aktualisiert:
23. August 2013
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Recht
und Unrecht |
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasserrundbrief 23.7.2013
Verbot
der Wasserprivatisierung
in die österreichische Verfassung?
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Während
der erfolgreichen Kampagne der Europäischen
Bürgerinitiative „Wasser ist ein Menschenrecht“
(s. RUNDBR. 1014/ 4, 1009/4, 1007/1-2,
999/4, 994/1, 983/1) sind in Österreich und Deutschland
einige der Unterstützer der Kampagne auf die
Idee gekommen, die Privatisierung von Wasser- und
Abwasserdienstleistungen komplett zu verbieten.
In Österreich
wurde diese Debatte Ende Januar 2013
gar im Wiener Kabinett geführt. Dort regiert eine
große Koalition von SPÖ, die den Kanzler stellt, undösterreichischer
Volkspartei (ÖVP). Da das Jahr
2013 auch in Österreich als „Superwahljahr“ gilt,
hatte die SPÖ-Spitze versucht, mit einem Wasserprivatisierungsverbot
bei den Wählern zu punkten.
Staatssekretär Josef Ostermayer, der als rechte
Hand des SPÖ-Bundeskanzlers gilt, forderte Ende
Jan. 2013 beim SPÖ-Wahlkampfauftakt in Kärnten,
per Verfassungsbestimmung die "Privatisierung der
Trinkwasserversorgung zu verbieten". Bei der ÖVP
stieß der Vorschlag, der kurz darauf auch im Ministerrat
diskutiert worden war, auf wenig Gegenliebe.ÖVP-Vizekanzler
Michael Spindelegger sprach von"völligem Unsinn".
Gleichwohl gab er Bereitschaft zu
erkennen, für eine Art Staatszielbestimmung in der
Verfassung plädieren zu können. Darin könne man
festschreiben, dass "Wasser ein öffentliches Gut
ist". Auch die Wasserversorgung als "Aufgabenstellung
der öffentlichen Hand" könne definiert werden.
Gleichzeitig versuchte der Vizekanzler zu beruhigen:
Die EU könnte auf Grund des Einstimmigkeitsprinzips
gar keinen Privatisierungsauftrag ohne Österreichs
Stimme beschließen.
Im
Wiener Bundesparlament
bekam die Debatte über die Aufnahme eines„Wasserprivatisierungsverbotes“ zusätzlichen
Drive,
weil zeitgleich auch über ein Verbot für kommunale
Spekulationsgeschäfte debattiert wurde. Ähnlich wie
in Deutschland waren auch zahlreiche österreichische
Kommunen, Stadt- und Wasserwerke auf
Zinswetten (Swaps, s. RUNDBR. 969/2, 919/4) großer
Banken hereingefallen. In Salzburg und Linz
muss deshalb mit Millionenverlusten gerechnet werden.
Sensibilisiert
durch derartige Reinfälle waren
sich alle Fraktionen darüber einig, dass man direkt
in der Verfassung oder als Staatszielbestimmung
gewährleisten müsse, dass die Wasserversorgung
nicht in private Hände falle. Wegen dem „Superwahljahr“
wurden konkrete Schritte hierzu aber bislang
nicht in Angriff genommen. Zumal Verfassungsrechtler
in den österreichischen Medien kund
taten, dass ein in der Verfassung verankertes „Wasserprivatisierungsverbot“
de facto gar nichts bringen
würde. Sollte die EU tatsächlich auf eine Privatisierung
der Wasserversorgung hinsteuern, würde nämlich
europäisches Recht österreichisches Recht brechen.
Ein Verbot in der Verfassung oder eine entsprechende
Staatszielbestimmung könne allenfalls
als ein politisches Signal gegenüber Brüssel verstanden
werden.
