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Für
die weltweite Anwendung hat die Internationale Standardisierungs-Organisation
ISO eine neue Norm-Reihe verabschiedet, in der
u.a. auch eine Bürgerbeteiligung in Wasser-
und Abwasserbetrieben empfohlen wird. Nach mehrjährigen
Kontroversen in nationalen und internationalen
Normungsgremien quer über den Globus konnten
die Normen
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ISO 24510 Dienstleistungen im Wasser- und Abwassersektor
•
ISO 24511 Gute Managementpraktiken in Abwasserbetrieben
•
ISO 24512 Gute Managementpraktiken in Wasserbetrieben
schlussendlich
im Jahr 2009 verabschiedet werden (siehe
zur Historie der drei Normen die BBUWASSER- RUNDBRIEFE Nr.
870/2-3, 825/1-3, 783/1-2, 769/2-3, 737/3,
666 und 661).
Die
Anwendung der drei neuen ISO-Normen in Deutschland sieht
man in der deutschen Wasserwirtschaft als völlig überflüssig
an – denn alles, was in
den Normen empfohlen wird, werde ohnehin
schon längst in den deutschen Wasser-
und Abwasserbetrieben praktiziert.
Im
Deutschen Institut für Normung will man
sich deshalb mit einer Kommentierung der drei Normen
begnügen – Tenor: Wir sind eh die besten und
brauchen die drei Normen gar nicht. Wichtig seien
die drei Normen vor allem in Entwicklungsländern,
wo man dem deutschen Standard noch meilenweit hinterher
hinke.
Der
Vertreter des Ak Wasser im BBU im zuständigen
DIN-Ausschuss NA 119- 06-04 AA "Dienstleistungen im Bereich
Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung
(ISO/TC 224)" hat allerdings auf einer
Sitzung des Ausschuss am 26. Febr. 2010
darauf hingewiesen, dass für deutsche
Selbstgefälligkeit kein Anlass bestehe. Denn
das Gebot zur Bürgerbeteiligung in der Siedlungswasserwirtschaft
in den drei Normen werde in deutschen
Wasser- und Abwasserbetrieben bislang nicht
ein Mal in Ansätzen praktiziert. Der Verweis
in der Kommentierung, dass
in Deutschland demokratisch legitimierte
Gemeinderäte, Verbandsversammlungen und
Aufsichtsräte über die Geschicke der Wasser-
und Abwasserbetriebe entscheiden würden, greife
zu kurz. Das Partizipationsgebot in den drei
Normen umfasse ein weitergehendes Mitspracherecht der
Bürger im Hinblick auf alle wichtigen Entscheidungen.
Beispielsweise
wird in den Normen empfohlen, die „Nutzer“ („User“)
in die Berechnung und
Festlegung der Wasser- und Abwassergebühren mit
einzubeziehen. Darüber hinaus wird von
den Wasser- und Abwasserbetrieben verlangt, dass
sie „aktiv“ auf die „Nutzer“ zugehen,
um sie über alle wichtigen Entscheidungen zu
informieren, die im jeweiligen Wasser- und Abwasserbetrieb anstehen.
Das Gebot
zur aktiven Information und Konsultation betrifft
somit nicht nur die Entgeltgestaltung, sondern auch anstehende „Schlüsselentscheidungen“– damit
sind u.a. Änderungen in der Rechtsform gemeint, also
beispielsweise angedachte Privatisierungen und Teilprivatisierungen
von Wasser- und Abwasserbetrieben, die Überführung
von Eigenbetrieben in GmbHs oder gar in Aktiengesellschaften
oder auch die Vergabe von Betriebsführungsverträgen
(siehe Kasten).
