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25. Oktober 2006

 

 

 

 

 

 

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  Recht und Unrecht  


WasserInBürgerhand!

 

Liberalisierungs- und Privatisierungstendenzen
für die Wasserwirtschaft in der EU-Politik

- Kurzübersicht -
Stand 24. Oktober 2006

 

 

Artikel 28 des Grundgesetzes garantiert das Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in politischer und wirtschaftlicher Selbständigkeit zu regeln. Diese auch in den Länderverfassungen enthaltene Bestimmung gestattet den Gemeinden nicht nur einen selbstbestimmten Verwaltungsaufbau, sondern gewährt ein (einklagbares) Recht auf weitgehende Selbstorganisation. Es wird in der 1988 verabschiedeten „Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung“ bestätigt.

Den Kommunen steht es frei, ob sie ihre Aufgaben selbst, durch private Dritte oder durch die Zusammenarbeit mit anderen Kommunen, zum Bespiel durch Beitritt in einen öffentlich-rechtlichen Zweckverband oder Gründung eines solchen, erfüllen wollen. Solche öffentlich-öffentlichen Partnerschaften, so die in Deutschland vorherrschende Meinung, unterliegen nicht dem Wettbewerb und dem von der EU geregelten Vergaberecht, weil es sich lediglich um eine Aufgabenverlagerung innerhalb der staatlichen Aufgabenorganisation handele. Ein Dritter sei insofern nicht beteiligt.

Die Europäische Kommission vertritt dagegen an vielen Stellen die Auffassung, dass ein Dritter auch eine andere Gebietskörperschaft sein könne und dass ein Dritter immer dann vorliege, wenn der öffentliche Partner eine andere juristische Person als der (kommunale) Auftraggeber sei. Dann handele es sich um ein Geschehen im Markt und deshalb greife hier bereits das europäische Wettbewerbsrecht ein. Hauptsächliches Regelungsgebiet ist hierbei bislang das Vergaberecht.

Wenn den Kommunen über das EU-Vergaberecht - das heißt im Wesentlichen durch den Zwang, ihre Aufgaben nach Wettbewerbsregeln öffentlich auszuschreiben - zum Beispiel die frei gewählte Kooperation mit anderen Gebietskörperschaften versagt wäre, würden sie auf die Grundfunktion als Gewährträger für bestimmte Dienstleistungen beschränkt. Nicht nur deutsche Kritiker sehen in diesem Ansatz einen unzulässigen Eingriff in das innerstaatliche Organisationsrecht der einzelnen Mitgliedsstaaten mit ihren sehr unterschiedlichen Organisationsformen, das der EU-Vertrag grundsätzlich gewährleistet.

Die Beteiligung privater Dritter durch kommunale Eigner/Auftraggeber (so genannte Öffentlich-Private Partnerschaften) wird seit langem praktiziert und gewinnt durch deren politische Förderung auf nationaler (siehe vor allem das im Juli 2004 verabschiedete ÖPP-Beschleunigungsgesetz) und EU-Ebene zusätzliche Bedeutung. Allgemein lassen sich drei Arten von ÖPP-Verträgen unterscheiden:

a) Betreiber-Modell
b) Konzessionsmodell
c) Betriebsführungsmodell

  • Beim Betreibermodell verpflichtet sich ein privater Dritter gegenüber der Kommune, gegen Entgelt die Planung, den Bau, die Finanzierung und den Betrieb einer Anlage zu übernehmen, ohne selbständig gegenüber den Nutzern aufzutreten. Die öffentliche Hand bezahlt den Betreiber aus Gebühren usw.

  • Beim Konzessionsmodell erbringt der (private) Auftragnehmer auf eigene Kosten und eigenes Risiko die Leistung (Dienstleistung oder Bau) gegenüber den Kunden, die an ihn aufgrund verliehenen Rechts die Entgelte zahlen.

  • Beim Betriebsführungsmodell übernimmt ein Privatunternehmen lediglich die Betriebsführung für eine kommunale Dienstleistung und wird dafür vom Auftraggeber bezahlt.