„Wasserprivatisierungsverbot“
in den Niederlanden
Bei
unserem holländischen Nachbar war schon im
Jahr 2000 die Privatisierung der Wasserversorger
gesetzlich verboten worden – allerdings um den
Preis einer „Konsolidierung“: Die ehemals vorhandene
Vielzahl von kommunalen Wasserversorgern
wurde zu einem Dutzend regionaler Großwasserwerke
eingedampft. Die regionalen Wasserversorgungsunternehmen
sind als Aktiengesellschaften
organisiert. Das Aktienkapital liegt in den Händen
der jeweiligen Kommunen und Provinzen. Von Interesse
ist, dass sich die regionalen Wasserversorger
bei der Belieferung von Großkunden Konkurrenz
machen dürfen („Wettbewerb im Markt“).
Siehe
u.a.
in der auch im Internet herunterladbaren Publikation„Zur
Diskussion um einen neuen Ordnungsrahmen
in der niederländischen Wasserwirtschaft“
von Dr. ULRICH SCHEELE, Oldenburg, Juli 2001, 2.überarbeitete
Fassung.
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Die
SPD und das
„Wasserprivatisierungsverbot“
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Um
ihrem Motto „Politik von unten“ gerecht zu werden,
hatte die SPD für den 2. März 2013 zu einem„Bürgerkonvent“ eingeladen,
auf dem SPDMitglieder
als auch Nichtmitglieder Vorschläge für
das SPD-Wahlprogramm einbringen konnten.
Vor
dem Hintergrund der damals auf Hochtouren laufenden
Kampagne gegen die geplante EUDienstleistungsrichtlinie
stand auf dem Bürgerkonvent
ganz vorn die Bürgerforderung nach einem
Verbot der Privatisierung der Trinkwasserversorgung.
Im „SPD-Regierungsprogramm 2013 –
2017“ ist davon nur noch ein weichgespülter
Passus übrig geblieben, der alle Varianten offen lässt:
„Wir
unterstützen eine aktive Rolle der Kommunen
im Rahmen ihrer Verantwortung für die Daseinsvorsorge – sei
es durch eigene Unternehmen
oder eine aktivere Steuerung: zum Beispiel
bei der Wasserversorgung, aber auch im öffentlichen
Personennahverkehr. Wir werden uns dafür
einsetzen, dass der bundes- und EU-rechtliche
Rahmen den Kommunen diesen Gestaltungsspielraum
lässt. Im Gegensatz zur Regierung
Merkel wird sich eine SPD-geführte Bundesregierung
in Brüssel und bei anderen EU-Partnern dafür
einsetzen, dass insbesondere die Wasserversorgung
aus der Konzessionsrichtlinie ausgenommen
wird. Das sichert das hohe deutsche
Versorgungsniveau.“
Der
von der SPD beschworene „Gestaltungsspielraum
der Kommunen“ beinhaltet auch, dass die
Kommunen die Wasserversorgung weiterhin auch in
private Hände legen können. Ziemlich weit hinten im
Programm wird auf S. 106 dieser Einerseits-Andererseits-Kurs
noch ein Mal aufgegriffen: Die
SPD bekenne sich zum Ziel einer „Stärkung der öffentlichen
Daseinsvorsorge“. Deshalb wende man
sich gegen Ansätze der EU-Kommission zu einer
Zwangsprivatisierung. Gleichzeitig sollen die Privatisierungsoptionen
nicht eingeschränkt werden:
„Wir
wollen – auch auf europäischer Ebene – sicherstellen,
dass Kommunen selber entscheiden
können, wie sie ihre öffentlichen Aufgaben erbringen."
Von
der Diskussion in der österreichischen SPÖ,
dem Verbot einer Privatisierung von Wasserdienstleistungen
einen Verfassungsrang einzuräumen,
ist die deutsche SPD also noch weit entfernt.
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Verbot
der „Wasserprivatisierung“
in‘s Grundgesetz? |
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Von
der SPD-Spitze ist entsprechend der vorstehenden
Notiz für die Aufnahme eines Verbotes der
Privatisierung der Trinkwasserversorgung in das Grundgesetz eher
wenig Unterstützung zu erwarten.
