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aktualisiert:
7. August 2012

 

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 24.7.2012

 

Droht die Zwangsausschreibung der kommunalen Wasserversorgung?


 

Seit mehreren Jahren wird in Wasserwerkerkreisen diskutiert, welche Folgen eine EG-Konzessionsrichtlinie haben könnte (s. RUNDBR. 926/2-3, 837/2-3). Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie liegt seit Dezember 2011 auf dem Tisch – und löst bei deutschen Wasserversorgern mehr als nur Stirnrunzeln aus. Denn nach den Plänen der EU-Kommission würde sich der Geltungsbereich einer Konzessionsrichtlinie auch auf die Wasserversorgung erstrecken.

Welche Bedenken der Kommissionsvorschlag in der deutschen Wasserwirtschaft ausgelöst hat, darüber haben wir uns mit dem Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser im Bundesverband der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BDEW), Herrn MARTIN WEYAND, unterhalten. Zunächst haben wir uns von Herrn WEYAND erläutern lassen, warum der BDEW „mit Nachdruck“ die geplante Ausschreibungspflicht für Dienstleistungskonzessionen ablehnt.

WEYAND sieht die Gefahr, dass eine zwangsweise Ausschreibung von Wasserversorgungskonzessionen die „kommunale Gestaltungsfreiheit“ bei der Organisation der Trinkwasserversorgung erheblich einschränken würde. Wie WEYAND weiter ausführte, stehe es bis jetzt den Kommunen frei, ihre Wasserversorgung zu 100 Prozent selbst zu besorgen, oder sich einen Partner des Vertrauens ins Haus zu holen. Und auf das Vertrauen komme es bei der Wasserversorgung an – zum einen, weil die Wasserversorgung zum Kernbestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge gehöre, zum anderen aber auch deshalb, weil die Kommune die Letztverantwortung für eine einwandfrei funktionierende Trinkwasserversorgung trage. Die kommunale Letztverantwortung für die Trinkwasserversorgung gelte selbst dann, wenn die Kommune die Wasserversorgung (teil-)privatisiert habe.

Der BDEW gehe davon aus, dass im Lauf der Zeit mehrere hundert Stadtwerke einen privaten Partner an Bord geholt haben. Die privaten Partner würden zumeist eine Minderheitsbeteiligung an den Stadt- bzw. den Wasserwerken halten. Wenn bei diesen gemischtwirtschaftlichen Unternehmen die Konzession für die Wasserversorgung auslaufe, würde die geplante Richtlinie ultimativ eine EU-weite Ausschreibung der Konzession erfordern. Dann könnte ein Unternehmen den Zuschlag bekommen, das bei der betreffenden Kommune zumindest im sensiblen Trinkwassersektor vielleicht nicht als der ideale Wunschpartner angesehen werde.


Konzessionsrichtlinie:
Statt Rechtssicherheit jahrelange Ungewissheit?

 

Jenseits der heiklen Vertrauensfrage würde bei einem Ausschreibungszwang aber auch der Bürokratismus den Kommunen über den Kopf wachsen, so die Voraussage von WEYAND. Für das rechtsfehlerfreie Handling eines EU-Ausschreibungsverfahrens brauche man Rechtsanwaltskanzleien, die mit Stundensätzen im dreistelligen Eurobereich operieren. Hinzu käme die Anwendung der EU-Rechtsmittelrichtlinie. Diese würde die Rechtsposition für die Unternehmen stärken, die im Vergabeverfahren unterlegen sind. Die Folge seien Verfahren vor den Vergabekammern, die nicht nur kostenintensiv seien. Weil sich die juristischen Auseinandersetzungen zwischen den Kontrahenten einer Ausschreibung erfahrungsgemäß langwierig hinziehen, würde ein jahrelanger Schwebezustand drohen. Denn keiner wisse, wer letztendlich den Zuschlag bekomme. Für eine gesicherte Trinkwasserversorgung sei dies ganz gewiss kein guter Zustand.

 

Erster Schritt zur Aushebelung der Kommunalaufsicht?
 

