aktualisiert:
12. August 2009

 

 

 

 

 

 

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  Untersuchungen  


WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 23.6.2009

Reinhaltung von Trinkwasser

Mit „Sachverstand, Sorgfalt und Verantwortungs-
bewusstsein“ gegen Viren im Trinkwasser

 

Trinkwasser bakteriologisch einwandfrei ist, heißt das noch lange nicht, dass das Trinkwasser auch virenfrei ist. Darauf weisen KONRAD BOTZENHART & JENS FLEISCHER in ihrer „Abschätzung der Gesundheitsgefährdung durch Viren im Trinkwasser“ in der GWF-WASSER/ABWASSER 5/09, S. 361–366 hin. Wobei der Nachweis von real infektiösen Viren im Trinkwasser ohnehin nicht möglich ist. Das Auftreten von Viren im Trinkwasser könne nur verhindert werden, wenn man sich einer Top-Aufbereitung bediene:

„Eine mangelhafte Aufbereitung des Wassers vor der Desinfektion ist der größte Unsicherheitsfaktor bezüglich der Entfernung oder Abtötung der eventuell vorhandenen Viren.“

Denn auf die Desinfektion mit Chlor und Ozon solle man sich nicht allzu sehr verlassen, vor allem dann nicht, wenn Trübstoffe und reduzierende Stoffe im Trinkwasser enthalten seien. Die angewandte Aufbereitungstechnologie müsse so gut funktionieren, dass Viren im Rohwasser um den Faktor 100.000 bis eine Million reduziert werden können. Das schaffen selbst mehrstufige Anlagen nur dann, wenn sie mit „Sachverstand, Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein“ betrieben würden.

Weitere Auskunft zur Gewährleistung der Virenfreiheit im Trinkwasser:

Prof. Dr. Konrad Botzenhart
Inst. f. Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Tübingen
Wilhelmstraße 31
72074 T ü b i n g e n
E-Mail: konrad.botzenhart@med.unituebingen.de



Warum sich Eitererreger
in Trinkwassernetzen einnisten

 

Am zuvor geforderten Sachverstand, der Sorgfalt und der Verantwortung der Wasserwerker scheint DIRK SCHOENEN in seinem Aufsatz „Pseudomonas aeruginosa in Trinkwasserversorgungssystemen“ in der GWF-WASSER/ABWASSER 5/09, S. 264–272, zu zweifeln. Dass sich das eitereregende Bakterium in Trinkwasserversorgungsnetzen breit machen könne, liege u.a. daran, dass bei Neuinstallationen und Reparaturen im Leitungsnetz elementare Hygienegrundsätze ignoriert würden. Beim Lesen der diesbezüglichen Beispiele, die der Bonner Hygieneprofessor auflistet, sträuben sich einem die Nackenhaare – so wenn bei Bauarbeiten Trinkwasserrohre offen herumliegen und Tiere hineinkriechen. Die Viecher verwesen dann in den Leitungen und führen zu Trinkwasserkontaminationen. „Das rechte Bewusstsein“ für die strikte Einhaltung der Hygienestandards bei Bauarbeiten im Leitungsnetz fehle „häufig“, moniert SCHOENEN:

„Aufgrund von Beobachtungen aus der Praxis muss davon ausgegangen werden, dass im Wesentlichen Schmutz, der bei Neubau- und Reparaturarbeiten in das System eingetragen wird, Zwischenfälle mit Pseudomonas aeruginosa verursacht.“

Und das gelte nicht nur für das Versorgungsnetz der Trinkwasserversorger, sondern auch für die Hausinstallationen - wobei die Einnistung dieses Bakteriums in der Trinkwasserinstallation von Krankenhäusern besonders fatal sei. Das Auftreten dieses „Pfützenkeimes“ in Kliniken werfe die Frage auf, ob „grundlegende krankenhaushygienische Anforderungen außer acht gelassen“ würden. SCHOENEN erläutert auch, wie schwierig es sei, Pseudomonas aeruginosa (P.a.) wieder aus dem Leitungsnetz zu entfernen und was man alles beachten muss, wenn man bei Rohrnetzspülungen einigermaßen Erfolg haben will. Auch bei P.a. gelte, dass man mit Desinfektionsmitteln dem Mikroorganismus kaum beikommen könne. Denn:

