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22. März 2006

 

 

 

 

 

 

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  Recht und Unrecht  


WasserInBürgerhand!

 

Auszüge aus dem BBU-Wasser-Rundbrief
Nr. 769 vom 1. August 2004

Disput um die „Weltwassernorm“

 
Auf Initiative und mit finanzieller Förderung durch die beiden großen französischen Wasserriesen VEOLIA und SUEZ hat sich die Internationale Standardisierungs-Organisation (ISO) daran gemacht, drei wegweisende Normen für die Kundenorientierung sowie für die guten Managementpraktiken in Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsunternehmen auszuarbeiten (s. RUNDBR. 737/3, 666 und 661). Titel des Kundenservicenorm-Entwurfes: „Services activities relating to drinking water supply and sewerage – Guidelines for the service to users.” Im Technischen Komitee 224 (TC 224) der ISO sind die Arbeiten mittlerweile so weit gediehen, dass auf der nächsten TC 224-Sitzung im Herbst im Rabatt die vorliegenden Entwürfe in die Abstimmungsverfahren gegeben werden können. Die drei Normen sind so aufgebaut, dass allen drei Normen zunächst ein gemeinsames Vorwort und ein gemeinsamer Definitionsteil vorgeschaltet sind. Die drei Normen könnten von weit reichender Bedeutung auch für die hiesige Wasserwirtschaft werden - insbesondere wenn über die Normen quasi durch die Hintertür ein „Zwangsbenchmarking“ für die deutschen Wasser- und Abwasserbetriebe eingeführt würde (s. 666/2-3). Diese Befürchtung der deutschen Wasserwirtschaft hat dazu geführt, dass die deutschen Delegierten im TC 224 die weiteren Entwicklungen mit größtem Misstrauen begegnen. Die deutschen Delegierten stimmen sich im DIN-„Normausschuss Wasserwesen“ (NAW) im „TC 224-Spiegelgremium“ NAW IV/V „Dienstleistungen im Bereich Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung“ (DIWA) über ihr jeweiliges Abstimmungsverhalten mit weiteren Vertretern der deutschen Wasserwirtschaft (ATV-DVWK, DVGW, RUHRVERBAND, EMSCHERGENOSSENSCHAFT, RHEINENERGIE ...) ab. Als Umweltquotenmann ist im TC 224-Spiegelgremium auch ein Mitarbeiter des Ak Wasser im BBU vertreten. Auf der letzten DIWA-Sitzung ist es zu einigen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertretern der deutschen Wasserwirtschaft und dem Umweltverbandsvertreter gekommen. Der Disput dreht sich insbesondere um die Frage, inwieweit im gemeinsamen Vorwort der drei Normen auch „politische“ Aussagen enthalten sein dürfen. Mehr dazu in den nachfolgenden Notizen ...

Darf eine technische Norm „politisch“ sein?
 


In der Einleitung der drei Normentwürfe wird zunächst Bezug auf den Beschluss der Vereinten Nationen von 2002 genommen, nach dem Wasser ein unabdingbares Menschenrecht („an essential human right“) einzustufen ist. Ferner heißt es in der Einleitung, dass ein adäquates Management in der Trinkwasserver- und in der Abwasserentsorgung ein essentieller Bestandteil eines auf Nachhaltigkeit ausgerichteten ganzheitlichen Managements der Wasserressourcen („an essential element of the integrated management of the water resources“) darstellt. Eine nachhaltige Wasserwirtschaft trage zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaften bei. Außerdem wird darauf abgehoben, dass ein gutes Wassermanagement ein Augenmerk auf Transparenz auch gegenüber den Kunden und den gesellschaftlichen Akteuren legen müsse. Interessierte Kreise müssten in das Wassermanagement einbezogen werden müssten - siehe das Zitat im nachstehenden Kasten. Ein so verstandenes Wassermanagement könne einen Beitrag zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung leisten. Genau diese von uns unterstützten Passagen sind aber im deutschen DIN-„Spiegelgremium“ zum TC 224 auf Widerstand gestoßen. Die im deutschen Spiegelgremium vertretenen Delegierten der deutschen Wasserwirtschaft erachten diese Passagen als zu politisch - und: „Politik hat in einer technischen Norm nichts zu suchen!“ Ferner seien diese Passagen in ihrer Allgemeinheit so platt, dass man in der Praxis eh nichts damit anfangen könne. Wir erachten allerdings diese Passagen als Grundlage, um in den drei Normen tatsächlich Prinzipien für Transparenz und Bürgerbeteiligung in der Wasserwirtschaft zu verankern.


Mehr Transparenz in der Wasserwirtschaft

In der gemeinsamen Einführung für die drei Normentwürfe heißt es u.a.:

Because water is considered both an "economic" and "social" good, the management of water services should be transparent and inclusive to stakeholders, which should be involved in both setting water management objectives and assessing the adequacy and efficiency of service delivery. The stakeholders involved in water services include among others: users, national and/or regional and/or local public authorities charged with the regulation and oversight of the water services, public or private operators of the water services, non governmental organizations (NGOs), research organisations, laboratories and special interest groups.


Dürfen private Konzerne künftig die Wasserwirtschaftspolitik bestimmen?
 


Der gemeinsamen Einleitung zu den drei Normentwürfen folgt jeweils einen ellenlange Auflistung von Definitionen im Zusammenhang mit der Wasserver- und Abwasserentsorgung. Dabei erscheint es uns als kritisch, dass unter Ziffer 3.38 als verantwortliche Körperschaft („responsible body“) für die Wasserver- und Abwasserentsorgung, in einer Anmerkung 1 definiert wird, dass eine verantwortliche Körperschaft eine öffentliche oder private Institution sein könne (siehe nachfolgenden Kasten). Wir fordern die Streichung dieser Anmerkung, weil unseres Erachtens ein private Institution (beispielsweise VEOLIA oder auch ein Stadtwerkekonzern) niemals die gesetzliche Verantwortlichkeit („legal responsibility“) für die (kommunale) Wasserwirtschaft übernehmen kann. Man stelle sich vor, dass RWE WATER oder SUEZ mit der Festsetzung der Wasserwirtschaftspolitik („establishing the policy“) beauftragt würden!


