Liegt
die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft
im Wettbewerb?
Für
die Wirtschaftstätigkeit der Gemeinden wurden
eigene Regeln geschaffen. Sie folgen dem in Deutschland
außerordentlich
weit reichenden Selbstverwaltungsrecht der Kommunen und
der historisch entwickelten Überzeugung, dass allein die
Kommunen, im weiteren Sinne der Staat, die für die
Bürger
wesentlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Grunddienstleistungen erbringen kön-nen und sollen.
Neben dem Sozialstaatsprinzip und der Gemeinwohlverpflichtung
wird dafür der Beg-riff
der Daseinsvorsorge gebraucht.
Dieses
rechtlich stark verankerte Aufgabenbild und der sich daran
anschließende demokratische Konsens werden
zunehmend bedroht. Von außen wirken auf die Kommunen
Liberalisierungen, die tief in die Leistungsfähigkeit
der öffentlichen Wirtschaft eingreifen. Die vielfach
als Doktrin verkündete Überlegenheit von Markt
und Wettbewerb
drängt auch manche für die Kommunalwirtschaft
verantwortliche Politiker und Manager zur unbedingten Übernahme
der herrschenden Wirtschaftsmechanismen. Dies bedeutet
zugleich, das verpflichtende
Modell einer primär politisch und sozial zu
verantwortenden Kommunalwirtschaft durch rein ökonomische
Effizienzkriterien
abzulösen. Demokratische Planung und Kontrolle verflüchtigen
sich in betriebswirtschaftlicher Erfolgskontrolle und
Gewinnstreben.
Wettbewerb:
Königsweg oder Falle ?
Diese
Tendenz, sich dem nationalen und internationalen Wettbewerbsregime
einzugliedern, führt zu Widersprüchen und Risiken
für die öffentliche Wirtschaft. Dafür stehen
insbesondere drei ineinander greifende Momente: Die Aufhebung
des Örtlichkeitsprinzip für die kommunale
Wirtschaft sowie Ausschreibungspflicht und Beihilfenkontrolle des europäischen
Wettbewerbsrechts.
Für
die Energieversorgung durch Stadtwerke mag der Gedanke einer
die Gemeindegrenzen überschreitenden Aktivität
eine naheliegende Option sein. Vor allem an sie
knüpfen
die kommunalen Spitzenverbände an. Die
Forderung wird jedoch auch für die Wasserversorgung
und Abwasserentsorgung erhoben, so vom Bundeswirtschaftministerium
in seinem Modernisierungsbericht
für die Wasserwirtschaft von März 2006,
vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft
(BDEW) und von den Generaldirektionen
Wettbewerb und Binnenmarkt der EU.
Zumindest
letzteres sollte die Kommunalwirtschaft aufmerken lassen, denn
von der EU-Kommission und vom Europäischen
Gerichtshof sind in den letzten Jahren genügend
Vorstöße
unternommen wor-den, die öffentliche Wirtschaft einerseits
einzuschränken und andererseits ihre Durchdringung
seitens der Privatwirtschaft zu erleichtern.
Die bislang von der EU-Kommission formulierten
Grundsätze zur Unterwerfung
der öffentlichen Wirtschaft unter Wettbewerbsrecht
sind ziemlich eindeutig und zugleich noch nicht
abgeschlossen.
Im
Beihilfenrecht haben mit dem EuGH-Urteil Altmark Trans und
mehreren Kommissionsentscheidungen
Komplexität und Unklarheit
zugenommen. Jedenfalls sind für die möglichen
Beihilfen-Ausnahmeregelungen u.a. eine klare
Aufgabenzuweisung im Bereich der Daseinsvorsorge
und ein konkreter Versorgungsauftrag erforderlich.
Klar ist auch, dass die Beihilfenkontrolle
unwahrscheinlicher ist,
solange sich die Kommune auf ihr Gebiet beschränkt.
