäts- und Preisniveau der Wasserver- und Abwasserentsorgung zeigen.
Lockerung
des Örtlichkeitsprinzips
Im
Zusammenhang mit einer Modernisierung stellt sich auch die
Frage nach einer Optimierung der Strukturen der deutschen
Wasserwirtschaft. Das im Gemeindewirtschaftsrecht verankerte Örtlichkeitsprinzip fesselt die Unternehmen
an ihren Standort und behindert Unternehmenszusammenführungen zu
wirtschaftlich optimalen Betriebsgrößen. Der Modernisierungsbericht
nimmt hier die Länder in die Pflicht, eine Lockerung
zu prüfen. Damit würden kommunale Unternehmen die
Möglichkeit erhalten, sich an Ausschreibungen anderer
Kommunen zu beteiligen. Im starren Örtlichkeitsprinzip
wird auch eines der Haupthindernisse dafür gesehen, dass
sich die deutsche Wasserwirtschaft nicht im erforderlichen
Umfang international betätigen kann.
Übertragung
der Abwasserbeseitigungspflicht auf Dritte
Ein
weiteres Modernisierungshindernis besteht in der fehlenden Umsetzung
der nach § 18 a Abs. 2a des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) möglichen Übertragung
der Abwasserbeseitigungspflicht der Kommunen auf Dritte in
die Länderwassergesetze. Bereit seit 1996 können gemäß dieser
Norm die Länder regeln, unter welchen Bedingungen die
Abwasserbeseitigungspflicht von einer Kommune auf einen Dritten
ganz oder teilweise befristet und widerruflich übertragen
werden kann. Bisher haben nur drei Länder – Baden-Württemberg,
Sachsen und Sachsen-Anhalt – die Umsetzung in ihren
Landeswassergesetze vorgenommen, ohne bisher jedoch die erforderlichen Durchführungsverordnungen
zu erlassen. Einzelne Bundesländer haben sich auch gegen
eine solche Umsetzung ausgesprochen.
Mit
der so genannten „Privatisierungsoption“ geht
es nicht um eine generelle Privatisierung der Abwasserentsorgung. Gemäß dem
auch im Koalitionsvertrag noch einmal ausdrücklich hervorgehobenen
Grundsatz, dass die Kommunen eigenständig über die Organisation
der Abwasserentsorgung entscheiden können, muss diesen aber,wenn
sie es für zweckmäßig erachten, diese Option offen stehen.
Einführung
einer generellen Steuerpflicht für Abwasserentsorgungsleistungen
Der
Modernisierungsbericht widmet sich zunächst
sehr ausführlich der Prüfung der positiven und negativen Folgen
der Einführung einer Umsatzsteuerpflicht im Abwasserbereich,
einer seit vielen Jahren diskutierten Thematik. Das Problem ist,
dass in diesem Bereich zwei gravierende steuerliche Ungleichbehandlungen bestehen:
- Erstens gibt
es beim Abwasser eine steuerliche Ungleichbehandlung von
privaten und öffentlich-rechtlichen Entsorgungsunternehmen.
Die Steuerbefreiung für Abwasser gilt
nur für öffentlich-rechtliche
Entsorgungsunternehmen, für die
die Abwasserentsorgung eine hoheitliche
Tätigkeit darstellt. Wird die Abwasserentsorgung hingegen
von Unternehmen in privatrechtlicher Organisationsform
wahrgenommen, müssen diese ihre
Leistungen mit dem vollen Umsatzsteuersatz von
19 % in Rechnung stellen. Eine steuerliche Gleichbehandlung
im Bereich der Abwasserwirtschaft–
unabhängig von der Organisationsform – würde
Chancengleichheit im Wettbewerb herstellen
und auch dem vom Europäischen
Parlament und der EU-Kommission geforderten
Grundsatz der Wettbewerbsneutralität entsprechen.
- Zweitens
gibt es eine steuerliche Ungleichbehandlung von
Abwasser und Trinkwasser. Letzteres wird mit dem
ermäßigten Steuersatz von 7% besteuert.
Die unterschiedliche Besteuerung
stellt eine Behinderung für
einen Querverbund zwischen Ver- und Entsorgungsdienleistungen und
damit für die Herausbildung zeitgemäßer
Organisationsformen zwischen dem Trink-
und Abwasserbereich dar. Während im Trinkwasserbereich z.