Neben diesen drei Formen bestehen Gesellschafts- und Kooperationsmodelle, bei denen die öffentliche Hand Aufgaben auf so genannte Objektgesellschaften überträgt, an denen sich neben der öffentlichen Hand eine oder mehrere Privatfirmen beteiligen. Dabei wird häufig eine Aufteilung in eine Besitzgesellschaft (meist mit Anteilsmehrheit der öffentlichen Hand) und in eine Betreibergesellschaft vorgenommen. Letztere mietet oder pachtet die Anlagen von der Besitzgesellschaft und betreibt sie. Diese Modelle sind in der Wasserwirtschaft häufiger anzutreffen. Im Sprachgebrauch der EU-Kommission erscheinen sie als institutionelle ÖPP.

Bezüglich des Wettbewerbs- und Vergaberechts sind sie ins Blickfeld gerückt, weil Kommunen an solche institutionellen ÖPP-Gesellschaften Aufträge ohne Ausschreibung erteilen. Dabei handelt es sich um so genannte Inhouse-Geschäfte. (Sie können auch vorliegen, wenn beispielsweise ein Stadtwerk an eine ausgegründete hundertprozentige Tochter Aufträge vergibt. Eine andere Variante liegt in der Aufgabenübertragung auf den privaten Dritten, der an einer ÖPP-Gesellschaft Eigentumsanteile hält.) Der Europäische Gerichtshof hat in mehreren Urteilen hohe Hürden gegen solche Auftragsvergaben ohne vorherige Ausschreibung errichtet und geht dabei teilweise weiter als die EU-Kommission bislang im Auge hat. Selbst das Europäische Parlament fühlt sich dadurch in einem gewissen Zugzwang, sich den normativen Vorgaben anzunähern.

Ob ein ÖPP-Unternehmen (auch gemischtwirtschaftlich genannt) dem Vergaberecht unterliegt, wenn es ausdrücklich zu dem Zweck gegründet wurde, eine staatliche Aufgabe nicht gewerblicher Art zu übernehmen, wird von der EU-Kommission bejaht.
Dabei kann eine Rolle spielen, ob die öffentliche Hand die Anteilsmehrheit besitzt und inwieweit das Unternehmen tatsächlich staatlich beherrscht ist. Beherrschung wird nach überwiegender Auffassung dann anzunehmen sein, wenn das Unternehmen wie eine staatliche Dienststelle kontrolliert würde (so auch der Europäische Gerichtshof in der Rechtsache Teckal), was in der Praxis kaum der Fall sein dürfte.

Im ÖPP-Grünbuch hat die EU-Kommission vorgeschlagen, dass Konzessionsverträge, Lizenzverträge oder sonstige ausschließliche Verträge zwischen Kommunen und (privaten) Versorgern (sogenannte Dienstleistungskonzessionen) ausschreibungspflichtig werden sollen. Weiterhin soll bei neu gegründeten gemischtwirtschaftlichen Unternehmen die Auswahl des privaten Partners der Ausschreibungspflicht unterliegen. Wenn sich ein öffentlicher Auftraggeber an einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen beteiligt, soll auch die Auftragsvergabe an dieses Unternehmen der Ausschreibung unterliegen.

Die EU-Kommission argumentiert dazu formalistisch und hält es darüber hinaus für ausgemacht, bis auf die Telekommunikation ohne konkreten Beleg, dass die Beteiligung des privaten Sektors und das weiter entfaltete Wettbewerbsregime grundsätzlich der Leistungsentfaltung dienen. Die Frage, welche Auffassung die Bürger von der für sie besten Art der Erbringung von Grunddienstleistungen haben, wird nicht gestellt.

Gegen die Ausschreibung von Konzessionen wird, so vom Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW), eingewandt, dass bereits der Verbleib der Eigentumsrechte an den Versorgungsnetzen bei den Kommunen beziehungsweise öffentlichen Unternehmen Probleme mit den Nutzungsrechten durch eine (privaten) Dritten bedeute. Die Ausschreibung von Konzessionen mache dann ein Unbundling wie bereits bei der Liberalisierung der Energieversorgung nötig, das heißt u.a. die organisatorische und unternehmensrechtliche Trennung von Erzeugung und Verteilung. Damit werde die Liberalisierung des Wassersektors vorangetrieben.

Eine Ausschreibungspflicht könne auch dazu führen, dass sich ein privater Konzessionär nicht mehr der vorhandenen ortsnahen Ressourcen bediene und damit der im Wasserhaushaltsgesetz festgelegte Vorrang der ortsnahen Versorgung verletzt würde. Außerdem werde mit den dann erforderlichen Regelungen für die Wasserdurchleitung durch fremde Versorgungsgebiete dem Handel mit Wasser und Wasserrechten Vorschub geleistet.
Der BGW bejaht jedoch eine Ausschreibungspflicht bei öffentlichen Aufträgen und Dienstleistungen, nicht Konzessionen, und fordert die konsequente Anwendung des bestehenden Vergaberechts in allen Mitgliedsstaaten, weil sich bisher deutschen Interessenten (welchen wohl?) Hindernisse in den Weg gestellt hätten.

