aktualisiert:
31. März 2008
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Recht
und Unrecht |
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasserrundbrief,
29.10.2007
EG-Wasserrahmenrichtlinie:
Was ist (un)verhältnismäßig?
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Je
näher der Zeitraum zum Aufstellen von Bewirtschaftungsplänen und
Maßnahmenprogrammen rückt, desto mehr rückt
auch die Frage der Verhältnismäßigkeit in den Mittelpunkt der Debatte: Welche
Sanierungsmaßnahmen
können den Verursachern von Gewässerbelastungen
aufs Auge gedrückt werden - ohne dass diese „Maßnahmenträger“ erfolgreich
mit der Beschwerde über die Unverhältnismäßigkeit
angeordneter Sanierungsmaßnahmen juristisch
dagegen vorgehen können?.
Die EG-Wasserrahmenrichtlinie sieht nämlich vor, dass Sanierungsmaßnahmen
nur dann zulässig sind, wenn sie den Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit nicht verletzen (s.
RUNDBR. 871/1-3, 866/1-3).
Wie das Gebot der
Verhältnismäßigkeit zu handhaben ist, hat im Rahmen
des „Gemeinsamen Implementierungsprozesses“ (Common
Implementation Strategy - CIS) die EU-Arbeitsgruppe
WATECO (Water and Economics) in vier Thesen formuliert
(siehe Kasten).
Danach kommt
es vorrangig darauf an, dass der Aufwand in einem
vernünftigen Verhältnis zum Nutzen der
Maßnahme stehen muss. Lt. WATECO ist dabei
auch die Zahlungsfähigkeit derjenigen zu berücksichtigen, die
die Sanierungskosten zu tragen haben.
Genau an diesem
Punkt setzt die Studie „Verhältnismäßigkeit
der Maßnahmenkosten im Sinne der EG-Wasserrahmenrichtlinie – komplementäre
Kriterien zur Kosten-Nutzen-Analyse“ an. Die Autoren äußern
die Überzeugung,
„dass die Entscheidung über (Un-)Verhältnismäßigkeit von
Kosten letztlich eine politische Entscheidung ist.
Die Frage, was uns die Verbesserung der Gewässerqualität
aus gesellschaftlicher und politischer Sicht
Wert ist, kann ökonomisch nicht beantwortet werden, ökonomische
Methoden können sie allenfalls beleuchten“.
Die
Studie ist u.a. deshalb interessant, weil
die AutorInnen beschreiben, welche Klimmzüge
auch in anderen EU-Ländern unternommen werden,
um die (Un-) Verhältnismäßigkeit von
Maßnahmenkosten zu bestimmen. Erkennbar ist
in allen untersuchten Ländern das Bemühen,
aufwändige ökonomische
Bewertungsverfahren auf wenige ausgewählte Konfliktfälle zu begrenzen.
Wie die
Zahlungsfähigkeit von Maßnahmenträgern
in Deutschland bestimmt werden kann, untersuchen die
die AutorInnen der Studie anhand von zwei Beispielgruppen. Zum
einen geht es um die Landwirte, denen
in „Nitratproblemgebieten“ weitgehende Maßnahmen
zur Minderung des Stickstoffeintrages auferlegt
werden sollen. Zum anderen geht es um die
Betreiber von Wasserkraftwerken, die man zum Bau
von Fischpassagen veranlassen will. Während
die Vorschläge zur Eruierung der Zahlungsfähigkeit
von Wasserkraftbetreibern noch einigermaßen
nachvollziehbar sind, dürften beim „Bauernkapitel“ nicht
nur die Landwirte große Mühe haben, die Rechengänge
der Modellannahmen zu begreifen.
Die
Studie ist also keinesfalls ein leichte Lektüre. Im
Hinterkopf sollte man sich zudem immer bewusst sein,
dass die Gewinnmarge eines Maßnahmenträgers nur
eine ergänzende („komplementäre“)
Größe ist, um die Verhältnismäßigkeit
einer angeordneten Sanierungsmaßnahme
- beispielsweise gegenüber einem
Wasserkraftbetreiber - zu begründen. Die Studie
stellt demzufolge auch einschränkend fest; dass
„andere,
ebenfalls relevante Kriterien zur Ermittlung der
Verhältnismäßigkeit – insbesondere
ein Vergleich der Kosten von Maßnahmen
mit ihrem (monetär bewerteten)
Nutzen im Sinne einer Kosten-Nutzen-Analyse – bewusst
ausgeklammert“ wurden.
Die
AutorInnen der Studie führen diesbezüglich aus,
dass das Wateco Guidance Dokument (siehe
Kasten) eine Hierarchisierung nahelege,
„bei
der die Kosten-Nutzen-Betrachtung Vorrang vor
den Kriterien der finanziellen Belastbarkeit hat“.
Allerdings erachten
es die AutorInnen als „zweifelhaft“, ob sich diese Hierarchisierung
„in Deutschland – vor
dem Hintergrund der schlechten Datenlage
und der allgemein skeptischen Einstellung zu
Kosten-Nutzen-Vergleichen – anwenden lässt“.
Die Studie ist im
Auftrag der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA)
vom Helmholtz- Zentrum für Umweltforschung (UFZ Department Ökonomie
sowie Department Umwelt- und Planungsrecht), von Ecologic (Institut
für Internationale und Europäische Umweltpolitik)
sowie vom Institut für Infrastruktur und Ressourcenmanagement
an der Uni Leipzig erstellt worden.