Denn sofern sie oder eine ausschließlich
kommunale Gesellschaft allein den Eigenbedarf
der Kommune decken, fehlt es … am
Marktbezug der Tätigkeit mit der Folge,
dass ein Unternehmen in dem hier maßgeblichen
Sinne nicht vorliegt.“ (Deutscher
Städtetag)
Für
das Ausschreibungs- und Vergaberecht sind im Gefolge des Teckal-Urteils
lediglich zwei Ausnahmetatbestände
zugelassen, nämlich Inhouse-Geschäfte
und reine administrativer
Maßnahmen. Inhouse-Kriterium ist eine
Kontrolle des Beauftragten wie bei einer
Dienststelle und die wesentliche Aufgabenerfüllung
für die Kommune. Das Halle-Urteil legt
darüber hinaus
fest, dass kein privates Kapital an der
beauftragten Einrichtung beteiligt sein darf.
Das Urteil Parking Brixen geht noch weiter:
Die in öffentlichem Eigentum befindliche
Parking Brixen AG sei unter anderem wegen
der „Ausweitung des geografischen
Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft
auf ganz Italien und das Ausland" nicht
mehr
ausreichend durch die Gemeinde kontrolliert.
Auch die Vergabe-Richtlinie für den
Sektor Wasser verlangt für die freie
Vergabe an ein kommunales Unternehmen, dass
80 Prozent des Umsatzes
für den kommunalen Auftraggeber, sprich
in seinem Gebiet erbracht werden müssen.
Die
EU-Kommission trachtet zweifellos danach, auch für
die Vergabe von Konzessionen, unabhängig von der Rechtsform
und den Eigentumsverhältnissen, eine europaweite Ausschreibung
verbindlich festzulegen. Mit bedingt durch die unterschiedlichen
Ausprägungen öffentlicher Wirtschaft in den
EU-Mitgliedstaaten, gerät die Sonderstellung der deutschen
Daseinsvorsorge aufgrund des Gleichbehandlungs- und Transparenzgebots
ohnehin unter Druck. Dies verstärkt sich durch die wachsende
Zahl von privaten Beteiligungen an kommunalen Unternehmen,
privaten Konzessionen, Kooperationen zwischen Gebietskörperschaften,
sowie durch die Ausgründung von kommunalen Unternehmen
in privater Rechtsform.
Wenn
diese eindeutig den Hauptzweck der Gewinnerzielung verfolgen,
will auch das in Liberalisierungsfragen zurückhaltendere
Europäische Parlament deutliche Beschränkungen
für
die Betätigung kommunaler Unternehmen. Unmissverständlich
fordert es die Anwendung aller Wettbewerbsregeln, wenn
die Kommunen nicht ihre rein örtlichen Aufgaben wahrnehmen.
Insgesamt
stellt sich deshalb die deutsche Forderung nach Aufhebung des Örtlichkeitsprinzips
als Steilvorlage an die EU-Kommission dar, die genuinen Aufgaben
kommunaler Daseinsvorsorge immer weiter einzuschränken. Zugleich wird das im
Europarecht nicht verankerte Recht auf gemeindliche Selbstverwaltung weiter gefährdet,
damit ein Kernbestand lokaler Demokratie und Gemeinwohlorientierung.
Wasser
in Bürgerhand stellt deshalb fest und fordert:
-
Die
Kernaufgaben der Daseinsvorsorge, insbesondere die Wasserwirtschaft,
müssen in öffentlicher Hand bleiben.
-
Deutschland
sollte einen speziellen gesetzlichen Schutz der Daseinsvorsorge
und der gemeindlichen Selbstverwaltung im
EU-Recht im Zusammenwirken
mit dafür
bereits aktiven Staaten fordern. Die Absicht, das Örtlichkeitsprinzip
zu lockern, ist als kontraproduktiv
aufzugeben.
-
Die
interkommunale Zusammenarbeit ist zu stärken und ebenfalls
im EU-Recht von
Wettbewerbsregeln auszunehmen. Insbesondere die Verbindung von öffentlich-rechtlichen
Verbänden mit privaten Firmen ist zu vermeiden. PPP-Geschäfte fördern
die öffentliche
Verarmung und schwächen die kommunale Kontrollmöglichkeit.
-
Die
Vorstellung, mehr Wettbewerb, interkommunale Konkurrenz
und Gewinnorientierung anstelle der Verfolgung von
gemeinnützigen
Zielen wie Flächenversorgung,
Preiswürdigkeit und Nachhaltigkeit sicherten die Zukunft der
kommunalen Wirtschaft, gehört nicht auf die
Agenda der organisierten öffentlichen Wirtschaft
und der Arbeitnehmerorganisationen.
27.
November, 2007