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24. Mörz 2010

 

 

 

 

 

 

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  Recht und Unrecht  


WasserInBürgerhand!

 

BBU-Wasser-Rundbrief
Nr. 940 vom 9. März 2010

Neue ISO-Norm fordert
Bürgerbeteiligung bei Wasserbetrieben

 

 

Für die weltweite Anwendung hat die Internationale Standardisierungs-Organisation ISO eine neue Norm-Reihe verabschiedet, in der u.a. auch eine Bürgerbeteiligung in Wasser- und Abwasserbetrieben empfohlen wird. Nach mehrjährigen Kontroversen in nationalen und internationalen Normungsgremien quer über den Globus konnten die Normen

• ISO 24510 Dienstleistungen im Wasser- und Abwassersektor
• ISO 24511 Gute Managementpraktiken in Abwasserbetrieben
• ISO 24512 Gute Managementpraktiken in Wasserbetrieben

schlussendlich im Jahr 2009 verabschiedet werden (siehe zur Historie der drei Normen die BBUWASSER- RUNDBRIEFE Nr. 870/2-3, 825/1-3, 783/1-2, 769/2-3, 737/3, 666 und 661).

Die Anwendung der drei neuen ISO-Normen in Deutschland sieht man in der deutschen Wasserwirtschaft als völlig überflüssig an – denn alles, was in den Normen empfohlen wird, werde ohnehin schon längst in den deutschen Wasser- und Abwasserbetrieben praktiziert.

Im Deutschen Institut für Normung will man sich deshalb mit einer Kommentierung der drei Normen begnügen – Tenor: Wir sind eh die besten und brauchen die drei Normen gar nicht. Wichtig seien die drei Normen vor allem in Entwicklungsländern,
wo man dem deutschen Standard noch meilenweit hinterher hinke.

Der Vertreter des Ak Wasser im BBU im zuständigen DIN-Ausschuss NA 119- 06-04 AA "Dienstleistungen im Bereich Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung (ISO/TC 224)" hat allerdings auf einer Sitzung des Ausschuss am 26. Febr. 2010 darauf hingewiesen, dass für deutsche Selbstgefälligkeit kein Anlass bestehe. Denn das Gebot zur Bürgerbeteiligung in der Siedlungswasserwirtschaft in den drei Normen werde in deutschen Wasser- und Abwasserbetrieben bislang nicht ein Mal in Ansätzen praktiziert. Der Verweis in der Kommentierung, dass in Deutschland demokratisch legitimierte Gemeinderäte, Verbandsversammlungen und Aufsichtsräte über die Geschicke der Wasser- und Abwasserbetriebe entscheiden würden, greife zu kurz. Das Partizipationsgebot in den drei Normen umfasse ein weitergehendes Mitspracherecht der Bürger im Hinblick auf alle wichtigen Entscheidungen.

Beispielsweise wird in den Normen empfohlen, die „Nutzer“ („User“) in die Berechnung und Festlegung der Wasser- und Abwassergebühren mit einzubeziehen. Darüber hinaus wird von den Wasser- und Abwasserbetrieben verlangt, dass sie „aktiv“ auf die „Nutzer“ zugehen, um sie über alle wichtigen Entscheidungen zu informieren, die im jeweiligen Wasser- und Abwasserbetrieb anstehen.

Das Gebot zur aktiven Information und Konsultation betrifft somit nicht nur die Entgeltgestaltung, sondern auch anstehende „Schlüsselentscheidungen“– damit sind u.a. Änderungen in der Rechtsform gemeint, also beispielsweise angedachte Privatisierungen und Teilprivatisierungen von Wasser- und Abwasserbetrieben, die Überführung von Eigenbetrieben in GmbHs oder gar in Aktiengesellschaften oder auch die Vergabe von Betriebsführungsverträgen (siehe Kasten).

