In
den letzten drei Jahren hat der Europäische Gerichtshof
(EuGH) einige Urteile erlassen, die für gehörigen
Wirbel und Unsicherheit auch in den kommunalen und verbandlichen
Wasserwirtschaft gesorgt
haben. Nach den EuGH-Urteilen dürfen Kommunen ihr Abfallgeschäft
- und vermutlich auch ihre Wasser- und Abwasserdienstleistungen
- nicht mehr so ohne weitere an einen Partner ihres Vertrauens
verkaufen. Die Übertragung von Dienstleistungsaufträgen
an halbkommunale Tochtergesellschaft („public-privat-partnerships“ (ppp))
erfordere zuvor eine EU-weite Ausschreibung,
so das Verdikt der EuGH-Richter (s. RUNDBR. 819/1-2, 786/1,
787/2, 787/1). Weitere
Verwirrung ist auf EU-Ebene zudem dadurch entstanden, dass zwi-schen
EU-Rat, -Kommission und -Parlament völlig unklar ist, was
unter kommunaler Daseinsvorsorge eigentlich zu verstehen ist
und in welchem Umfang der „public service“ einem
Wettbewerbsregime unterworfen werden sollen. Die Debatten im
EU-Parlament in den letzen Wochen konnten nicht sonderlich viel
zur Klärung beitragen. Nach wirren Debatten in diversen
Ausschüssen des EU-Parlaments hat das Europäische Parlament
(EP) am 27.09.06 nach einer Diskussion im Beisein von Kommissionspräsident
BARROSO einen Entschließungsantrag zur Daseinsvorsorge verabschiedet,
der alles offen lässt. JOSÉ MANUEL
BARROSO schloss am Ende der Debatte in Strasbourg radikale Lösungen
in die eine oder andere Richtung aus:
„Die
Kommission betrachte die Daseinsvorsorge als Teil des europäischen
Modells, werde die Wettbewerbsregeln aber nicht komplett vergessen.
Sie sei verpflichtet, die im EU-Vertrag festgelegten Regeln des
Binnenmarktes zu respektieren und durchzusetzen“,
fasste
DAS PARLAMENT vom 2.10.06 den Einer-seits-Andererseits-Standpunkt
des Kommissions-Präsidenten zusammen. Demgegenüber interpretierte
Bundeswirtschaftsminister MICHAEL GLOS den Beschluss des Europäischen
Parlaments als
„ein deutliches Votum für die Eigenverantwortung
der Mitgliedstaaten und Kommunen".
Mit
seinem Beschluss zur Daseinsvorsorge habe sich das Europäische
Parlament “zu
Subsidiarität und Gestaltungshoheit der EU-Mitgliedstaaten
bei der Daseinsvorsorge“ bekannt. Damit habe das EU-Parlament
die Linie bestätigt, die Deutschland bereits mit einer
gemeinsamen Stellungnahme von Bund und Ländern in den
vorangegangenen Beratungen zum Grünbuch und zum Weißbuch
der EU-Kommission zu Diensten von allgemeinem (wirtschaftlichen)
Interesse (s.
735/2, 731/1, 721/1-2, 663/4, 588/1-2, 583/2, 561/1-3) vertreten
hatte. Forderungen nach einer EG-Rahmenrichtlinie zur Daseinsvorsorge
und zu einheitlichen europäischen Qualitätsvorgaben
beim public service hätten sich dagegen im Europäischen
Parlament nicht durchsetzen können. GLOS unterstrich,
dass Deutschland weiterhin umfassende EU-Regelungen und europäische
Standards für die Daseinsvorsorge ablehne, aber größere
Rechtssicherheit für die Kommunen wünsche:
"Besonderer
Handlungsbedarf besteht beim EU-Vergaberecht. Die Kommunen
brauchen mehr Rechtssicherheit und ausreichende Handlungsspielräume,
wenn sie im Bereich der Daseinsvorsorge Öffentlich-Private
Partnerschaften eingehen möchten. Wir erwarten, dass
die Kommission dem Votum des EP folgt und sich in diesem
Sinne engagiert."
GLOS
begrüßte die Unterstützung der Entschließung
durch beide große Fraktionen (EVP, SPE), die dem
Antrag ihr zusätzliches Gewicht verleihe:
"Die
breite Zustimmung bietet beste Chancen für vernünftige
Lösungen. Der Beschluss hebt sich damit ab von den
ideologisch geführten Diskussionen zwischen denen,
die sich gegen jede Veränderung wehren, und den
Befürwortern einer uneingeschränkten
Liberalisierung."
Nach
dem Kompromiss zwischen Sozialdemokraten und Konservativen
im EP ist jetzt wieder die Kommission am Zuge, einen
Vorschlag vorzulegen, der „für mehr Rechtssicherheit“ bei
der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen an ppp-Gesellschaften
sorgen soll. Eine EU-Richtlinie zur Daseinsvorsorge
war u.a. von den Grünen und Linken im EU-Parlament
gefordert worden: „Leistungen
der Daseinsvorsorge sind das Herzstück des sozialen
Modells Europas“, hatte beispielsweise die grüne
Abgeordnete ELISABETH SCHRÖDER betont. Der public
service müsse
mit einer EU-Rahmenrichtlinie gegen eine Marktöffnung
abgesichert werden.
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