Wie der BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser in diesem Zusammenhang berichtete, habe sich wegen des drohenden Bürokratismus-Aufwandes selbst der privatisierungsfreundliche Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) gegen eine Konzessionsrichtlinie ausgesprochen. Wenn der bürokratische Aufwand ein für die Kommunen zumutbares Niveau überschreite, käme es nämlich zu gar keinen (Teil-) Privatisierungen mehr, denn wenn sich der Kommissionvorschlag durchsetzen würde, müssten all die Konzessionsverträge ausgeschrieben werden, bei denen ein privater Anteilseigner in einem kommunalen Wasserversorgungsunternehmen Sitz und Stimme habe.

 

„Auch rein kommunale Wasserversorger
kämen in Bedrängnis“

 

Das provozierte unsererseits natürlich gleich die Frage, was denn dagegen einzuwenden sei, wenn der Kommissionsvorschlag sozusagen als Kollateralschaden die Rekommunalisierung und die interkommunale Zusammenarbeit fördern würde. Die Antwort des BDEW-Wasserfachmanns: Bei den deutschen Vergabekammern sei zu erkennen, dass sie über Brüsseler Vorgaben hinaus agieren würden. Jetzt schon würden die Vergabekammern versuchen, die sogenannten Inhouseprivilegien einzuschränken. Es sei also eine Tendenz erkennbar, die Brüsseler Bestimmungen auf reinrassig kommunale Unternehmen auszuweiten.

„Die Vergabekammerpraxis engt jetzt schon die interkommunale Zusammenarbeit ein.“

Die Konzessionsrichtlinie könnte somit dazu führen, dass die Vergabekammern auch bei Wasserversorgern in Alleinbesitz der Kommune die Daumenschrauben anziehen werden. Die Voraussage von WEYAND:

„Mit der Konzessionsrichtlinie kommt eine Welle ins Laufen, die vor rein kommunalen Betrieben nicht stoppen wird!“

Der BDEW sei für die Wahrung aller Freiheitsgrade der Kommunen bei der Organisation der Wasserversorgung. In der Überzeugung, dass man den Kommunen alle Optionen vom Grundsatz her offen halten müsse, sei man im Übrigen auch einer Meinung mit dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU), betonte WEYAND.

 

EG-Dienstleistungskonzessionsrichtlinie
– wie geht es jetzt weiter?
 

Zum weiteren Prozedere meinte WEYAND, dass als nächstes der Ministerrat und das EU-Parlament ihre Stellungnahme zu dem Kommissions-Standpunkt abgeben müssten. Zwar habe das EU-Parlament fraktionsübergreifend bereits im Mai 2010 mit der Zustimmung zum sogenannten „Rühle-Bericht“ eine Konzessionsrichtlinie als entbehrlich eingestuft (s. RUNDBR. 950/3-4). Im Hinblick auf die weitere Meinungsbildung im Parlament sei aber zu beachten, dass die gleichermaßen meinungsstarke wie meinungsbildende Kommission erfahrungsgemäß einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Parlament ausüben könne. Letztlich käme es darauf an, wie sich die beiden großen Fraktionen im EU-Parlament positionieren werden.

In dem Gespräch mit uns, kam WEYAND zum Fazit, dass die Kommission mit dem Richtlinienentwurf „eindeutig über das Ziel hinausgeschossen“ sei, einen fairen Wettbewerb um Dienstleistungskonzessionen zu gewährleisten. Sollte die Richtlinie gleichwohl nicht gestoppt werden können, müsse man über eine Auffanglinie nachdenken. Vorrangig müsse es darum gehen, eine Ausnahmeregelung für die Wasserwirtschaft mindestens in Analogie zur Dienstleistungsrichtlinie festzuschreiben.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, in den Erwägungsgründen der Richtlinie, die Beachtung des Umwelt- und Ressourcenschutzes in den Ausschreibungsverfahren ausdrücklich hervorzuheben. Die ökologischen Aspekte bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen müssten ohnehin stärker betont werden, so das Votum des BDEW-Hauptgeschäftsführers für den Wasser- und Abwassersektor.

Weitere Informationen zur Positionierung des BDEW in der Debatte um die geplante Richtlinie zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen gibt es bei:

Herrn Jan Ulland
Stv. BDEW-Pressesprecher
Telefon 0 30 / 300 199-1162
E-Mail: presse@bdew.de

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 

 
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