Datum xxxx
Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011)897)
v. 20.12.2011
Sehr geehrte xxxx xxxxxx,
seit Anfang 2012 liegt der Entwurf der EU-Konzessionsrichtlinie
vor.
Von ihrem Verständnis her geht die Kommission davon aus,
das die Vergabe von Konzessionen dem europäischen Wettbewerbsrecht
unterliegt (Artikel 7 des Vorschlags). Das bedeutet, dass jede
Konzessionsvergabe europaweit uneingeschränkt jedem Wettbewerber
die Übernahme der Konzession unter transparenten, diskriminierungsfreien
und gleichen Wettbewerbsbedingungen durch Abgabe des wirtschaftlich
günstigsten Angebots ermöglicht werden muss. Diese
Bedingungen gelten im Prinzip auch, wenn eine öffentliche
Stelle oder eine von einer öffentlichen Stelle beherrschte
Einrichtung sich um eine Konzession bewirbt. Hier gelten die
gleichen Wettbewerbsbedingungen. Nur unter bestimmten, speziell
festgelegten und detailliert aufgeführten Voraussetzungen
will die Kommission Ausnahmen für öffentliche Stellen
zulassen (Art. 11, 12, 13 und 15 des Vorschlags).
Gleichzeitig bekennt sich die Kommission zur Freiheit der Behörden,
die durch die Anwendung dieser Vorschriften nicht beschränkt
werden soll, über die Art und Weise der Organisation der
Durchführung ihrer öffentlichen Aufgaben zu entscheiden
(Begründung (17) des Vorschlags).
Mit den vorgenannten Bedingungen der Artikel 11, 12, 13 und
15, die als Ausnahmen verstanden werden, greift die Kommission
aber genau in diese Freiheit der Behörden ein, die sie zwar
in der vorgenannten Begründung benennt, im Text der Richtlinie
selbst aber dann nicht mehr erwähnt. Mit dieser Richtlinie
und den darin enthaltenen Eingriffen in die Organisationshoheit
der Behörden befindet sich die Kommission im Gegensatz zu
einer Reihe von Bestimmungen des Lissabon-Vertrages.
1. So hat die Union die nationale Identität der Mitgliedsstaaten
zu achten, wie sie in den politischen und verfassungsmäßigen
Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung
zum Ausdruck kommt (Artikel 4 Absatz (2) des Vertrages über
die Europäische Union).
2. Außerdem zählt zu den Werten der Union in Bezug
auf Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (zu denen
die im Anhang III des Richtlinienvorschlags genannten Tätigkeiten
zu rechnen sind) gemäß Artikel 1 des Protokolls über
Dienste von allgemeinem Interesse (zu Artikel 14 des Vertrages über
die Arbeitsweise der Europäischen Union) der weite Ermessensspielraum
der nationalen, regionalen und lokalen Behörden in der Frage,
wie diese Dienste den Bedürfnissen der Nutzer entsprechend
zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu organisieren
sind.
3. Weiterhin lassen die Europäischen Verträge die
Eigentumsordnung in den Mitgliedsstaaten unberührt (Artikel
345 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen
Union).
Wir sehen die Bestimmungen der Europäischen Verträge
durch den Richtlinienvorschlag beeinträchtigt. Und wir sehen
im Gefolge auch die kommunale Selbstverwaltung gemäß Artikel
28 Absatz (2) unseres Grundgesetzes beeinträchtigt. Selbstverwaltung
heißt Weisungsfreiheit und bedeutet, dass eigene Organe
in eigener Verantwortung - bezogen auf die Angelegenheiten der öffentlichen
Gemeinschaft – demokratisch legitimiert durch die Beteiligung
der Staatsbürger die Gestaltung des Lebenskreises dieser
Staatsbürger übernehmen.
Die Vorgaben des Richtlinienentwurfs stellen diese Prinzipien
in Frage. Sie erklären vielmehr die kommunale Gestaltungsfreiheit
zur Ausnahmesituation. Und sie beeinträchtigen die demokratische
Legitimation, indem sie in diese eingreifen.
Deshalb ist der Richtlinienentwurf abzulehnen.
Sehr geehrte xxxxxx, wir möchten Sie daher bitten, die
bereits vor Vorlage dieses Richtlinienentwurfs ablehnende Position
des Europäischen Parlaments (2009/2175/INI vom 18.05.2010)
auch weiterhin mitzutragen, damit dieser Richtlinienentwurf keine
Rechtskraft erhält.
Sollt dies nicht erreichbar sein, sollte zumindest die Wasserwirtschaft
als zentrale Angelegenheit der kommunalen Daseinsvorsorge ausgenommen
werden.
Für Ihre Bemühungen dürfen wir uns bedanken.
Mit freundlichen Grüßen
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