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7. September 2014

 

 

 

 

 

 

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  Recht und Unrecht  

WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 26.8.2014

EU-Kommission will
EG-Trinkwasserrichtlinie überarbeiten

 

Als ersten Schritt zu einer Neufassung der EG-Trinkwasserrichtlinie hat die EU-Kommission einen Trinkwasser-Report publiziert. Der Report ist die Antwort der Kommission auf die erfolgreiche „Europäische Bürgerinitiative“. Im letzten Jahr hatten über 1,6 Millionen EU-Bürger die Initiative unterschrieben, um damit für das Menschenrecht auf Wasser einzutreten und um gegen eine Liberalisierung der Wasserversorgung in der EU zu protestieren (s. RUNDBR. 1014/4, 1009/4, 1007/1-2, 999/4, 994/1, 983/1). Der „Synthesebericht über die Qualität von Trinkwasser in der EU“ basiert auf der Prüfung der Berichte der Mitgliedsstaaten zu Umsetzung der EG-Trinkwasserrichtlinie für den Zeitraum 2008-2010. Der Bericht der Kommission mit der Nummer „KOM (2014) 363 endgültig“ liegt nur in einer englisch-sprachigen Fassung vor. Der Bericht kann seit dem 16. Juni 2014 von der Homepage

http://ec.europa.eu/environment/water/water-
drink/pdf/report2014/1_EN_ACT_part1_v3.pdf

heruntergeladen werden. Die zehnseitige Analyse der Länderberichte zur nationalen Umsetzung der Trinkwasserrichtlinie fasst auf zwei Seiten am Schluss auch die statistischen Angaben über die Wasserversorgung in den EU-Mitgliedsstaaten zusammen. Der vollständige Wortlaut der bisherigen Trinkwasserrichtlinie 98/83/EG ist unter

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:31998L0083

in allen EU-Amtssprachen verfügbar. Mehr zum Inhalt des Kommissionsberichtes in den nachfolgenden Notizen sowie im nächsten WASSER-RUND­BRIEF …


Milliardenschwere Wasserbranche beschäftigt 500.000 EuropäerInnen

 

Der Bericht hebt zunächst die wirtschaftliche Bedeutung des Wasser- und Abwassersektors hervor: Die Wasserbranche leiste „einen erheblichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt“. Die geschätzte Gesamtbruttowertschöpfung der Wasser- und Abwasserbetriebe in der EU hätte sich im Jahr 2010 auf rund 44 Mrd. Euro belaufen. Im Bereich der Trinkwasserver- und der Abwasserentsorgung hätten 2010 etwa 500.000 Menschen einen Vollzeitjob gefunden.


Kleinstwasserversorger glänzen mit einer „Underperformace“

 

Anschließend wendet sich der Report der angestrebten Revision der EG-Trinkwasserrichtlinie 98/83/EG zu. Die im Jahr 1980 erlassene Richtlinie war letztmalig im Jahr 1998 überarbeitet worden. Die Richtlinie sei zwar ziemlich unbekannt – gleichwohl sei sie „eine der Erfolgsgeschichten“ im europäischen Umweltschutz, schreibt die Kommission. Vor allem die größeren Wasserversorger in der EU würden heute größtenteils die Anforderungen der Trinkwasserrichtlinie einhalten. Bei den größeren Wasserversorgungsanlagen würde die Compliance (also die Übereinstimmung mit den Anforderungen der Richtlinie) zwischen 99 und 100 Prozent betragen. Sorgenkind der EU-Kommission sind jedoch die kleineren Wasserversorgungen, die in der EU immerhin 65 Mio. Menschen mit Trinkwasser versorgen würden. Allerdings würden die Statistiken im Hinblick auf die kleinen Wasserversorger „Datenlücken“ enthalten, so dass man keine präzisen Zahlen angeben könne. Zwar würde die Richtlinie an große und kleine Wasserversorger die gleichen Anforderungen im Hinblick auf die mikrobiologischen und chemischen Parameter stellen – allerdings sei bei den kleinen Wasserversorgern die Überwachungsintensität deutlich niedriger. Die „Underperformance“ der kleinen Wasserversorgungsanlagen könne man u.a. daraus ablesen, dass hinsichtlich der chemischen Parameter in nur drei Mitgliedsstaaten eine hohe Compliance von 99 bis 100 Prozent erreicht werde. Bei den mikrobiologischen Parametern sei die Compliance bei den kleinen Anlagen deutlich geringer als bei den großen Anlagen. Die EU-Kommis­sion äußert im Hinblick auf die Kleinstwasserversorger die Befürchtung, dass die Trinkwasserqualität für 11,5 bis 15,5 Millionen Menschen in der EU kritisch sein könnte.

 

Was ist eine große Wasserversorgungsanlage?