Wer soll welche Leistung erbringen?

 


Die Frage, ob europäisches Wettbewerbsrecht mit den Grundprinzipien der Diskriminierungsfreiheit, Transparenz, Verhältnismäßigkeit (das heißt Regelungen nur in dem Fall, wenn bestehende nicht für die Zielerreichung ausreichen) und gegenseitige Anerkennung in der öffentlichen Wirtschaft Anwendung finden muss, hängt zudem von der Art der erbrachten Leistung ab. Die EU-Kommission schließt sich dabei nicht dem entstandenen Diskurs über öffentliche Güter an. Er müsste nämlich zur Frage einer politischen Bestimmung dessen führen, was wie unter welchen Bedingungen von wem produziert und konsumiert werden soll. Vielmehr bewegt sie sich in der traditionellen ökonomischen Betrachtungsweise mit dem Glaubenssatz, dass der gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft fast alles unterzuordnen sei und Privatisierung den Königsweg zur Effizienz bilde.

Im Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vom 21.5.2003 versucht die Kommission, zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu unterscheiden. Neben nicht näher definierten Gemeinwohlverpflichtungen und Leistungen, die nach bisherigem Verständnis grundsätzlich staatliche Aufgabe seien wie die Schulen und die Gesundheitsdienste, wird eine sehr umfassende Bestimmung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse vorgenommen. Zu diesen gehören die Wasserversorgung und die Abfallwirtschaft. Sie gehören für die Kommission in die Wettbewerbswirtschaft.

Eine weitere Unterscheidung wird herangezogen, um vorherrschend öffentliche Wirtschaftstätigkeiten für EU-Regelungen zugänglich zu machen, nämlich der fehlende oder vorhandene Erwerbszweck. Letzterer wird bei den meisten kommunalen Wirtschaftstätigkeiten die Regel sein, weil sie nicht nur nach reiner Kostendeckung kalkuliert werden, sondern auch einen Deckungsbeitrag für grundsätzlich zuschussbedürftige öffentliche Aufgaben erbringen sollen. Das weiß die Kommission und tendiert auch hier dazu, die historisch entwickelte und bewährte Sonderrolle der öffentlichen Wirtschaft zur Disposition zu stellen.

Ungeachtet des (unvermeidlichen) Zugeständnisses, dass die jeweilige Art der Leistungserbringung in der Entscheidungshoheit der Mitgliedsstaaten verbleiben muss, sorgt sich die Kommission um die „Vollendung des Binnenmarkts“ und drängt darauf, auch für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung die EU-Wettbewerbsregeln anzuwenden. Das heißt, den Zugang der Privatwirtschaft in die bislang noch relativ geschlossenen öffentlichen (Wasser-)Dienstleistungen zu erleichtern.

Dazu werden auch weitere Richtlinien und Erläuterungen einbezogen, auf die hier nicht näher eingegangen wird. Im Folgenden sind einige einschlägige Arbeitsgrundlagen des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission aufgeführt.

 


Europäisches Parlament:

Sitzung am 14.1.2004:

Entschließung zum
Grünbuch der Kommission zu
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
(KOM(2003)270-2003/2152(INI))

 


[Anmerkung: Die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sind im EU-Recht und in den Mitgliedsländern nicht einheitlich definiert. Sie sind z.T. mit hoheitlichen Aufgaben gleichzusetzen. Der Übergang zu den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ist fließend. Der deutsche Begriff der Daseinsvorsorge deckt auch solche Dienstleistungen ab, die von der EU-Kommission am liebsten zu solchen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse gerechnet würden, darunter Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Damit würden diese prinzipiell dem EU-Wettbewerbsrecht unterliegen.]

