aktualisiert:
16. August 2008

 

 

 

 

 

Volltextsuche:

 

 

 


 

  Recht und Unrecht  

WasserInBürgerhand!

ZfK, Juli 2008

 

Interkommunale Zusammenarbeit
Dem Privatisierungszwang trotzen

Reine Kooperationen bleiben auch künftig vom Vergaberecht verschont


Von Thomas Abel und Dr. Nicole Weiß, Verband kommunaler Unternehmen (VKU), Berlin


 

Kommunale Zusammenarbeit ist eine reine Organisationsentscheidung der beteiligten Kommunen und nicht etwa die Nachfrage von Leistungen am Markt. Das lediglich für eine solche Beschaffung am Markt geschaffene Vergaberecht findet daher auch keine Anwendung. Dies war lange Zeit Konsens und hat an Richtigkeit auch nichts eingebüßt. Trotzdem wird diese Grundaussage durch einzelne Gerichtsentscheidungen in Frage gestellt. Allerdings sind derzeit sowohl national als auch auf europäischer Ebene Entwicklungen absehbar, die eine kommunalfreundliche und staatsorganisatorisch richtige Behandlung der interkommunalen Zusammenarbeit erkennen lassen.

Auf europäischer Ebene sind im Vorlageverfahren in Sachen Coditel (Rs. C-324/07) beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) die darin gestellten Schlussanträge der Generalanwältin Prof. Verica Trstenjak vom 4. Juni aus kommunalwirtschaftlicher Sicht sehr positiv zu bewerten. Die Generalanwältin spricht sich insbesondere für eine (inter-) kommunalfreundliche Auslegung des sog. ersten Teckal-Kriteriums „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ aus: Das Kontrollkriterium sei dann grundsätzlich erfüllt, wenn ein Zusammenschluss ausschließlich aus Gemeinden und Gemeindeverbänden (bzw. öffentliche Körperschaften) – ohne jegliche Einbeziehung privaten Kapitals – bestehe. Eine andere Auslegung – so die Generalanwältin – würde eine interkommunale Kooperation für die Zukunft unmöglich machen, was in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden sowie in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten unangemessen eingreifen würde.

Die Generalanwältin stellt zu Recht auf die Besonderheiten der interkommunalen Zusammenarbeit als staatsinternen Akt ab und gewichtet die Besonderheiten dieser Form der Zusammenarbeit im Rahmen der Auslegung der Teckal-Kriterien richtig. Der Verweis und das Hervorheben der Bedeutung der interkommunalen Zusammenarbeit für die kommunale Selbstverwaltung und deren europäisch verankerter Schutz in der Charta der kommunalen Selbstverwaltung und des Vertrages von Lissabon ist besonders positiv zu würdigen und lässt hoffen, dass sich der Europäische Gerichtshof für seine zukünftige Rechtsprechung
hiervon leiten lässt.

Klarstellung in der GWB-Novelle

Auch national zeichnen sich positive Entwicklungen hinsichtlich der Behandlung von interkommunalen Kooperationen in vergaberechtlicher Sicht ab. So sieht der Gesetzesvorschlag der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts im Rahmen der Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eine Klarstellung zugunsten der interkommunalen Zusammenarbeit vor, indem diese als nicht vergaberechtsrelevant herausgestellt wird. Dies ge-schieht durch die neu gefasste Definition des „öffentlichen Auftrags“ in § 99 Abs. 1 GWB neuer Fassung. Mit dieser Neuregelung will die Bundesregierung festlegen, was jedenfalls nicht als öffentlicher Auftrag anzusehen ist. Ausweislich des Begründungstextes zum Gesetzentwurf sind dies u. a. vertikale Kooperationen zwischen staatlichen Stellen und damit auch die kommunale Zusammenarbeit.

Damit entspricht die Bundesregierung einer Forderung des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) und tritt der bisherigen Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte, die in unterschiedlichem Umfang die kommunale Zusammenarbeit als einen dem Vergaberecht unterworfenen Vorgang angesehen hatten, entgegen. Das Bundeskabinett hat am 21. Mai den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts beschlossen und in das weitere Gesetzgebungsverfahren eingespeist. Der Bundesrat befasste sich am 4. Juli mit dem Gesetzentwurf. Es ist damit zu rechnen, dass Beratung und Beschlussfassung im Bundestag im Oktober abgeschlossen sind.