Als große Wasserversorger definiert der Kommissions-Report Wasserversorgungsanlagen, aus denen mehr als 5.000 Menschen mit Trinkwasser versorgt werden. Ferner fungieren in der EU-Definition als große Wasserversorger diejenigen Anlagen und Betreiber, die mehr als 1.000 Kubikmeter Trinkwasser am Tag abgeben.

 

 


100.000 Wasserversorger versorgen in der EU
fast 500 Millionen Menschen

 

Unter Berücksichtigung der nicht unbedingt verlässlichen Datenmeldungen der Mitgliedsstaaten könne man in der EU von rund 97.000 Wasserversorgungsanlagen ausgehen. Diese würden 474 Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgen. Davon seien 11.233 große Wasserversorgungsanlagen, die 317 Millionen Menschen mit Trinkwasser beliefern. 85.559 kleine und kleinste Wasserversorgungsanlagen versorgen 65 Millionen Menschen. Um bei den kleinen Wasserversorgungen die Güte zu verbessern, will die Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten einen Aktionsplan mit best-practice-Beispielen zum Riskassessement für kleine Wasserversorger ausarbeiten lassen. Damit soll die Versorgung mit hochwertigem Trinkwasser vor allem im ländlichen Raum und in den abgelegenen Regionen der EU verbessert werden.

Im Folgenden bemängelt der Kommissionsbericht, dass die Überwachungsintensität bei der Trinkwassergüte nicht nur zwischen den Mitgliedsstaaten, sondern auch zwischen Regionen innerhalb der Mitgliedsstaaten von einander abweiche. Die Mängel würden verdeutlichen, dass man in den Mitgliedsstaaten die Überwachung und die Risikobewertung entsprechend des WHO-Water-Safety-Plans (siehe RUNDBR. 699/1) intensivieren und vereinheitlichen müsse. Die dabei zusammengetragenen Daten könnten sodann auf „WISE“- dem „Wasserinformationssystem“ der EU – der Fachwelt und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.


Grenzwertüberschreitungen werden bis zu neun Jahren toleriert

 

Da die Trinkwasserrichtlinie bei Grenzwertüberschreitungen zeitlich begrenzte Ausnahmen zulässt, beleuchtet der Kommissionsbericht auch den Umgang mit den Ausnahmeregelungen in den EU-Mitgliedsstaaten.

Falls bei einer Grenzwertüberschreitung die Trinkwasserversorgung nicht durch andere Quellen unter zumutbaren Bedingungen sichergestellt werden kann, toleriert die Richtlinie eine Grenzwertüberschreitung für drei Jahre; allerdings nur dann, wenn Gesundheitsschäden nicht zu befürchten sind. Wenn innerhalb der Drei-Jahres-Frist eine Rückkehr zur Compliance nicht möglich ist, kann eine Verlängerung von noch ein Mal drei Jahren in Anspruch genommen werden. Allerdings muss der Mitgliedsstaat hierzu die Gründe für das Fortdauern der Grenzwertüberschreitung gegenüber der EU-Kommission „kommunizieren“. Und wenn es nach sechs Jahren immer noch nicht gelungen ist, die Grenzwertüberschreitung abzustellen, kann der Mitgliedsstaat bei der EU-Kommission eine weitere Ausnahmegenehmigung für noch ein Mal drei Jahre beantragen. Derartige Anträge würde die Kommission „sorgfältig“ prüfen, heißt es im Kommissionsbericht. Wenn die Kommission die Begründungen für die Fortdauer einer Grenzwertüberschreitung nicht nachvollziehen kann, wird sie sich eine Ablehnung des Antrages vorbehalten.

Der Bericht listet auf, dass die Kommission bislang „dritte Drei-Jahres-Ausnahmen“ in den Mitgliedsstaaten Tschechische Republik, Italien, Ungarn und Deutschland gebilligt habe. Dabei habe es sich größtenteils um Grenzwertüberschreitungen bei den Parametern Nitrat, Nitrit, Fluorid, Bor, Arsen und Nickel gehandelt. Nur ein Antrag auf eine dritte Ausnahmegenehmigung sei bislang von der Kommission abgelehnt worden.

Die Kommission versichert in ihrem Bericht, dass sie die Beantragung weiterer Ausnahmegenehmigungen sehr „umsichtig“ prüfen werde, um eine einheitliche EU-weite Umsetzung der Richtlinie zu gewährleisten. Die Kommission sei nämlich zur Auffassung gelangt, dass die Ausnahmefristen mit bis zu neun Jahren so großzügig angelegt seien, dass die Mitgliedsstaaten ausreichend Zeit hätten, um zur Compliance zurückzukehren. Mehr Informationen zur Praxis der Inanspruchnahme von Ausnahmeregelungen finden sich unter

http://ec.europa.eu/environment/water/water-drink/derogations_en.html

Und mehr zum „Synthesebericht über die Qualität von Trinkwasser in der EU“ und zu einer diesbezüglich von der EU-Kommission durchge­führten Konsultation im nächsten RUNDBRIEF …


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 

 
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