Wesentliche Aussagen:
[Hervorhebungen durch die Redaktion von WiB]

„Das Europäische Parlament…
18.
erinnert an den vorrangigen Charakter des Subsidiaritätsgrundsatzes, demzufolge die zuständigen Behörden des Mitgliedstaaten frei über die Aufgaben, die Organisation und den Finanzierungsmodus der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse entscheiden können;
betont, dass eine Richtlinie keine einheitliche europäische Definition von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse festlegen kann, da deren Definition und Aufbau auch weiterhin in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und deren verfassungsmäßige Untergliederungen fallen müssen; […]

35.
wünscht, dass zur Erfüllung des Subsidiaritätsprinzips für die lokalen und regionalen Körperschaften ein Recht auf Eigenproduktion der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse anerkannt wird unter der Voraussetzung, dass der unmittelbar tätige Betreiber den Wettbewerb nicht nach außerhalb des entsprechenden Gebiets trägt; […]

36.
wünscht ferner die Anerkennung weiterer Formen der Wahl von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse durch die öffentliche Hand, wie etwa Konzessionen und öffentlich-private Partnerschaften, verbunden mit gemeinsamen Grundsätzen für die Transparenz der Verträge, die Stabilität und die Dauer sowie die gerechte Risikoverteilung; […]

47.
lehnt ab, dass die Wasser- und Abfalldienste Gegenstand sektoraler Richtlinien des Binnenmarktes werden,
vertritt die Auffassung, dass angesichts der unterschiedlichen regionalen Merkmale dieses Sektors und der örtlichen Zuständigkeit für die Bereitstellung von Trinkwasser sowie verschiedener anderer Voraussetzungen in Bezug auf Trinkwasser keine Liberalisierung der Wasserversorgung (einschließlich der Abwasserbeseitigung) vorgenommen werden sollte; fordert jedoch, ohne einer Liberalisierung das Wort zu reden, eine „Modernisierung“, wobei wirtschaftliche Grundsätze mit Qualitäts- und Umweltstandards sowie mit der erforderlichen Effizienz im Einklang stehen müssen; […]“


Sitzung am 16. 2.2006

Abstimmung über
Dienstleistungsrichtlinie

 
Ausgenommen aus der zwischenstaatlichen Dienstleistungsfreiheit („freier Dienstleistungsverkehr“) sind hoheitliche Tätigkeiten, damit die Abwasserentsorgung, sowie die Wasserversorgung und Wasserverteilung. „Diese Richtlinie berührt nicht die Freiheit der Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht zu definieren, was sie unter Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse verstehen sowie festzulegen, wie diese Dienstleistungen erbracht und finanziert werden sollten, und welchen besonderen Verpflichtungen sie unterworfen sein sollen.“

Für bestimmte Dienste, auch die Wasserversorgung, können unter näher bestimmten Voraussetzungen von den Zielländern eigene Regelungen beschlossen werden.
[Anmerkung: Für ausgegliederte Teilleistungen, auch outgesourcte Tochterfirmen, würde dieser Grundsatz kaum anwendbar sein.]



Sitzung am 27.9.2006:

Entschließung zum
Weißbuch der Kommission zu
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
(2006/2101(INI))

 

Es bleibt nach dem Subsidiaritätsprinzip Aufgabe der Mitgliedsländer und Kommunen, die Leistungen der Daseinsvorsorge (Leistungen von allgemeinem Interesse) zu definieren. Dennoch bleibt weitgehend offen, welche Dienstleistungen das Parlament und die EU-Kommission dem Wettbewerb und den damit möglicherweise zu verbindenden EU-weiten Regeln aller Art zurechnen wollen. Die Kommission wird aufgefordert, diesbezüglich Klärungen herbeizuführen. Die bereits mehrfach getroffenen Aussagen gegen eine Liberalisierung von Kernbereichen der Daseinsvorsorge werden wiederholt.

Einige grundsätzliche Aussagen:

„Das Europäische Parlament…

6.
vertritt die Auffassung, dass die legitimen Erfordernisse des allgemeinen Interesses nicht als Vorwand für eine missbräuchliche Abschottung der Dienstleistungsmärkte gegenüber internationalen Dienstleistern dienen dürfen, die sich verpflichten, die legitimen Erfordernisse zu beachten und dazu in der Lage sind; […]

10.
fordert die Kommission auf, die Unterscheidung zwischen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zu klären, indem unter Berücksichtigung der einzelstaatlichen Traditionen der Mitgliedstaaten, basierend auf der Beschaffenheit der öffentlichen Güter und der staatlichen Finanzierung operationelle Kriterien entwickelt werden, oder aber auf der Grundlage von Solidaritätsmechanismen von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse; […]

