aktualisiert:
16. Juni 2006
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Recht
und Unrecht |
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WasserInBürgerhand!
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Auszüge
aus dem BBU-Wasser-Rundbrief
Nr. 825 vom 19. Mai 2006
Drei „Weltwassernormen“ mit
politischer Sprengkraft
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Die
in den RUNDBR. 783/1-2, 769/2-3, 737/3, 666 und 661) angesprochene
Normierung der guten Managementpraktiken sowie der
Kundenorientierung in Wasser- und Abwasserbetrieben ist
in das Stadium der „weltweiten“ Öffentlichkeitsbeteiligung
vorgerückt: Im Technischen Komitee TC 224 der Internationalen
Standardisierungsorganisation (ISO) haben sich die nationalen
Delegationen nach teilweise heftigen Auseinandersetzungen bei
der Formulierung darauf geeinigt, die drei Normentwürfe
in den Teil des Anhörungsprozesses zu geben, in dem es
jeder Person frei steht, Einwendungen zu formulieren. Da es
sich bei den drei Normentwürfen nicht um eine übliche „Maschinennorm“ handelt
(die Schraube x hat soundso dick zu sein), sondern um politische
Normen (s. 769/1), war ein Hauen und Stechen zwischen den nationalen
Delegationen in den Arbeitsgruppen des ISO-TC 224 vorprogrammiert. „Den
Franzosen als treibender Kraft“ in diesem Normungsprozess
wird unterstellt, mit dem Kennziffernsystem in den
Normentwürfen
insgeheim zu beabsichtigen, die Vorherrschaft der großen
französischen Wassermultis (VEOLIA, SUEZ, SAUR) abzusichern.
Denn in den Normentwürfen ist vorgesehen, die guten Managementpraktiken
sowie die Kundenorientierung mit Hilfe von Kennzahlen („Performance
Indicators“) „messbar“ zu machen. Die französischen
Wassermultis rechnen sich aus - so die Vermutung - , dass
sie bei derartigen Kennziffervergleichen ganz weit oben im
Ranking angesiedelt sein werden. Und mit 99 von 100 möglichen
Punkten könne man dann jeden zweifelnden Bürgermeister
und jeden skeptischen Gemeinderat von der überragenden
Performance der französischen Wasserriesen überzeugen.
- und das nicht nur in Frankreich (wo es diese drei Normen
in einer nationalen Fassung schon gibt), sondern künftig
dank der ISO-Normierung auch globusweit.
Drei
richtungsweisende Normen
für die Wasser- und Abwasserbetriebe
Im
Anhörungsprozess („DIS“) befinden sich die Normentwürfe
- ISO/DIS
24510 „Guidelines for the
improvement and for the assessment of the service
to users“ (»Dienstleistungsnorm«)
- ISO/DIS
24511 „Guidelines
for the Management of wastewater utilities and for
the assessment of wastewater
services“ (»Managementnorm für Abwasserdienstleistungen«)
- ISO/DIS
24512 „Guidelines for the management
of drinking water utilities and for the
assessment of drinking water services“ (»Managementnorm für
Trinkwasserdienstleistungen«).
Die
jeweils etwa 45 Seiten starken Normentwürfe (in
englischer Fassung) können RUNDBR.-LeserInnen
als pdf-Datei bei uns anfordern (nik@akwasser.de).
Stellungnahmen, Ergänzungen, Einsprüche
sind bis Anfang August 2006 zu richten an:
DIN
- Normenausschuss Wasser
(NA 119-06-04)
Frau Dipl.-Ing. Jeanette Bernard
E-Mail: JEANNETTE.BERNARD@DIN.DE
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Der
gläserne
Wasserbetrieb:
Die Hosen runter lassen? |
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„Den
Franzosen“ wird somit unterstellt,
dass mit den drei ISO-Normen die Vorherrschaft der französischen
Wassergiganten auf Dauer gefestigt werden soll. Dabei nehme
man es bei den französi-schen Initiatoren der ISO-Normung
in Kauf, dass die Normen mit durchaus partizipativen
Elementen bestückt worden sind -
wobei die in den Normen vorgesehene Bürgerbeteiligung in
der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung eher als ablenkendes
Beiwerk einzustufen sei. Allerdings könnten
gerade die Vorgaben zur Einbeziehung breiter Kreise in
die Geschicke der Siedlungswas-serwirtschaft den eigentlich
politischen Zündstoff
der drei ISO-Normen beinhalten. Denn was in den Normen an Bürgerbeteiligung
gefordert wird (siehe nächster Abschnitt), stellt das bisherige
Selbstverständnis - nicht nur - der deutschen Wasser- und
Abwasserwerker auf den Kopf. Gefordert wird nämlich
ein Ausmaß an Transparenz (beispielsweise auch bei der
Wasserpreisgestaltung), das auf den gläsernen Wasser-
und Abwasserbetrieb hinausläuft.