Weitere Auskunft und Bezug der pdf-Version der Studie
(Endbericht vom 15.03.07, A4, 93 S.) über:
Frau Britta
Pielen - Universität Leipzig
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät,
Professur für Umwelttechnik und Umweltmanagement
Marschnerstraße 31
04109 Leipzig
Tel.: 0341/9733876
E-Mail: pielen@wifa.uni-leipzig.de
Kriterien
für die (Un-)Verhältnismäßigkeit
In
ihrem 2003 veröffentlichten Leitfaden „Economics and
the Environment – The Implementation Challenge
of the Water Framework Directive: A Guidance
Document“ formulierte die
WATECO-Arbeitsgruppe folgende vier Grundsätze für
die (Un-)
Verhältnismäßigkeit von Gewässersanierungsmaßnahmen:
a) „Unverhältnismäßigkeit
beginnt nicht bereits an dem
Punkt, an dem gemessene Kosten den quantifizierbaren Nutzen überschreiten;
b) Die Abschätzung von Kosten und Nutzen
muss sowohl
qualitative als auch quantitative Kosten
und Nutzen
umfassen;
c)
Die Spanne, mit der die Kosten den Nutzen übersteigen, sollte
erheblich (appreciable) und
statistisch signifikant sein, so dass mit
Sicherheit festgestellt
werden kann, dass die Kosten den Nutzen überschreiten;
d)
Im Kontext der Unverhältnismäßigkeit
kann der Entscheider
auch die Zahlungsfähigkeit derjenigen,
die durch die Maßnahmen
betroffen sind,
mit in Betracht ziehen und Informationen
darüber dürften erforderlich sein. (…)“
Die
Studie interpretiert diesen Kriterienkatalog
folgendermaßen:
Punkte a) und b) betonen, dass ein umfassender,
volkswirtschaftlicher Kosten und Nutzenbegriff bei
Unverhältnismäßigkeitsüberlegungen zu
Grunde zu legen ist, also auch so genannte
intangible Kosten
und Nutzen (also solche, für
die keine
Marktpreise vorliegen) zu berücksichtigen sind.
Punkt c) besagt, dass es nicht ausreicht,
Kosten und
Nutzen einfach gegenüberzustellen.
Weil aufgrund
von Schwierigkeiten der Nutzenmessung typischer
Weise der Nutzen von Umweltverbesserungen unterschätzt wird, soll eine „Sicherheitsmarge“
garantieren, dass Ausnahmen nur dann
gerechtfertigt sind,
wenn die Kosten tatsächlich
den Nutzenü
bersteigen. Der Punkt d) bedeutet, dass hilfsweise die
Zahlungsfähigkeit von Kostenträgergruppen
als ein
weiteres mögliches Argument
heranzuziehen ist, um
eine Unverhältnismäßig
zu begründen.
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Kalihaldenabwasser verunmöglicht
den „guten
Zustand“
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In
der zuvor genannten Studie gehen die AutorInnen davon aus, dass
vor der Feststellung der Zahlungs( un)fähigkeit eines Maßnahmenträgers
zunächst die Maßnahmenpakete festgelegt werden sollten,
mit denen der von der Wasserrahmenrichtlinie geforderte „gute ökologische
Zustand“ erreicht werden kann. Erst anschließend
sei zu erkunden, ob die Zahlungsfähigkeit des Maßnahmenträgers überhaupt ausreicht, um die Maßnahmen
zu finanzieren.
Bei
mangelnder Zahlungsfähigkeit müsste in Erwägung gezogen
werden, mit Fristverlängerungen (gfs. auch über
2027 hinaus) dem finanziell klammen Maßnahmenträger
entgegenzukommen. Allerdings sei in einigen Fällen
von vornherein offensichtlich, dass Maßnahmen zu Erreichung
des „guten ökologischen Zustandes“ jenseits
jeglicher vernünftigen Finanzierungsgrenzen zu liegen
kommen. Bei abartig teuren Sanierungsmaßnahmen müsse
man für die betroffenen Wasserkörper gleich von
Anfang an herabgestufte Güteziele vereinbaren.
Zu
diesen Ausnahmefällen rechnen die BearbeiterInnen der Studie
auch die derzeit heftig umstrittene Sanierung der Kaliabraumberge
im thüringischen Kaliabbaurevier:
„In
einigen Fällen wie zum Beispiel bei der Salzbelastung der
Werra durch den Kalibergbau in Thüringen ist von
vorneherein klar, dass die Bedingungen für die Festlegung
geringerer Umweltziele erfüllt sein werden: Es ist
offensichtlich, dass der Salzaustrag aus den Kalihalden – selbst
wenn der Bergbau sofort gestoppt würde – noch
sehr lange die Gewässer belastet. Maßnahmen
gegen die Salzbelastung sind, wenn sie überhaupt
technisch denkbar und machbar sind, ökonomisch nicht
zu vertreten. Aus diesem Grund sollten in solch eindeutigen
Fällen die Prüfung der Ausnahmen und die Festlegung
eines geringeren Umweltziels bereits vor der Auswahl der
Maßnahmen erfolgen. Das bedeutet, dass zu Beginn des
Auswahlprozesses geprüft werden sollte, ob ein Ausnahmetatbestand
erwartet wird. Falls ja, ist der Ablauf der Maßnahmenauswahl
entsprechend anzupassen. Der Auswahlprozess ist dann von
vorneherein auf das geringere Umweltziel statt auf den guten Zustand auszurichten.“
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