Ebenfalls soll sich der Bundestag nach dem Willen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit einem Antrag zur „Sicherung der interkommunalen Zusammenarbeit“ (Drs. 16/9443) befassen, der am 4. Juni eingebracht worden war und im Laufe des Septembers zur Beratung stehen soll. Die Grünen stellen in ihrem Antrag zu Recht fest, dass durch die europäischen Entwicklungen und die Ausweitung des EG-Vergaberechts auch auf die bewährten Formen der interkommunalen Zusammenarbeit ein faktischer Privatisierungszwang bei Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge eintrete, der bislang durch den Bundestag entschieden abgelehnt worden sei. Gleichzeitig, so der Antrag weiter, obliege es der Verantwortung der Bundesländer, die rechtlichen Rahmenbedingungen ggf. so zu korrigieren, dass eine Beteiligung Privater an interkommunalen Kooperationen ausgeschlossen sei, um so eine einheitliche, EG-rechtskonforme und rechtssichere Lösung für die Kommunen zu erhalten. Aus denselben Gründen sei auch die in einigen Bundesländern getätigte Unterscheidung zwischen Mandatierung und Delegation abzuschaffen.

Insgesamt stellen diese Bestrebungen eine positive Entwicklung für die Interkommunale Zusammenarbeit dar. Es bleibt – wie immer – abzuwarten, wie sich der EuGH und die nationale Politik hierzu endgültig stellen.

 

EU-Kommission unerbittlich:
„Wettbewerb von Anfang an!“

 

Die EU-Kommission ist mitnichten ein Gegner der Einbindung von privatem Kapital in kommunale Unternehmen. Ganz im Gegenteil! Mit ihrer Klarstellung will die Kommission „mehr Rechtssicherheit“ schaffen „und insbesondere der immer wieder geäußerten Sorge entgegengetreten“, dass die Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf die Einbeziehung privater Partner „IÖPP unattraktiv oder sogar unmöglich“ mache (vgl. RUNDBR. 835/3).

Aber entsprechend ihrem absoluten Wettbewerbsdogma besteht die Kommission ultimativ darauf, dass das Engagement privater Firmen in Stadtwerken einer vorher gehenden Ausschreibung bedarf. Weil dies für die Stadt- und Wasserwerker offensichtlich schwer zu begreifen ist, konstatiert die EU-Kommission angesichts dieser Begriffsstutzigkeit „erheblichen Klärungsbedarf“. Deshalb erklärt die Kommission noch einmal ganz langsam zum Mitschreiben, unter welchen Wettbewerbsvoraussetzungen IÖPPs gebildet werden dürfen und wann Konzessionen an diese IÖPPs vergeben werden dürfen:

„Die Kommission versteht IÖPP als Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Beteiligten, bei der gemischtwirtschaftliche Unternehmen gegründet werden, die öffentliche Aufträge oder Konzessionen durchführen. Der private Beitrag zu einer IÖPP besteht – neben der Einbringung von Kapital oder anderer Vermögensgegenstände – in der aktiven Teilnahme an der Ausführung der Aufgabe, die dem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen übertragen wurde, und/oder in der Geschäftsführung der Gesellschaft. Demgegenüber stellt die reine Kapitalbeteiligung eines privaten Investors an einem öffentlichen Unternehmen keine IÖPP dar. Daher werden derartige Fälle von der vorliegenden Mitteilung nicht erfasst.“

Es kommt also darauf an, dass der private Partner im operativen Geschäft des Gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens mitmischt – wobei die Trennung zwischen »stiller Kapitalbeteiligung« und „aktiver Teilnahme“ des privaten Partners am operativen Geschäft etwas arg weltfremd erscheint.

 


Keine doppelte Ausschreibung!