Wie
dieses Gebot zur Transparenz in neoliberalen Zeiten umgesetzt
werden soll, bleibt in den Normentwürfen
jedoch unbeantwortet: Würden die Wasser- und Abwasserbetriebe
tatsächlich die geforderte Transparenz (beispielsweise
bei der Offenlegung der Kostenstruktur) befolgen, wären
sie vermutlich recht bald ein Opfer feindlicher Übernahmen.
Den auf der Lauer liegenden Konkurrenten würden die wirtschaftlichen
Basisdaten für eine feindliche Übernahme frei Haus
geliefert! Insofern ist die implizite Forderung nach
dem gläsernen
Wasser- und Abwasserbetrieb in Wettbewerbszeiten eher ambivalent
zu beurteilen. Vermutlich wäre es darüber
hinaus naiv, anzunehmen, dass VEOLIA oder andere große
Wassermultis im geforderten Umfang tatsächlich ihre Preiskalkulationen
aufdecken würden. Selbst Stadtwerkebetriebe würden
sich bei der Offenlegung ihrer Preisgestaltung sehr bedeckt
halten. Schließlich
gibt man auch dort nicht gerne zu, wie viel Gewinn man im Wassersektor
scheffelt, um damit innerhalb der Stadtwerkeholding beispielsweise
den defizitären Nahverkehr querzusubventionieren. -ng-
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Die Wasserbetriebe
sollen sich die Mitwirkung der Kunden „wünschen“
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In den Normentwürfen wird zunächst Bezug auf das Gebot
der Kommission der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung
(„CSD 13“) genommen, dass die nationalen Regierungen „die
aktive Einbindung aller interessierten Kreise“ in die Entwicklung
der Siedlungswasserwirtschaft gewährleisten sollen. Ferner
soll das Management der Wasser- und Abwasserbetriebe „transparent“ gestaltet
werden. Zudem seien „alle Stakeholder“ in die technische
Selbstverwaltung in der Siedlungswasserwirtschaft einzubinden.
Zum Partizipationsgebot gehört auch, dass nicht nur das Management,
sondern auch die Stakeholder an der Etablierung einer angemessenen
Zahl von Kennziffern zu beteiligen seien. Die Beteiligung der Kunden
(„user“) der Wasser- und Abwasserbetriebe wird zunächst
relativ abstrakt definiert:
„Die Beteiligung von Nutzern
erfolgt mittels festgelegter Verfahren, mit denen eine Beteiligung über
Art und Weise der Dienstleistungslieferung ermöglicht
wird.“ (Zi. 4.4.4)
Zur Verfügbarkeit von
Informationen über
die Dienstleistungen des Wasser- bzw. des Abwasserbetriebes wird festgehalten:
„Der Nutzer erwartet,
dass alle Informationen über die Öffentlichkeitsaspekte
der Dienstleistung entsprechend der örtlichen Bedingungen,
u.a. der Festlegung von Verantwortlichkeiten, vom Betreiber,
der verantwortlichen Körperschaft oder den zuständigen
Behörden
offen und in verständlicher Weise bekannt gegeben werden.“ (Zi.
5.5.7).
Zur Einbeziehung der Öffentlichkeit
in die Siedlungswasserwirtschaft heißt es außerdem:
„Der Nutzer erwartet,
dass der Betreiber bzw. die verantwortliche Körperschaft
proaktiv Informationen über den Ver-/-entsorger
zur Verfügung stellt, und zwar indem diese sich
bemühen,
die Gemeinschaft aktiv mit einzubeziehen.“ (Zi.
5.5.8).
Und zum Thema „Partizipation of the users“ wird festgestellt:
„Der Nutzer erwartet,
dass seine Beteiligung gewünscht ist
und mittels eines transparenten Mitwirkungsprozesses
auch ermöglicht
wird. Erwartet wird, dass dem Nutzer das Recht
zum Einbringen von Nutzerinteressen in Angelegenheiten
wie der Preisgestaltung,
der [Ver- und Ent-sorgungs-]Standards und der
[Wasser- und Abwasser-]Anschlüsse
oder hinsichtlich der Ent-wicklung von alternativen
Dienstleistungen gebeten wird.“
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Die
Gewinnrate
soll offen gelegt werden |
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Zur
Preis- bzw. Gebührentransparenz wird
unter der Überschrift „Price
of service“ gefordert:
„Der
Betreiber, die verantwortliche Körperschaft und die zuständigen
Behörden sollten anstreben, dass die Dienstleistungen zu
einem ‚fairen Preis’ zur Verfügung gestellt
werden. Um erkennbar zu machen, was ein fairer Preis ist, sind
die folgenden
Kostenbestandteile zu berücksichtigen:
-
Erschwinglichkeit [der Wasser- und Abwasserpreise
für
die Kunden]
- Vollkostenrechnung
[Gesamtkosten]
- [die
Entwicklung des] historischen Preisniveaus
- die
Gewinnrate [!]
