Die großen Wasserkonzerne, die in der Trinkwasserver- und in der Abwasserentsorgung von England und Wales tätig sind, haben ein Memorandum
veröffentlich, in dem gefordert wird, die EGWasserrahmenrichtlinie (WRRL) vom Dez. 2000 mit
weit mehr Augenmaß als bislang umzusetzen.
Das
Forderungspaket der britischen Wasserindustrie
dürfte bei vielen Akteuren in der deutschen Wasserwirtschaft auf große Zustimmung stoßen – denn
auch in Deutschland stöhnen nicht nur Landwirtschaft,
Wasserkraftbetreiber,
Bürgermeister
und
Teile der Industrie, sondern auch die Wasserwirtschaftsverwaltung selbst über die »Zumutungen«
der Wasserrahmenrichtlinie (s. RUNDBR. 811/2).
Die Aktiengesellschaften in England und Wales arbeiten in der Lobby-Organisation „WaterUK“ zusammen. „WaterUK“ hat die Forderungen im Juni
2014 unter dem Titel „A revision of the Water
Framework Directive“ an die interessierte Öffentlichkeit, die britische Regierung und besonders an
die EU-Kommission gerichtet.
In der Analyse zur
bisherigen und künftigen Umsetzung der WRRL
schreibt „WaterUK“, dass es sich zunehmend abzeichne, dass kein EU-Mitgliedsstaat bis 2015 den
von der Richtlinie vorgegebenen »guten Zustand« in
seinen Gewässern erreichen wird. Und für das Enddatum der Richtlinie, also für 2027, könne man davon ausgehen, dass der Umsetzungsbegeisterung
noch mehr als bislang die Puste ausgehen wird. Allenfalls „eine Handvoll“ EU-Mitgliedsstaaten würde
sich tatsächlich anstrengen, die Ziele der Richtlinie
zu erreichen. Die Mehrheit der Mitgliedsstaaten würde die Umsetzungskosten in ökonomischer und sozialer Hinsicht ohnehin als völlig gesponnen einstufen.
Deshalb
mahnen
die
britischen
Wasserkonzerne
mehr
Pragmatismus
beim Erreichen
der
Ziele
der EG-WRRL an. Insbesondere solle die EU-Kommission anerkennen, dass die Ausnahmeregelungen
der Richtlinie breiter als bislang zur Anwendung gebracht
werden
müssten.
Dies
gelte
vor
allem
im
Hinblick
auf
den
Klimawandel: Häufigere Extremwetterschwankungen (s. 1031/2-3) würden befürchten
lassen, dass sich das Erreichen des »guten ökologischen Zustandes« zunehmend schwieriger gestalten wird. Man müsse darauf achten, dass die finanziellen Ansprüche zur Umsetzung der Richtlinie
nicht dazu führen, dass die Wasserkonsumenten mit
unverhältnismäßigen Kosten belastet würden.
„WaterUK“ zeigt sich besorgt, dass eine Überprüfung
der
Richtlinie
dazu
missbraucht
werden
könnte, die Anforderungen an die Wasserqualität noch weiter nach oben zu schrauben – ohne Rücksicht aufökonomische und soziale Folgen.
„WaterUK“ schlägt
vor, die Bewirtschaftungszyklen nach 2027 weiterlaufen zu lassen. Der Umsetzungsprozess müsse
zeitlich gestreckt werden. Nicht nur wie bislang vorgesehen
drei
jeweils
sechsjährige
Bewirtschaftungszyklen, sondern vier oder fünf oder noch mehr Zyklen sollten zugelassen werden. Eine Verlängerung
der WRRL über 2027 hinaus würde es u.a. ermöglichen, weitere technische Entwicklungen abzuwarten, die den Gewässerschutz preisgünstiger machen
könnten.
„WaterUK“ plädiert ferner dafür, dass die
EU-Landwirtschaftspolitik weitaus stärker als bislang
auf die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie ausgerichtet werden müsste. Besonders genervt zeigt sich „WaterUK“ von dem „one out, all out“-Prinzip der
Richtlinie (s. 765/3-4). Gemeint ist damit, dass man
auf der Gewässergütekarte erst dann mit der grünen
Farbe belohnt wird, wenn man ausnahmslos alle
Anforderungen der Richtlinie erfüllt hat. Dieser Ansatz führt nach Auffassung von „WaterUK“ zu „perversen Anreizen“ – soll heißen: zum ineffizienten
Mitteleinsatz.
Das Memorandum von „WaterUK“
können interessierte RUNDBR.-LeserInnen herunterladen
von
http://www.water.org.uk/home/policy/positions/wfd-review
Wasserrahmenrichtlinie integrieren!“
„WaterUK“ spricht sich in seinem Memorandum
auch dafür aus, die EG-Kommunalabwasserrichtlinie
in die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) zu integrieren.
Das
mutet
seltsam
an,
weil
die
Kommunalabwasserrichtlinie
längst
umgesetzt
sein
müsste.
Die Forderung
nach
Integration
in
die
WRRL
ist
ein
Zeichen
dafür,
dass
die
privaten
Wasserkonzerne
beim Vollzug
der
Kommunalabwasserrichtlinie
immer noch
zwanzig
Jahre
im
Verzug
sind.
(Mehr
zu
den EU-weiten
Verstößen
gegen
die
EG-Kommunalabwasserrichtlinie
in
den
RUNDBR.
922/1-2,
822/3, 801/1,
625/3,
603/2-3
und
589/1-2.)
Trotz
der
Rückstände
beim
Ausbau
der
kommunalen
Kläranlagen führt „WaterUK“
in
dem
Memorandum
die
bisher
erreichten
Fortschritte
in
der
Wasserqualität
der
Flüsse
in
England
und
Wales
selbstredend
auf
die Privatisierung
der
britischen
Wasserwirtschaft
zurück.
Die
Privatisierung
habe
dazu
beigetragen, dass
Milliarden
von
britischen
Pfund
in
den
Gewässerschutz
investiert
werden
konnten.
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