Die Kommission wendet sich in ihrer Mitteilung gegen die Befürchtung, dass künftig „doppelte Ausschreibungen“ nötig werden könnten: Erstens für die Bildung einer IÖPP an sich und zweitens dann auch noch für die Vergabe einer Konzession an das öffentlich-private Gemeinschaftsunternehmen. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass dieser Ultrawettbewerb „nicht praktikabel“ wäre. Als gangbaren Weg schlägt die Kommission deshalb folgendes Verfahren vor:

„Ein möglicher Weg zur Gründung einer IÖPP, der nach Ansicht der Kommission mit den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts vereinbar ist und zugleich eine doppelte Ausschreibung verhindert, stellt sich folgendermaßen dar: Der private Partner der IÖPP wird durch ein Verfahren ausgewählt, dessen Gegenstand sowohl der öffentliche Auftrag oder die Konzession ist, der bzw. die dem zu gründenden gemischtwirtschaftlichen Unternehmen übertragen werden soll, wie auch der Beitrag des privaten Partners zur Abwicklung dieser Aufgaben und/oder zur Geschäftsführung des gemischtwirtschaftlichen Unternehmens. Die Auswahl des privaten Partners geht einher mit der Gründung der IÖPP und der Übertragung der jeweiligen wirtschaftlichen Aufgaben auf das gemischtwirtschaftliche Unternehmen.“

Mit der Bildung einer IÖPP wird also zugleich die Konzession verhökert. Der in einem Ausschreibungswettbewerb obsiegende private Partner kauft sich beispielsweise in das bislang rein kommunale Wasserversorgungsunternehmen ein - und die bisherige Konzession zur Wasserversorgung wird auf das neue Gemischtwirtschaftliche Unternehmen übertragen.


Glasklare Transparenz
im Ausschreibungswettbewerb
 

Nach Auffassung der EU-Kommission schließen die Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung im Wettbewerbsrecht „eine Verpflichtung zur Transparenz mit ein“. Eine transparente Ausschreibung zur Bildung von IÖPP-Unternehmen erfordere, dass „zugunsten potenzieller Bieter ein angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen“ sei, „der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet“. Diese Verpflichtung zur transparenten Aus-schreibung beinhaltet für die Kommission,

„dass der öffentliche Auftraggeber in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen über Folgendes grundsätzliche Informationen bekanntmacht:

  • die öffentlichen Aufträge und/oder Konzessionen, die an das zukünftige gemischtwirtschaftliche Unternehmen vergeben werden sollen,
  • den Gesellschaftsvertrag,
  • die Gesellschaftervereinbarung
  • sowie alle anderen Elemente, die einerseits die vertragliche Beziehung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem privaten Partner, und andererseits die vertragliche Beziehung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem zukünftigen gemischtwirtschaftlichen Unternehmen festlegen.“


EU lässt interkommunale Zusammenarbeit
weiter in der Schwebe
 

In seiner Pressemitteilung vom 18.2.08 zur IÖPP-Mitteilung der EU-Kommission bedauerte der VER-BAND KOMMUNALER UNTERNEHMEN (VKU), dass die EU-Kommission „selbst für Unternehmen mit einer nur geringen privaten Beteiligung“ weiterhin auf einer Ausschreibungspflicht beharre. Damit habe die Kommission keine „praxistaugliche Definition“ für die wettbewerbsfreie Vergabe von kommunale Aufträgen und Konzessionen an ppp-Unternehmen gefunden.

Der VKU fordert, dass sich die Kommission an ihren Zugeständnissen im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs hätte orientieren sollen. Bei teilprivatisierten Verkehrsunternehmen seien nämlich „praxistaugliche Regelungen gefunden worden“. Solange die Beteiligung Privater an einem Unternehmen sich in einem bestimmten Rahmen halte und das Unternehmen sich nicht außerhalb seines angestammten Gebietes am Wettbewerb beteilige, sei eine Ausschreibung nicht nötig. „Diese Regelung könnte für andere Bereiche Vorbildcharakter haben“, schreibt der VKU.

Der VKU stuft es ferner als „bedauerlich“ ein, „dass sich die Kommission in ihrer Mitteilung mit dem wichtigen Bereich der interkommunalen Kooperation überhaupt nicht befasst“ habe (s. RUNDBR. 837/1-3, 787/2). Die Zusammenarbeit mehrerer Kommunen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben sei nicht nur in Deutschland z.B. bei der Wasserver- und Abwasserentsorgung ein bewährtes Modell effizienter Aufgabenerfüllung, sondern werde auch von anderen EU-Mitgliedstaaten in erheblichem Umfang genutzt.

„Hier muss Rechtssicherheit durch die Feststellung geschaffen werden, dass die interkommunale Zusammenarbeit nicht unter das Vergaberecht fällt“,

so der VKU. Kommunale Zusammenarbeit sei ein reiner Organisationsakt der Kommunen und keine Nachfrage nach Leistungen am Markt. Wettbewerbsinteressen Dritter seien damit nicht berührt.