Damit
der Kunde einen fairen Preis akzeptiert, kann es erforderlich
sein, die aufgeschlüsselten Preisbestandteile sowie
den Grad der Kostendeckung aus den von den Nutzern erzielten
Erlösen
zu publizieren.“ (Zi. 6.3.3)
Welche
Informationen die Kunden bei den Wasser- und Abwasserbetrieben
bzw. bei den zuständigen Behörden abfragen können,
wird in Zi. 6.5.7 dargelegt. U.a. gehören hierzu Informationen
zu
- -
vorhandenen
Verträgen (beispielsweise über Konzessionen
und Managementverträge)
- Vorschläge für neue Verträge bzw. über Verträge,
die zur Verlängerung
anstehen
- Verfahren
zur Vertragsvergabe
- Kostenstruktur
- Gebührenberechnung.
Nach
Zi. 6.5.8 haben die Wasser- und Abwasserbetriebe die Beteiligung
von Nutzern anzustreben und zu fördern. Hierzu gehört
u.a., dass die Nutzer konsultiert werden, wenn es um
Fragen der Wasser- und Abwasserpreisgestaltung geht
oder wenn die „inhaltliche
Diskussion von Verträgen mit neuen Betreibern“ ansteht
(siehe zu diesem Punkt die weitergehenden Vorschläge
des BBU in den RUNDBR. 783/2, 769/2-3).
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Die Anwendung
der Normen ist freiwillig |
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Ob die Länder, die
Mitglied in der Internationalen Standardisierungs-Organisation
(ISO) sind, die Normen übernehmen, bleibt den ISO-Mitgliedern
freigestellt. Wenn allerdings die europäische Normungsinstitution
(CEN) die Normen als ISO-CEN-Normen übernehmen sollte, dann
gelten die Normen nach den CEN-Vereinbarungen auch in Deutschland.
Zwecks Überführung in eine europäische Norm muss
zunächst aber einmal eine Mehrheit der 29 CEN-Mitgliedsstaaten
dafür plädieren. Dabei kann eine 1:1-Übernahme
erfolgen. Die Mehrheit der CEN-Mitgliedsstaaten kann aber bei
der Überführung
in eine CEN-Norm auch inhaltliche Veränderungen an der
ISO-Norm vornehmen.
Welche Variante auch immer zu Stande kommen
sollte:
Jeder Wasser- und Abwasserbetrieb kann frei entscheiden,
ob er in seinem Wirkungskreis die Normen ganz oder teilweise
zur Anwendung
bringt. Allerdings wird erwartet, dass die Normen
bei ihrer Etablierung eine Eigendynamik entwickeln könnten. Verwiesen
wird dabei auf das Beispiel der ISO-Qualitätssicherungs-Norm
ISO 9000. Auch die Anwendung dieser Norm ist jedem Unternehmen
freigestellt.
In manchen Branchen (wie beispielsweise im Automobilzuliefersektor)
ist die ISO 9000 aber inzwischen ein obligatorisches Muss.
Erwartet (oder befürchtet) wird ferner, dass die drei
Normen eine politische Wirkung entfalten könnten. Politiker
könnten
versucht sein, populistisch einige Aspekte der drei Normen
gegenüber
den Wasser- und Abwasserbetrieben zur Entfaltung zu bringen,
um sich beispielsweise „auf Kosten“ der Wasser-
und Abwasserbetriebe profilieren zu können.
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In Berlin bleiben die Wasserpreise
ein Betriebsgeheimnis |
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Das Verwaltungsgericht verlangt
von den Berliner Wasserbetrieben keine Offenlegung ihrer
Preiskalkulationen. Angesichts der vergleichsweise
hohen Wassergebühren in Berlin hatte der Verband Berlin-Brandenburger
Wohnungsunternehmen (BBU) auf Offenlegung der Preiskalkulation
geklagt. In Berlin wurden die Wasserpreise seit 2003 um über
20 Prozent erhöht. Laut BBU zahlen Berliner Haushalte rund
500 Euro für Wasser und Abwasser im Jahr – 200 Euro
mehr als die Bewohner von München oder Köln. Der BBU
wollte durch eine Überprüfung der Kalkulationen klären
lassen, ob in den Wassergebühren möglicherweise Kosten
für Fehlinvestitionen enthalten sein könnten. In Berlin
sind die Wasserbetriebe Monopolist und Anstalt des Öffentlichen
Rechts. Nach dem Informationsfreiheitsgesetz müsste das
Unternehmen deshalb eigentlich seine Akten öffnen, wie
jede andere Behörde
auch. Die trotzdem erfolgte Abweisung der Klage des BBU begründete
das Verwaltungsgericht lt. TAGESSPIEGEL damit,
„dass die Wasserbetriebe auf dem Brandenburger
Markt im Wettbewerb zu anderen Anbietern stünden. Die
Offenlegung von Kalkulationen und Zahlen benachteilige das
Unternehmen in dieser Konkurrenz.
Deshalb habe der Kläger keinen Anspruch auf Akteneinsicht.“
Allerdings wurde auf Grund der grundsätzlichen
Bedeutung des Falles eine Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg
zugelassen.
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Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
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