Die
Gebote zur Bürgerbeteiligung
in der
ISO 24510 bei der Preisgestaltung
5.3.3
Entgelt für die Dienstleistung
Enthalten
ist ein Gebot zur „fairen“ Entgeltgestaltung. Dazu wird u.a. ausgeführt:
„Die
Akzeptanz eines fairen Entgeltes durch die Nutzer
kann es erforderlich machen, der Öffentlichkeit Informationen
bezüglich der einzelnen Bestandteile des
Entgeltes sowie der Kostendeckung aus den
von den Nutzern erzielten Erlösen für die Bereitstellung zu geben.“
Empfohlen
wird zudem, Zuschüsse (der öffentlichen Hand) offenzulegen – und außerdem:
„Auch
sollten all diejenigen Faktoren mitgeteilt werden, die
Entgeltschwankungen verursachen können (z.B. Inflation,
Kapitalkosten, Umweltschutzgesetze und –vorschriften, Notfälle und Erweiterungen des
Rohrnetzes, Wasserqualität und –verfügbarkeit, Steuern).“
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Die
drei Normen verlangen damit zu Gunsten
von Mitspracherechten der „
Nutzer“ nicht weniger als den »gläsernen
Wasser- und Abwasserbetrieb«!
In
der Münchener DIN-Sitzung gestanden
die anwesenden Manager und Funktionäre aus der deutschen
Siedlungswasserwirtschaft zu, dass im Hinblick
auf die Bürgerbeteiligung tatsächlich
noch Nachbesserungsbedarf bei den hiesigen
Wasser- und Abwasserbetrieben bestehe. Insofern
soll in der DIN-Kommentierung der ISO 24510
darauf hingewiesen werden, dass noch
erhebliche Überlegungen
erforderlich seien, wie man das Gebot zur
Bürgerbeteiligung in der deutschen Siedlungswasserwirtschaft
umsetzen könne.
Die
Gebote zur aktiven Informationspolitik
in der ISO 24510
5.5.8
Verfügbarkeit von Informationen über
die Dienstleistung
„Der
Betreiber, die verantwortliche Organisation und die
zuständigen Behörden sollten den Nutzern
in offener und verständlicher
Form allgemeine Informationen bezüglich
der öffentlich zugänglichen
Aspekte der Dienstleistung
entsprechend der örtlichen
Bedingungen. Diese Informationen
sollten in einer Form
bereitgestellt werden, die größtmöglichen
Nutzen für möglichst
viele Nutzer hat. Die Nutzer können vom
Betreiber, der verantwortlichen Organisation und/oder
den zuständigen Behörden die Bekanntgabe von Informationen verlangen.“
Ferner
wird empfohlen, dass die zuständigen Stellen alle
gesetzlich zur Verfügung stehenden Informationen„
aktiv publizieren“ sollten, „wenn sie
darum gebeten werden“.
Anschließend
wird folgendes zu den Publizierungsverpflichtungen angefügt:
„In
Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten fallen
unter öffentlich zugängliche Aspekte
der Dienstleistung: (…)
Kundenverträge
Rechte der Nutzer (…)
Verfahren zur Festlegung von Tarifen;
vorhandene Verträge (z.B. Konzessionen, Managementverträge);
Vorschläge für neue oder verlängerte
Verträge
(z.B. Konzessionen, Managementvereinbarungen) (…)
Kostenstruktur;
Formel zur Entgeltberechnung
5.5.10 Beteiligung von Nutzern
„Der
Betreiber, die verantwortliche Organisation und/oder
die zuständigen Behörden sollten die
Beteiligung von
Nutzern ermutigen und fördern
(gesetzlicher Rahmen,
Fördermittel usw.), die unterschiedlich erfolgen kann. Beispiele hierfür
sind:
- laufende
Konsultationen mit der ständigen
Interessensgruppe der
Nutzer, die Kundenreklamationen und Dienstleistungsstandards überwachen
kann;
- Beteiligung
an Entscheidungen zu individuellen Streitfällen;
- Konsultationen
zu Schlüsselentscheidungen,
wie z.B.
neuen Programmen zur Erweiterung
des Leitungsnetzes, Entgeltfestlegungen
für einen neuen Zeitraum,
inhaltliche Diskussion über
neue Betriebsführungsmodelle und/oder Änderungen
der verantwortlichen
Organisation. Die Konsultation kann
zwischen Nutzern und Betreibern,
verantwortlichen Organisationen
und/oder zuständigen
Bebehörden entweder gemeinsam oder getrennt
erfolgen.
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