22.
[…] betont allerdings, dass der Betrag des Ausgleichs weder den für die Erbringung der Dienstleistung notwendigen Betrag übersteigen darf noch verwendet werden darf, um Aktivitäten außerhalb des Rahmes der entsprechenden Dienstleistung zu finanzieren (Quersubventionen), […]

24.
[…] sollte die zuständige Behörde eine Dienstleistung von allgemeinem Interesse auslagern, hat eine Ausschreibung zu erfolgen; […]

25.
[…] stellt fest, dass dieser Grundsatz der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags jedoch die Möglichkeit offen lassen sollte, in dringenden Fällen einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag weiterzuvergeben;
fordert die Kommission auf, für diese Fälle zusammen mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament in den Vergaberichtlinien oder in Form einer Verordnung die einschlägigen Kriterien festzulegen;
bekräftigt in diesem Kontext, dass die lokalen Behörden in der Lage sein sollten, Dienstleistungsverpflichtungen direkt interkommunalen Unternehmen oder ähnlichen Formen gemeinsamer Organisationen oder Unternehmen, die sie besitzen oder kontrollieren, zuzuweisen, falls derartige Einrichtungen den wesentlichen Teil ihrer Tätigkeiten für die kontrollierende Behörde oder die kontrollierenden Behörden durchführen und nicht auf externen Märkten konkurrieren, sondern lediglich einen innerstaatlichen Organisationsakt erbringen, wobei eine Regelung gefunden werden muss, die eine Beteiligung Privater nicht von vornherein ausschließt; […]“



Arbeitsdokument vom 15.5.2006:

zum Grünbuch der Kommission zu
öffentlich-privaten Partnerschaften und den
gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für
öffentliche Aufträge und Konzessionen

 


Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz,
Berichterstatterin Barbara Weiler

Aus dem Vorspann zur Begrifflichkeit der ÖPP:

„Trotz der möglichen Vorteile, die die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor bringen kann, sollten ÖPP weder als ein Patentrezept zur Lösung von Haushaltproblemen des öffentlichen Sektors noch als das einzige Mittel zum Ausbau der öffentlichen Infrastruktur bzw. von öffentlichen Dienstleistungen dargestellt werden. Die langfristigen Bindungen sowie die häufig hohen Transaktionskosten [Anmerkung: z.B. für Vertragsgestaltung und Berater - HWK] sind in die Betrachtung einzubeziehen. In jedem Fall ist deshalb einzeln zu bewerten, ob eine ÖPP einen Zusatznutzen gegenüber anderen Instrumenten bringt, wie z.B. der klassischen Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder der Eigenerbringung.“ [Anmerkung: Eigenerbringung durch den öffentlichen Sektor - HWK]

Der Ausschussbericht referiert im Wesentlichen die Kommissionsberichte (siehe unten) und stellt einige Fragen zu Rechtsnatur der ÖPP-Aktivitäten und zum Regelungsbedarf. Insbesondere fragt er, ob im Bereich der Konzessionen eine gesetzliche Initiative durchgeführt werden soll, „die Definitionen und Grundprinzipien präzisiert“, so wie sie die Kommission für 2006 plane. Ebenso fragt der Ausschuss, wie die Kommission die Kriterien für Inhouse-Beziehungen interpretiere.

Viel weiter geht der Ausschuss für Wirtschaft und Währung mit dem bereits mehrfach hervorgetretenen Privatisierungsbefürworter Dr. Werner Langen in seiner Stellungnahme vom 23.6.2006 an den oben genannten federführenden Ausschuss.

Der Ausschuss unterstützt den Kommissions-Vorschlag, für die Vergabe von Konzessionen eine gesetzgeberische Regelung „anzustreben“, nachdem eine Folgenabschätzung [siehe weiter unten - HWK] vorgelegt wurde. Er möchte durch eine verlässliche, Risiken mindernde Einbindung von Privatkapital die Anreize für ÖPP stärken. Die vergabefreien ´“In-house-Geschäfte“ sollen eingeschränkt und Umgehungen des Vergaberechts durch gesellschaftsrechtliche Konstruktionen (von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen) unterbunden werden. Im Übrigen hält der Ausschuss nichts von der Re-Kommunalisierung bereits mit privater Beteiligung erledigter Aufgaben.

Konzessionen und Aufträge ohne Wettbewerb sollen nur dann möglich sein, wenn die Unternehmen der öffentlichen Hand „nahezu ausschließlich als verlängerter Arm der Dienststellen arbeiten, von ihrem öffentlichen Gesellschafter direkt gesteuert werden und ihre Tätigkeit sich auf die öffentliche und sachliche Zuständigkeit beschränkt“.

