aktualisiert:
1. August 2013

 

 

 

 

 

 

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  Recht und Unrecht  


WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief Nr. 1016 vom 3.7.2013

Glaube erschüttert: Regenwassergebühr
für Einleitung in einen Graben?

 

 

Letzthin haben wir von einer Grundstücksbesitzerin in einer Reihenhaussiedlung in einer badenwürttembergischen Kommune eine Anfrage bekommen, die wasserrechtlich vermutlich auch einige LeserInnen des RUNDBR. interessieren könnte:

„Die Stadt xyz hat uns vor einigen Wochen den Niederschlagsgebührenbescheid zugeschickt, gegen den wir Widerspruch eingelegt haben. Wir waren nämlich verwundert, überhaupt was für die Einleitung von Niederschlagswasser zahlen zu
müssen, da bei uns alles versickert wird. Allerdings wird es zur Versickerung in einen Graben geleitet, der entlang unseres Grundstücks verläuft.

Nach Abwassersatzung gehört dieser Graben zu den Abwasserbeseitigungsanlagen der Stadt xyz, obwohl der Graben gar keinen Anschluss an die Kanalisation hat. Der Graben selber leitet kein Wasser, sondern das Wasser steht dort nach dem Regen und versickert. Da der Graben laut Satzung Teil der Abwasserbeseitigungsanlagen ist, müssen wir für die Einleitung zahlen, als ob wir in die Kanalisation einleiten.

Ich bin in meinem Grundglauben erschüttert, dass die gesplittete Abwassergebühr bei der Behandlung von Niederschlagswasser Gerechtigkeit schafft. Wird da ein umweltpolitisches Instrumentarium nicht völlig ad absurdum geführt? Unser Widerspruch wurde natürlich abgelehnt mit dem Hinweis, es bleibt uns noch der Klageweg. Häh? Ich würde es erst mal mit einem Brief an die Stadtverwaltung und alle Fraktionen versuchen.“

 

Gleichheitsgrundsatz: Keine
Individualisierung von Gebühren

 

Nachdem wir uns bei Sachkundigen informiert haben, mussten wir (leider) folgende Antwort formulieren:

In den Kommunalabgabengesetzen (KAG) der Bundesländer gilt zwar der Äquivalenzgrundsatz - dass also einer Gebühr eine entsprechende Leistung (und umgekehrt) gegenüberstehen muss. Gleichzeitig gilt aber auch der Gleichheitsgrundsatz: Alle, die in einer Entwässerungsgemeinschaft beheimatet sind, müssen die gleichen Gebühren zahlen, egal, ob sie dem Abwasserbetrieb besonders viel oder wenig Aufwand bereiten (siehe § 13 (1) KAG Ba.-Wü. im Kasten). Wer also beispielsweise in einem Abwassersatzungsgebiet ganz weit weg von der Kläranlage wohnt - und damit besonders lange Kanalstränge benötigt und benutzt -, muss genau so wenig bzw. viel bezahlen, wie ein Grundstücksinhaber, der 300 Meter vor der Kläranlage sitzt.

Gleiches gilt für die Niederschlagswasserentsorgung. Egal, ob man an einem aufwändigen Mulden-Rigolen-System oder an einer technisch komplexen Regenwasserkanalisation angeschlossen ist - oder ob man einfach in einen preisgünstigen Graben einleitet, man muss in einem Satzungsgebiet (einer
„Einrichtung“) die gleiche Niederschlagswassergebühr pro angeschlossenem Quadratmeter bezahlen (siehe § 17 (1) KAG Ba.-Wü.). Eine Individualisierung der Gebühr ist in den Kommunalabgabengesetzen nicht vorgesehen. Es gilt die Solidargemeinschaft, in der jeder das Gleiche zahlen muss. In der Gebührenkalkulation wird also der Gesamtaufwand für die Niederschlagswasserentsorgung durch die Zahl der angeschlossenen Quadratmeter geteilt, wobei entsprechend dem Gleichheitsgrundsatz auf individuelle Besonderheiten keine Rücksicht genommen wird.

Diese Praxis ist schon x-mal verwaltungsgerichtlich geprüft und anerkannt worden. Klagen dürften deshalb zwecklos sein. Hypothetisch angenommen: Wenn die von Ihnen angedachten Schreiben an die Stadtverwaltung und an die Gemeinderäte Erfolg hätten und Ihre Gebühr individualisiert, also erniedrigt oder ganz gestrichen würde, könnte umgekehrt jemand kommen und mit aller Aussicht auf Erfolg wegen einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gegen die Stadt xyz klagen.

Was theoretisch auch noch möglich wäre: Der Gemeinderat könnte auf Grund Ihrer Intervention beschließen, dass die Entwässerungssatzung den Graben aus dem Geltungsbereich der Satzung ausnimmt. Wir nehmen aber an, dass der Gemeinderat keinen Anlass sehen wird, einen diesbezüglichen Beschluss zu fassen, u.a. weil dann für die übrigen Anschlussnehmer die Entwässerungsgebühr um 0,1 Cent (oder so) pro Quadratmeter erhöht werden müsste.

Der Niederschlagswassergebühr können Sie nur entgehen, wenn Sie Ihr Dach begrünen und/oder eine Versickerungsmulde auf Ihrem eigenen Grundstück errichten. Das könnte aber schwieriger werden, wenn demnächst die vorgesehene Neufassung des baden-württembergischen Landeswassergesetzes (siehe RUNDBR. 1013/2-4) beschlossen und Kraft treten wird. In der Novelle soll nämlich (paradoxerweise) der Anschluss- und Benutzungszwang verschärft werden. Ihr Entwässerungsbetrieb könnte dann im Extremfall sagen:

"Nix da mit einer Versickerungsmulde auf dem eigenen Grundstück! Sie müssen weiter in den Graben einleiten - wegen Solidargemeinschaft usw.!"

Also schnell den Spaten holen und gleich mit Graben anfangen ... ;-)

 

Niederschlagsentwässerungsanlagen
im Satzungsrecht

Im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz wird die „einheitliche“ Gebührenerhebung für eine Einrichtung im § 13 (1) geregelt:

(1) Die Gemeinden und die Landkreise können für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Technisch getrennte Anlagen, die der Erfüllung derselben Aufgabe dienen, bilden eine Einrichtung, bei der Gebühren nach einheitlichen Sätzen erhoben werden, sofern durch die Satzung nichts anderes bestimmt ist; § 17 Abs. 1 Nr. 2 bleibt unberührt.

§ 17 widmet sich speziell den Abwasseranlagen, zu denen auch die Niederschlagsentwässerungsanlagen zählen:

(1) Durch Satzung können zum Bestandteil der öffentlichen Einrichtung Abwasserbeseitigung bestimmt werden
1. für die Abwasserbeseitigung hergestellte künstliche Gewässer, auch wenn das eingeleitete Abwasser nur dem natürlichen Wasserkreislauf überlassen wird, und
2. Anlagen zur Ableitung von Grund- und Drainagewasser, wenn dadurch die öffentlichen Abwasseranlagen entlastet werden.

Die Kommunalabgabengesetze der anderen Bundesländer
enthalten identische Regelungen.

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 



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