aktualisiert:
4. September 2005

 

 

 

 

 

 

Volltextsuche:

 

 

 


 

  Recht und Unrecht  


WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief Nr. 790 vom 14.3.2005

Gegen Geheimniskrämerei
privatisierter Kommunalbetriebe


 

Im Zuge der Privatisierungswelle sind in den letzten Jahren in vielen Städten und Gemeinden öffentliche Betriebe wie beispielsweise kommunale Wasserversorgungsunternehmen in Aktiengesellschaften (AG) oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) umgewandelt worden. Selbst wenn dabei alle Gesellschaftsanteile in kommunalem Besitz geblieben sind, hatten solche "Organisationsprivatisierungen" für wissbegierige BürgerInnen eine fatale Folge: Wichtige Entscheidungen wurden seither hinter verschlossenen Türen gefällt. Denn das Aktiengesetz und das GmbH-Gesetz schreiben vor, dass Aufsichtsratssitzungen stets nichtöffentlich sind, auch wenn es sich um städtische AGs oder GmbHs handelt. Zudem sind die Stadt- und Gemeinderäte, die in diesem Gremien die Interessen der Bürger wahrnehmen sollen, an die Geheimhaltungspflicht gebunden. Kritiker sprechen daher schon lange von einer für die Bürger unzumutbaren Mauschelei und Geheimpolitik. Damit könnte bald Schluss sein, denn das Verwaltungsgericht Regensburg hat im Februar 2005 als erstes Gericht die Transparenz der Entscheidungen für sichtiger als die bislang übliche Geheimniskrämerei erachtet

 

"Bürgerbeteiligung statt geheimer Rathauspolitik"

 

Anlass für den Urteilsspruch des Verwaltungsgerichts Regensburg war ein Bürgerbegehren, das die Ökologisch-Demokratische Partei (ödp) in Passau mit dem Titel "Bürgerbeteiligung statt geheimer Rathauspolitik" initiiert hatte. Hintergrund des Bürgerbegehrens war die Umwandlung der Passauer Stadtwerke in eine GmbH, deren einziger Gesellschafter die Stadt Passau ist. Zudem gibt es weitere hunderprozentige städtische Tochtergesellschaften für den sozialen Wohnungsbau, für die Verwertung städtischer Grundstücke und für kulturelle Veranstaltungen. Während früher für Entscheidungen in diesen Bereichen der Stadtrat zuständig war und es hierzu öffentliche Sitzungen gab, wurden nach der Umwandlung in GmbHs Aufsichtsräte gebildet, die geheim tagen. Dasselbe geschah in den letzten Jahren tausendfach in vielen großen und kleinen Städten und Gemeinden, denn GmbH-Gründungen bringen den finanziell klammen Kommunen steuerliche Vorteile. Der Preis dafür ist aber die fehlende Transparenz der Entscheidungen Hiergegen wandte sich in Passau das Bürgergeheren mit dem Ziel, die Öffentlichkeit der Stizungen herzustellen und die Gemeimhaltungspflicht für die Stadträte aufzuheben.

Verwaltungsgericht Regensburg: Transparenz statt Verschwiegenheit

 

Obwohl von der ödp für das Bürgerbegehren in Passau die notwendige Zahl von Unterschriften vorgelegt werden konnte, weigerte sich die Stadt, den als nächsten Schritt vorgeschriebenen Bürgerentscheid durchzuführen. Als Argument gab der von der CSU dominierte Stadtradt an, der Inhalt des Bürgerbegehrens verstoße gegen das GmbH-Gesetz, das als Bundesrecht zwingend von kommunalen GmbHs anzuwenden sei. Dies sah das von der ödp angerufene Verwaltungsgericht Regensburg ganz ander. Hierzu heißt es in der mündlichen Urteilsbegründung:

"Das Bürgerbegehren ist zuzulassen, weil es nicht auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet ist. Die Organe der kommunalen GmbH geben rechtlich zwar eigenes, faktisch aber das Geld der Bürger aus. Das übertriebene Abschotten der Aufsichtsratstätigkeit kann bei Bürgerinnen und Bürgern zu Mutmaßungen, Verdächtigungen und Argwohn führen. Bürger wollen beispielsweise wissen, wie die Gas-, Strom-, Wasser-, Bus- und Badpreise zustande kommen, warum eine Buslinie eingestellt wird, wie eine Freifläche entwickelt wird und wie hoch eine kommunale GmbH verschuldet ist. Geheimniskrämerei erzeugt Misstrauen. Demokratie erfordert Transparenz der Entscheidungen."

Die ödp bezeichnete in einer Presseerklärung das Urteil als "Meilenstein" mit weitreichender Bedeutung. Denn es gehe um die grundsätzliche Frage, wie weit die Politik privatisiert und der Kontrolle durch Bürger und Medien entzogen werden dürfe. Daher werde die ödp nun in zahlreichen Städten gleichlautende Anträge auf mehr Transparenz einbringen. Gerade weil die Problematik überall dieselbe ist und nicht auf einzelne Orte oder Regionen beschränkt bleibt, dürfte das noch nicht rechtskräftig gewordene Regensburger Urteil nicht das letzte Wort sein. Es ist anzunehmen, dass betroffene Stadtverwaltungen und Oberbürgermeister versuchen werden, eine höchstrichterliche Klärung herbeizuführen - nach einem Bericht in der JUNGEN WELT vom 7.2.2005, siehe http://www.jungewelt.de (Nach einem weiteren aktuellen Urteil, zu dem uns allerdings noch keine Details vorliegen, müssen Stadtwerke in öffentlichem Besitz die Einkünfte der Führungskräfte offen legen.


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 



  2005 by wd team stuttgart      xxl sicherheit