3.38

responsible body
legal service provider
body that has the legal responsibility of establishing the policy and the general organization of the drinking water and/or waste water service, for a given geographic area
NOTE 1 The responsible body can be public or private.
NOTE 2 The responsible body may operate directly the system with its own means or entrust a contractor for the operation.
EXAMPLES A regional or local government, a city, a public agency.



Bürger- und Kundenbeteiligung in der Wasserwirtschaft

 


Als positiv stufen wir in den Normentwürfen ein, dass sie auch Beteiligungsrechte für die Bürger und Kunden beinhaltet, die in der deutschen Wasserwirtschaft bislang eher unbekannt sind (siehe nachfolgenden Kasten). Gefordert wird u.a. ein transparenter Beteiligungsprozess im Hinblick auf die Preisgestaltung, die Standards sowie bei der Fortschreibung des Versorgungs- und Entsorgungsnetzes.


5 Users’ needs and expectations
(...)
5.5 Relationship with the service
(...)
5.5.7 Availability of service information
The user expects that all information regarding public aspects of the service, according to local conditions,including the designation of responsibilities, is issued by the service provider and relevant authorities in an open and transparent manner.

5.5.8 Community outreach

The user expects the service provider to proactively provide information regarding the system through community outreach efforts.

5.5.9 Participation of the users

The user expects that participation is encouraged and enabled by a transparent participatory process and the right to put forward the users’ interest in such matters as prices, standards and network development.
(…)

7.5 Relationship with users

(…)

7.5.6 Availability of service information

Guidance: The service provider and the responsible body should openly and transparently provide the users with general information including public aspects of the service and the designation of responsibilities according to local conditions. This information should be providedin a manner to make the greatest impact on the greatest number of users.
Comment: Users may request the service provider or relevant authority to disclose information.
There are some cases that information disclosure is controlled by law. However, when possible,service providers and relevant authorities should disclose information actively when requestedto do so.

7.5.7 Community outreach

Guideline: The service provider should participate in local community activities, whenever these are in touch with the service items. This participation can lead to a good relationship with thelocal community by providing information actively. This detail becomes crucial especially when itis essential to get good cooperation of community and volunteer activity in the case ofemergency.

7.5.8 Participation of the users

Guidance: The service provider and/or responsible body should encourage and promote
participation by users which can take several forms. Examples are:

  • Ongoing consultation through standing user committees which may monitor customer
    complaints and standards of service;
  • Participation in dispute resolution for individual cases
  • Consultation at critical decision points such as new programmes to extend networks, setting

prices for a new period, consideration of content of new operator contracts. Consultation can take place between users and service providers or between users and responsible bodies, or both, either jointly or separately.


Weitergehende Informationsrechte erforderlich!
 


Entsprechend der (umstrittenen) Vorgaben in der Einleitung der drei Normen (Transparenz und Bürgerbeteiligung in der Wasserwirtschaft) und in Anlehnung an den „Partizipationsartikel“ 14 in der EG-Wasserrahmenrichtlinie schlagen wir vor, dass die Informationsrechte noch weiter ausgestaltet werden müssen! Vor allem wäre es unseres Erachtens erforderlich, dass die Kunden und Bürger vor einem Besitz- und Organisationswechsel mit ausreichendem Zeitverlauf über derart bevorstehende Entscheidungen informiert werden müssen. Da die Wasserversorgung zu einem Kernbestandteil der (kommunalen) Daseinsvorsorge gehört, müssen in den drei Normen die Informationsrechte so ausgestaltet werden, dass beispielsweise vor einer (auch nur teilweisen) Privatisierung eines Wasserver- oder Abwasserentsorgungsunternehmens (Besitzerwechsel) oder beispielsweise vor der Umwandlung eines Eigenbetriebes in eine GmbH (Organisationswechsel) eine ausgiebige gesellschaftliche Debatte stattfinden kann. Wir schlagen deshalb vor, dass in das Kapitel „Kundenbeziehungen“ („Relationship with users“) folgender Passus aufgenommen wird:

„Vor der Entscheidung über einen Besitzer- oder Organisationswechsel sind die Kunden und die Öffentlichkeit umfassend über die Chancen und Risiken der beabsichtigten Veränderungen sowie über deren Auswirkungen auf Versorgungssicherheit, Substanzerhaltung, Nachhaltigkeit, Preisgestaltung, Beschäftigungsverhältnisse im Unternehmen und Ökologie zu unterrichten. Die Information der Öffentlichkeit hat so zeitgerecht zu erfolgen, dass den interessierten Kreisen genügend Zeit für eine eingehende Debatte zur Verfügung steht. Vor der Befassung in den Entscheidungsgremien ist den interessierten Kreisen die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen der interessierten Kreise sind zu veröffentlichen.“

 

Wer unsere Anmerkungen und Vorschläge für unterstützungswert hält, kann sich wenden an:

DIN Deutsches Institut für Normung e.V.
Normenausschuss Wasserwesen (NAW)
NAW IV/V "Dienstleistungen im Bereich Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung ISO/TC 224"
- z. Hd. Frau Dipl.-Ing. Jeannette Bernard
Burggrafenstr. 6
10787 Berlin
E-Mail: jeannette.bernard@din.de


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 



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