Genau zu
einer Implementierung eines solchen
Verbotes in das Grundgesetz stellt derzeit die Allianzöffentliche
Wasserwirtschaft (AöW) erste Überlegungen
an. Im Mittelpunkt dieser Erörterungen
steht die Frage:
„Wie
könnte das Menschenrecht auf
Zugang zu
sauberem Wasser und sanitäre Grundversorgung
und die Wasserwirtschaft in der Verfassung verankert
und vor Privatisierung geschützt werden?“
Anknüpfungspunkt
im Grundgesetz könnte der Abschnitt
I über die Grundrechte sein. Dort heißt es in
Art. 1 Abs. 2 GG:
„Das
Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen
und unveräußerlichen Menschenrechten
als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft,
des Friedens und der Gerechtigkeit in der
Welt.“
Dieser
Absatz könnte um folgenden Satz ergänzt
werden:
„Der
Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer
Grundversorgung als Menschenrecht ist darin
eingeschlossen.“
Ein weiterer
Anknüpfungspunkt ergibt sich aus Abschnitt
II. Dort heißt in Art. 20a GG:
„Der
Staat schützt auch in Verantwortung für die
künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen
und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen
Ordnung durch die Gesetzgebung
und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch
die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“
Dieser
Artikel könnte nach ersten AöW-Überlegungen
durch zwei Sätze ergänzt werden - beispielsweise:
„Unter
den natürlichen Lebensgrundlagen haben
Wasser und der Wasserkreislauf eine herausragende
Bedeutung. Die Verwirklichung des in Art.
1 Abs. 1 Satz genannten Rechts ist eine unveräußerlicheöffentliche
Aufgabe.“
Ferner
schlägt die AöW vor, dass das Menschenrecht
auf Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer
Grundversorgung durch Änderungen in den von
den Bundesländern erlassenen Gemeindeordnungen
(Zweckverbandsgesetzen) und den Landeswassergesetzen
zu flankieren. Dort könnte die Wasserversorgung
als unveräußerliche öffentliche kommunale Aufgabe
festschrieben werden – wobei sich
die Gemeinden auch zu Zweckverbänden zusammenschließen
können.
Zudem wäre eine Frist anzusetzen,
in der bereits privatisierte oder teilprivatisierte
Wasserversorger rekommunalisiert werden müssen.
Hier wird derzeit eine Frist von fünf Jahren diskutiert.
Für die Rückübertragung der Infrastruktur
und der Anlagen sollten die Buchwerte im Zeitpunkt
der Rückübertragung gelten. Alternativ könnte
eine
Festschreibung des Grundsatzes „Öffentlich vor Privat“
erfolgen.
Der Verkauf
von gebührenfinanzierter
Infrastruktur, die Vergabe von Wasserversorgungskonzessionen
und die Beauftragung von privaten
Unternehmen mit der Betriebsführung bei der Wasserversorgung
und der Abwasserbeseitigung kann
nur durch einen entsprechenden Bürgerentscheid
legitimiert werden. In dem Fall müsse ergänzend
gelten, dass ein Weiterverkaufs an Dritte nicht zulässig
wäre. Außerdem müsse eine Rückgabeverpflichtung
an die Kommune nach einem Zeitraum
von zwanzig Jahren gelten.
Weitere
Auskunft zu den
ersten Überlegungen, wie man ein „Wasserprivatisierungsverbot“
in das Grundgesetz einarbeiten
könnte, gibt es bei
Frau Christa
Hecht
Geschäftsführerin der Allianz öffentliche
Wasserwirtschaft (AöW)
Reinhardtstr. 18a
10117 B e r l i n
Tel.: 030 39 74 36 - 19
Fax: 030 39 74 36 - 83
E-Mail: hecht@aoew.de
Internet: www.aoew.de
Newsletter
der Allianz
öffentliche Wasserwirtschaft
Informationen
rund um Privatisierung und Rekommunalisierung
von Wasser- und Abwasserdienstleistungen
präsentiert die Allianz öffentliche Wasserwirtschaft
in einem unregelmäßig erscheinenden
Newsletter. Wer sich für eine Wasserwirtschaft in öffentlicher
Hand engagiert, findet in jeder Ausgabe
des digitalen Newsletters wertvolle Infos und Anregungen.