Schließlich hält es der Ausschuss für richtig, „dass öffentliche Dienststellen mit ihren Tochterunternehmen nur dann auf Wettbewerb verzichten dürfen, wenn sie ihre rein örtlichen Aufgaben ohne jeglichen Bezug zum europäischen Binnenmarkt wahrnehmen; befürwortet allerdings, dass In-House-Angelegenheiten, wenn sie von selbständigen Tochterunternehmen ausgeführt werden oder diese Drittgeschäfte machen, ausschreibungspflichtig sind.“

[Praktisch betrachtet, werden damit in der BRD wahrscheinlich über die Hälfte der größeren Aufträge und Konzessionsvergaben des öffentlichen Sektors ausschreibungspflichtig, von materiellen Privatisierungsschritten ganz zu schweigen - HWK].

Der BGW wendet sich übrigens gegen eine zu enge Auslegung des Inhouse-Begriffs mit dem Argument: „Künftig würden Privatisierungen zurückgedrängt und faktisch nur noch „formelle Privatisierungen“ praktiziert werden“. (Stellungnahme zu PPP vom 5.9.2006).

 


EU-Kommission:

Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften
und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften
füröffentliche Aufträge und Konzessionen

KOM(2004) endgültig vom 30.4.2004

 


Allgemein unterscheidet das Grünbuch zwei Formen von ÖPP:

  • Vertragliche Beziehung zwischen öffentlichem und privatem Sektor als öffentlicher Auftrag (dingliche oder Dienstleistung) oder als Konzession (nach Auftragsvergabe)

  • Institutionalisierte ÖPP (IÖPP) als Zusammenarbeit von öffentlichem und privatem Sektor innerhalb eines eigenständigen Rechtssubjekts, beispielsweise einer GmbH. Dies bedeutet in der Regel eine materielle Beteilung des privaten Sektors.

Im EU-Recht gibt es bislang keine gesonderten rechtlichen Regelungen für ÖPP.
Die bestehenden Richtlinien für „öffentliche Aufträge“ sollen nach Auffassung der Kommission möglichst allen ÖPP-Aufträgen und Konzessionen übergestülpt werden.
(Die Anwendbarkeit richtet sich u.a. wiederum danach, ob der Auftraggeber eine Wirtschaftstätigkeit, also eine auf Erwerb gerichtete, ausübt und dementsprechend den Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zugeordnet werden kann.)


Bericht Juni 2005:

Über Ergebnisse der 2004 gestarteten Konsultation
über PPP
im Gefolge des Grünbuchs (195 Beiträge).

 

(in Deutschland gehen PPP = public private partnership und ÖPP = öffentlich-private Partnerschaften durcheinander)

Eine Mehrheit habe sich für gesetzgeberische oder sonstige Maßnahmen im Bereich der Konzessionen ausgesprochen, die derzeit von den EU-Vergabevorschriften nicht erfasst würden. (Sie gelten, wenn ein öffentlicher Auftraggeber einen Dritten mit der Ausführung eines Auftrags betraut. Sie gelten nicht, wenn zwischen den beiden Partnern einer „institutionalisierten PPP“ eine so enge Beziehung besteht, dass der Dritte einer „Inhouse“-Stelle gleichzusetzen ist.)

Dazu mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofs, u.a. „Teckal“ , „Halle“, „Bari“, die auf eine deutliche Ausweitung der Ausschreibungspflicht zielen.
Im Internet unter http://europa.eu.int//comm/internal_market/ppp


Mitteilung 15.11.2005:

 

Nach Auswertung der Konsultation über PPP nunmehr im Jahre 2006 Folgenabschätzung für eine entsprechende Rechtsvorschrift durch Kommissionsdienststellen vor einer etwaigen gesetzgeberischen Initiative. Für den Bereich der „institutionellen PPPs“ wird kein legislativer Handlungsbedarf gesehen. Die Konsultation habe gezeigt, dass mehr Rechtssicherheit erwartet werde. Davon erhoffe man sich verringerte Transaktionskosten und mehr Wettbewerb. Zudem sei nicht einzusehen, warum Dienstleistungskonzessionen in sekundärrechtlichen EU-Regelungen nicht behandelt würden.

 


Zusammenstellung:
Hans-Werner Krüger
Stand 24.10.2006



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