B. für Investitionen ein Umsatzvorsteuerabzug möglich
ist, steht diese Option öffentlichrechtlichen Unternehmensformen
im Abwasserbereich nicht zur Verfügung.
Die unternehmerische Zusammenführung von
Trink- und Abwasser würde ökologisch Sinn
machen, da dann der Wasserkreislauf im Unternehmen geschlossen wäre.
Im
Modernisierungsbericht wurden außerdem anhand verschiedener
Modellrechnungen auf Basis realer Unternehmensdaten die Vor-
und Nachteile einer generellen Steuerpflicht der Abwasserentsorgung
bewertet. Daraus ließen sich grundsätzlich machbare
Entscheidungen ableiten. Doch die Beurteilung der steuerlichen
Gleichstellung von Trink- und Abwasser ist sehr uneinheitlich.
Während die kommunalen Spitzenverbände eine Steuereinführung ablehnen,
weil dann eine dann gravierende Gebührenerhöhung notwendig
werde, macht der Modernisierungsbericht die positiven Wirkungen
eines Vorsteuerabzugs deutlich, die sich bei dem von den Verbänden
aufgezeigten zukünftigen hohen Sanierungsinvestitionsbedarf ergeben.
Vor
dem Hintergrund zweier laufender Beschwerden des Bundesverbandes
der Deutschen Entsorgungswirtschaft e.V. (BDE) bei der EU-Kommission
wegen der o.g. steuerlichen Benachteiligung privater Entsorger
im Abwasserbereich und analog bei der Abfallentsorgung könnte
kurzfristig Handlungsdruck entstehen, hier endlich zu einer tragfähigen Lösung zu kommen.
Internationales Engagement
der deutschen Wasserwirtschaft
Die
Modernisierungsstrategie fordert aus zwei Gründen auch ein
stärkeres internationales Engagement der deutschen Wasserwirtschaft:
- Erstens
sieht sich Deutschland als eines der reichsten Länder
der Erde aus entwicklungspolitischer Sicht in der
Verantwortung, einen eigenen Beitrag zur Lösung der
weltweiten Wasserprobleme in Zusammenhang mit
der Umsetzung der so genannten Millenniumziele der
UNO zu leisten. Auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm im
Juni 2007 wurde das Ziel noch einmal bekräftigt. Von
dem Millenniumziel, bis zum Jahre 2015 den
Anteil der Weltbevölkerung zu halbieren, der ohne
Zugang zu sauberem Wasser und ohne Zugang zu
einer sanitären Basisversorgung ist (2005 ca. 1,1
Mrd. bzw. 2,6 Mrd. Menschen), sind
wir noch weit entfernt. Es ist zu
befürchten, dass sich durch den erwarteten Klimawandel
die Probleme insbesondere in den Entwicklungsländern noch
verschärfen könnten. In den wasserarmen
Ländern werden nicht nur technische Lösungen
zur Wasseraufbereitung und Abwasserentsorgung benötigt,
sondern integrative Ansätze, die die
knappen Wasserressourcen schützen und erhalten. Bei
diesen häufig kleinflächigen Projekten könnte die
kommunal geprägte deutsche Wasserwirtschaft einen
wertvollen Beitrag leisten.
- Zweitens
stellt sich für die deutsche Wasserwirtschaft die
Frage, wie sie sich – über die reine staatliche
Entwicklungshilfe hinaus – an
verschiedenen internationalen Projekten
beteiligen kann. Die Wasserwirtschaft macht
jährlich weltweit einen Umsatz von 250 Mrd. €. Noch
spielen deutsche Firmen beim Export spezifischer Anlagen
und Komponenten im Wasserbereich auf
dem Weltmarkt als Nischenspezialisten eine führende
Rolle. Zunehmend fehlen diesen Firmen jedoch deutsche
Anlagenbetreiber für internationale Großprojekte
als Kooperationspartner. Denn für
internationale Großprojekte
sind Systemlösungen gefragt, die
Planung, Anlagenbau, Anlagenbetrieb und Finanzierung aus einer Hand bieten.
Wie
bereits aufgezeigt, ist die überwiegend kleinteilige, durch
das Örtlichkeitsprinzip gebundene deutsche Wasserwirtschaft
ein wesentliches Hindernis für ein internationales Engagement.
Der Modernisierungsbericht soll hier eine Strategiediskussion
anregen, in welche Richtung und in welchem Umfang sich die
deutsche Wasserwirtschaft international entwickeln bzw.
positionieren kann.