 

BDEW: „Existenz der Wasser-
unternehmen in Gefahr“
 

In seiner Pressemitteilung vom 21. Februar 2008 zur Kommissionsmitteilung schreibt der BUNDESVERBAND DER DEUTSCHEN ENERGIE- UND WASSERWIRTSCHAFT (BDEW) gegen „überzogene Ausschreibungspflichten“ an. Durch die obligate Ausschreibungsverpflichtung bei der Bildung von ppp-Gesellschaften würde der Gestaltungsspielraum kommunaler Unternehmen eingeschränkt. Mit den „überzogenen Ausschre-bungspflichten könnte die Existenz der Unternehmen der Wasserwirtschaft gefährdet“ werden. Besonders kritisch bewertet der BDEW, dass die neuen Vorgaben der Europäischen Kommission auch für schon bestehende ppp-Gesellschaften gelten sollen.

„Wenn die Ausschreibung bereits bei der Erweiterung des Aufgabengebietes eines Unternehmens Pflicht würde, wäre damit der unternehmerische Spielraum zu stark eingeengt. Das wäre ein Bremsklotz für die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen“,

warnt der BDEW. Angesichts des drohenden Niedergangs fordert der BDEW: „Die Bundesregierung sollte die teilweise stark überzogenen Vorgaben aus Brüssel nicht kritiklos akzeptieren.“


Ein bisschen Wettbewerb gibt es nicht
 

Inzwischen schwappt die Kritik an der „Wasserprivatisierung“ sogar schon ins Privatfernsehen. Nach dem Fiasko der neoliberalen Privatisierungsbefürworter und der Legitimitätskrise des Wettbewerbskapitalismus hat sich zumindest in Deutschland der Mainstream gegen die Privatisierung der kommunalen Daseinsfürsorge gedreht. Die Privatisierungslobbyisten haben die ideologische Bestimmungsmacht verloren.

Die führenden Funktionäre von VKU und BDEW favorisieren gleichwohl weiterhin das Modell einer Teilprivatisierung von Stadt- und Wasserwerken. Deshalb ihr Abstrampeln gegen den straighten Ausschreibungskurs der EU-Kommission bei der Teilprivatisierung von kommunalen Betrieben.

Im Gegensatz zur „Allianz öffentliche Wasserwirtschaft“, die sich bereits in ihrem Gründungsmanifest gegen „public privat partnerships“ gewandt hatte, wollen VKU- und BDEW-Funktionäre den Spielraum für die Bildung von ppp-Gesellschaften offen halten. Dies soll genauso wie die Übertragung der Konzessionen an die ppp-Gesellschaften ohne jegliche Verpflichtung zur transparenten Ausschreibung möglich bleiben.

Demgegenüber wird die EU-Kommission knallhart auf dem Ausschreibungswettbewerb beharren. Motto: Ein bisschen Wettbewerb geht nicht! Entweder – oder! Ihr müsst Euch entscheiden: Entweder bleibt Ihr rein kommunal – oder Ihr müsst Euch dem Wettbewerb in vollem Umfang stellen, wenn Ihr mit einem privaten Partner unter die Decke schlüpfen wollt (vgl. 877/3).

Die Wasserwerker könnten jetzt die Chance nutzen, die sich aus dem Zusammenbrechen der Privatisierungseuphorie einerseits und dem absoluten Wettbewerbsdogma der EU-Kommission andererseits ergibt – und für eine Rekommunalisierung der teilprivatisierten Wasser- und Abwasserbetriebe plädieren. Das hierfür erforderliche Geld könnte beispielsweise auch durch Bürgerfonds aufgebracht werden. Für eine Rekommunalisierung würde es derzeit öffentlichen Rückenwind geben.

Mit ihrem Eiertanz zum Erhalt eines ausschreibungslosen ppp-Modells verschenken die tradierten Funktionäre nicht nur eine Chance. Mit ihrem ppp-Wackelpuddingkurs machen VKU und BDEW die Forderung nach einem Erhalt der kommunalen Daseinsfürsorge in Brüssel obendrein auch noch unglaubwürdig.

-ng-

 

 
Zurück zur Startseite


  2005 by wd team stuttgart      xxl sicherheit