 

Die Gebote zur Bürgerbeteiligung
in der ISO 24510 bei der Preisgestaltung

5.3.3 Entgelt für die Dienstleistung

Enthalten ist ein Gebot zur „fairen“ Entgeltgestaltung. Dazu wird u.a. ausgeführt:

„Die Akzeptanz eines fairen Entgeltes durch die Nutzer kann es erforderlich machen, der Öffentlichkeit Informationen bezüglich der einzelnen Bestandteile des Entgeltes sowie der Kostendeckung aus den von den Nutzern erzielten Erlösen für die Bereitstellung zu geben.“

Empfohlen wird zudem, Zuschüsse (der öffentlichen Hand) offenzulegen – und außerdem:

„Auch sollten all diejenigen Faktoren mitgeteilt werden, die Entgeltschwankungen verursachen können (z.B. Inflation, Kapitalkosten, Umweltschutzgesetze und –vorschriften, Notfälle und Erweiterungen des
Rohrnetzes, Wasserqualität und –verfügbarkeit, Steuern).“


Die drei Normen verlangen damit zu Gunsten von Mitspracherechten der „ Nutzer“ nicht weniger als den »gläsernen Wasser- und Abwasserbetrieb«!

In der Münchener DIN-Sitzung gestanden die anwesenden Manager und Funktionäre aus der deutschen Siedlungswasserwirtschaft zu, dass im Hinblick auf die Bürgerbeteiligung tatsächlich noch Nachbesserungsbedarf bei den hiesigen Wasser- und Abwasserbetrieben bestehe. Insofern soll in der DIN-Kommentierung der ISO 24510 darauf hingewiesen werden, dass noch erhebliche Überlegungen erforderlich seien, wie man das Gebot zur Bürgerbeteiligung in der deutschen Siedlungswasserwirtschaft umsetzen könne.

 

Die Gebote zur aktiven Informationspolitik
in der ISO 24510

5.5.8 Verfügbarkeit von Informationen über die Dienstleistung

„Der Betreiber, die verantwortliche Organisation und die zuständigen Behörden sollten den Nutzern in offener und verständlicher Form allgemeine Informationen bezüglich der öffentlich zugänglichen Aspekte der Dienstleistung entsprechend der örtlichen Bedingungen. Diese Informationen sollten in einer Form bereitgestellt werden, die größtmöglichen Nutzen für möglichst viele Nutzer hat. Die Nutzer können vom Betreiber, der verantwortlichen Organisation und/oder den zuständigen Behörden die Bekanntgabe von Informationen verlangen.“

Ferner wird empfohlen, dass die zuständigen Stellen alle gesetzlich zur Verfügung stehenden Informationen„ aktiv publizieren“ sollten, „wenn sie darum gebeten werden“.

Anschließend wird folgendes zu den Publizierungsverpflichtungen angefügt:

„In Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten fallen unter öffentlich zugängliche Aspekte der Dienstleistung: (…)
Kundenverträge
Rechte der Nutzer (…)
Verfahren zur Festlegung von Tarifen;
vorhandene Verträge (z.B. Konzessionen, Managementverträge);
Vorschläge für neue oder verlängerte Verträge (z.B. Konzessionen, Managementvereinbarungen) (…)
Kostenstruktur;
Formel zur Entgeltberechnung

5.5.10 Beteiligung von Nutzern

„Der Betreiber, die verantwortliche Organisation und/oder die zuständigen Behörden sollten die Beteiligung von Nutzern ermutigen und fördern (gesetzlicher Rahmen, Fördermittel usw.), die unterschiedlich erfolgen kann. Beispiele hierfür sind:

  • laufende Konsultationen mit der ständigen Interessensgruppe der Nutzer, die Kundenreklamationen und Dienstleistungsstandards überwachen kann;
  • Beteiligung an Entscheidungen zu individuellen Streitfällen;
  • Konsultationen zu Schlüsselentscheidungen, wie z.B. neuen Programmen zur Erweiterung des Leitungsnetzes, Entgeltfestlegungen für einen neuen Zeitraum, inhaltliche Diskussion über neue Betriebsführungsmodelle und/oder Änderungen der verantwortlichen Organisation. Die Konsultation kann zwischen Nutzern und Betreibern, verantwortlichen Organisationen und/oder zuständigen Bebehörden entweder gemeinsam oder getrennt erfolgen.

 

 


Der seit 25 Jahren erscheinende BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet alle 14 Tage über das aktuelle Geschehen in der Wasserwirtschaft und in der Wasserpolitik sowie im Gewässerschutz. Ansichtsexemplare dieses aquatischen Informationsdienstes der anderen Art können kostenlos via E-Mail an nik@akwasser.de angefordert werden.

 

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