Multiplikatoren, die gegen den Wasserkommerz
aktiv sind, können den AöW-Newsletter
unter obiger E-Mail-Adresse kostenlos abonnieren.
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Schweizerische
Volksinitiative Pro
Service public: „Service vor Profit!“ |
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Über
120.000 Schweizerinnen und Schweizer haben
mit Ihrer Unterschrift eine Volksinitiative gegen die
zunehmende Profitorientierung der Bahn, der Post
und von Swisscom lanciert. Unter der Slogan „Pro
Service public“ wollen die Initiatoren der Volksinitiative
erreichen, dass Bahn, Post und Swisscom wieder
kundenorientiert statt profitorientiert arbeiten.
Die drei Unternehmen führen jährlich Milliarden
Franken an die die Bundeskasse ab und expandieren
ins Ausland - während in der Schweiz selbst der
Service der Unternehmen trotz kontinuierlich steigender
Preise immer schlechter wird. Das meinen
zumindest die vier Konsumentenzeitschriften in der
Schweiz, die gemeinsam die eidgenössische Volksinitiative
gestartet haben.
Das Ziel
der Initiative: Die
public-service-Unternehmen sollen künftig nicht
mehr renditeorientiert betrieben werden (siehe
Kasten). Bestes Dienstleistungsangebot und
beste Kundenorientierung sollen (wieder) Hauptzweck
der Unternehmensführung werden. Zudem
sollen die exorbitanten Gehälter der Unternehmensbosse
in den Teppichetagen von Bahn, Post und
Swisscom zurückgeschnitten werden. Denn es sei
nicht plausibel, dass beispielsweise der Chef der
Schweizerischen Bundesbahn (SBB) das Doppelte
wie die Bundesverkehrsministerin in Bern, Bundesrätin
DORIS LEUTHARD, verdiene.
„Die
Manager sind
einseitig gewinn-, weil bonusorientiert – der Kundenservice
interessiert sie weniger“,
heißt
es in einem
Gastkommentar der Initiative in der NZZ vom
13.06.13. Nach dem erfolgreichen Start der Initiative
muss sich der Schweizer Bundesrat (die eidgenössische
Bundesregierung) zunächst zu dieser Initiative
positionieren - entweder, in dem der Bundesrat
bis zum Mai 2014 die Initiative annimmt, komplett
ablehnt oder eine modifizierte Initiative formuliert. Bei
Ablehnung oder Modifikation kommt die Initiative„vor’s
Volk“ – soll heißen, dass
dann die Schweizer
Stimmbürger über Initiative und Gegeninitiative abstimmen
werden.
Mehr über
die Initiative ist nachzulesen auf:
www.proservicepublic.ch
„Service
public zu fairen Preisen“ …
… ist
Motto der eidgenössischen Volksinitiative „Pro
Service Public“. In ihrem Gastkommentar in der NZZ
fasst die Initiative ihr Anliegen mit dem Slogan „Service
vor Profit“ zusammen:
„Im
Bereich der Grundversorgung soll der Bund
nicht in erster Linie einen möglichst hohen Gewinn
anstreben, sondern einen guten Service bieten. Mit
seinen Unternehmen soll der Bund zudem nicht
mehr andere Verwaltungsbereiche finanzieren dürfen.
Künftig müsste der Bund die erwirtschafteten
Gewinne in den einzelnen Unternehmen belassen
und dürfte mit Service-public-Betrieben keine fiskalischen
Interessen mehr verfolgen.
Wichtig:
Die Initiative
erlaubt weiterhin die Querfinanzierung von
Diensten innerhalb der Bahn oder der Post. Die Milliardengewinne
von Swisscom und Post dürften aber
nicht in die Bundeskasse fließen und dort beispielsweise
Armee und Landwirtschaft mitfinanzieren.
Post, Swisscom usw. sollen die Leistungen grundsätzlich
zum Selbstkostenpreis anbieten.“
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Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
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