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Letzthin
haben wir von einer Grundstücksbesitzerin in
einer Reihenhaussiedlung in einer badenwürttembergischen Kommune
eine Anfrage bekommen, die wasserrechtlich vermutlich
auch einige LeserInnen des RUNDBR. interessieren könnte:
„Die
Stadt xyz hat uns vor einigen Wochen den Niederschlagsgebührenbescheid
zugeschickt, gegen den wir Widerspruch eingelegt
haben. Wir waren nämlich verwundert, überhaupt
was für die Einleitung von Niederschlagswasser zahlen zu
müssen, da bei uns alles versickert wird. Allerdings wird
es zur Versickerung in einen Graben geleitet,
der entlang unseres Grundstücks verläuft.
Nach
Abwassersatzung gehört dieser Graben zu
den Abwasserbeseitigungsanlagen der Stadt xyz,
obwohl der Graben gar keinen Anschluss an die
Kanalisation hat. Der Graben selber leitet kein
Wasser, sondern das Wasser steht dort nach dem
Regen und versickert. Da der Graben laut Satzung Teil der Abwasserbeseitigungsanlagen ist, müssen wir für die Einleitung zahlen, als ob wir
in die Kanalisation einleiten.
Ich
bin in meinem Grundglauben erschüttert,
dass die gesplittete Abwassergebühr
bei der Behandlung von Niederschlagswasser
Gerechtigkeit schafft. Wird da ein umweltpolitisches
Instrumentarium nicht völlig ad absurdum
geführt? Unser Widerspruch wurde natürlich
abgelehnt mit dem Hinweis, es bleibt uns
noch der Klageweg. Häh? Ich würde es erst
mal mit einem Brief an die Stadtverwaltung und alle Fraktionen versuchen.“
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Nachdem
wir uns bei Sachkundigen informiert haben, mussten
wir (leider) folgende Antwort formulieren:
In
den Kommunalabgabengesetzen (KAG) der Bundesländer gilt
zwar der Äquivalenzgrundsatz - dass
also einer Gebühr eine entsprechende Leistung (und
umgekehrt) gegenüberstehen muss. Gleichzeitig
gilt aber auch der Gleichheitsgrundsatz: Alle,
die in einer Entwässerungsgemeinschaft beheimatet
sind, müssen die gleichen Gebühren zahlen,
egal, ob sie dem Abwasserbetrieb besonders viel
oder wenig Aufwand bereiten (siehe § 13 (1)
KAG Ba.-Wü. im Kasten). Wer also beispielsweise in
einem Abwassersatzungsgebiet ganz weit weg von
der Kläranlage wohnt - und damit besonders lange
Kanalstränge benötigt und benutzt -, muss genau
so wenig bzw. viel bezahlen, wie ein Grundstücksinhaber, der
300 Meter vor der Kläranlage sitzt.
Gleiches
gilt für die Niederschlagswasserentsorgung. Egal,
ob man an einem aufwändigen
Mulden-Rigolen-System oder an einer technisch komplexen Regenwasserkanalisation
angeschlossen ist - oder ob man einfach
in einen preisgünstigen Graben einleitet, man muss in einem Satzungsgebiet (einer
„Einrichtung“) die gleiche Niederschlagswassergebühr pro
angeschlossenem Quadratmeter bezahlen (siehe § 17 (1) KAG
Ba.-Wü.). Eine Individualisierung der Gebühr ist in den Kommunalabgabengesetzen
nicht vorgesehen. Es gilt die Solidargemeinschaft, in
der jeder das Gleiche zahlen muss. In der
Gebührenkalkulation wird also der Gesamtaufwand
für die Niederschlagswasserentsorgung durch
die Zahl der angeschlossenen Quadratmeter geteilt,
wobei entsprechend dem Gleichheitsgrundsatz auf
individuelle Besonderheiten keine Rücksicht genommen
wird.
Diese
Praxis ist schon x-mal verwaltungsgerichtlich geprüft
und anerkannt worden. Klagen dürften
deshalb zwecklos sein. Hypothetisch angenommen:
Wenn die von Ihnen angedachten Schreiben
an die Stadtverwaltung und an die Gemeinderäte Erfolg
hätten und Ihre Gebühr individualisiert, also
erniedrigt oder ganz gestrichen würde, könnte
umgekehrt jemand kommen und mit aller Aussicht
auf Erfolg wegen einem Verstoß gegen den
Gleichheitsgrundsatz gegen die Stadt xyz klagen.
Was
theoretisch auch noch möglich wäre: Der Gemeinderat
könnte auf Grund Ihrer Intervention beschließen,
dass die Entwässerungssatzung den Graben
aus dem Geltungsbereich der Satzung ausnimmt. Wir
nehmen aber an, dass der Gemeinderat keinen
Anlass sehen wird, einen diesbezüglichen Beschluss
zu fassen, u.a. weil dann für die übrigen Anschlussnehmer
die Entwässerungsgebühr um 0,1 Cent
(oder so) pro Quadratmeter erhöht werden müsste.
Der
Niederschlagswassergebühr können Sie
nur entgehen, wenn Sie Ihr Dach begrünen und/oder
eine Versickerungsmulde auf Ihrem eigenen Grundstück
errichten. Das könnte aber schwieriger werden,
wenn demnächst die vorgesehene Neufassung
des baden-württembergischen Landeswassergesetzes (siehe
RUNDBR. 1013/2-4) beschlossen und Kraft
treten wird. In der Novelle soll nämlich
(paradoxerweise) der Anschluss- und Benutzungszwang
verschärft werden. Ihr Entwässerungsbetrieb könnte
dann im Extremfall sagen:
"Nix
da mit einer Versickerungsmulde auf dem eigenen Grundstück!
Sie müssen weiter in den Graben
einleiten - wegen Solidargemeinschaft usw.!"
Also
schnell den Spaten holen und gleich mit Graben anfangen ... ;-)
Niederschlagsentwässerungsanlagen
im Satzungsrecht
Im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz wird
die „einheitliche“ Gebührenerhebung
für eine Einrichtung im § 13
(1) geregelt:
(1) Die Gemeinden und die Landkreise
können für die
Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben.
Technisch getrennte Anlagen,
die der Erfüllung derselben Aufgabe dienen, bilden
eine Einrichtung, bei der Gebühren nach einheitlichen
Sätzen erhoben werden, sofern durch die
Satzung nichts anderes bestimmt ist; § 17
Abs. 1 Nr. 2 bleibt unberührt.
§ 17 widmet sich speziell den Abwasseranlagen,
zu denen auch die Niederschlagsentwässerungsanlagen zählen:
(1) Durch Satzung können zum Bestandteil
der öffentlichen Einrichtung
Abwasserbeseitigung bestimmt werden
1. für die Abwasserbeseitigung hergestellte
künstliche Gewässer,
auch wenn das eingeleitete Abwasser nur
dem natürlichen Wasserkreislauf überlassen wird, und
2. Anlagen zur Ableitung von Grund- und Drainagewasser, wenn
dadurch die öffentlichen Abwasseranlagen entlastet
werden.
Die Kommunalabgabengesetze der anderen
Bundesländer
enthalten identische Regelungen.
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