„Das Eindringvermögen von Desinfektionsmitteln in den Schmutz und in die extrazellulär-polymeren Substanzen von denen P.a. häufig umgeben wird, ist außerordentlich gering.“

Weitere Auskunft zu mangelnden Einhaltung von Hygienestandards bei Rohrnetzarbeiten:

Herrn Prof. Dr. med. Dirk Schoenen
Arzt für Hygiene
Sigmund-Freund-Straße 3
53127 B o n n
E-Mail: dirk@schoenen.de

 


Wie man wasserwerksrelevante
Mikroorganismen abmurkst

 

„Die Desinfektion von Wasser für den menschlichen Gebrauch – Chemische und biologische Grundlagen“ haben GIULIO MORTEANI ET AL. ihren Übersichtsaufsatz in der GWF-WASSER/ ABWASSER 5/09, S. 372–377, überschrieben. Die AutorInnen schreiben u.a., dass es ein Fehlschluss wäre, zu vermuten, dass trinkwasserbedingte Infektionen nur in Entwicklungsländern auftreten würden:

„Aber gerade in den letzten Jahren wird das Ausmaß von durch Wasser übertragenen Infektionen (z.B. Noroviren) auch in Deutschland sichtbar und diskutiert“ (vgl. 895/1, 820/2, 841/3, 617/4 ).

Als „ein zunehmendes Problem der chlorbasierten Desinfektionsverfahren“ bezeichnen es die AutorInnen, dass eine steigende Verbreitung von chlorunempfindlichen Viren und Bakterien zu verzeichnen sei. Diese Mikroorganismen könnten „nur noch mit sehr hohen Dosen“ bekämpft werden, was aber „gesundheitsschädlich für den Verbraucher“ sei und den Geschmack des Trinkwassers „sehr stark“ beeinträchtige.

Weitere Auskunft zu den gängigen Verfahren der Trinkwasserdesinfektion mit Chlor, Ozon und Hitze:

Herrn Prof. Dr.-Ing. Giulio Morteani
Gmain 1
4424 I s e n
E-Mail: gmorteani@gmx.de

 


Wenn Asseln durch die Wasserleitung krebsen

 

Ein breites Medienecho hatte es zur Folge, als bekannt wurde, dass sich Asseln über das Trinkwassernetz der brandenburgischen Gemeinde Brieselang Mitte Februar 2009 bis in die Haushaltungen verbreitet hatten.

Wasserasseln findet man in vielen Trinkwasserleitungen. Besonders dort, wo Oberflächenwasser zur Trinkwassergewinnung genutzt wird. Die Tiere, die mit den Kellerasseln verwandt sind, krallen sich mit ihren Gliedmaßen in den Belägen der Wasserröhren fest und sind nicht einfach auszuspülen. Außerdem sind die Asseln ziemlich unempfindlich gegen Ozon. Die bis zu 18 Millimeter langen Tiere gehören zu den Krebsen und stellen nicht nur ein ästhetisches Problem dar. Denn Wasserasseln (Asellus aquaticus) ernähren sich von organischen Stoffen, die sich als Biofilm an den Wänden von Trinkwasserleitungen festsetzen. Und das, was die Tiere zu sich nehmen, scheiden sie dort auch wieder aus. Auch die Vorstellung, dass Asseln im Trinkwassernetz vergammeln, fördert nicht gerade den Genuss von Trinkwasser.

In Brieselang werden die Rohre jetzt mit einer innovativen Methode gereinigt, die von PD DR. GÜNTER GUNKEL an der Technischen Universität Berlin, Fachgebiet Wasserreinhaltung, und der Firma Scheideler Verfahrenstechnik entwickelt wurde. In dem Projekt "Entwicklung eines Verfahrens zur Elimination von Wasserasseln und anderen Invertebraten (wirbellose Tiere) in Trinkwasserleitungen", werden die Asseln und andere Kleinkrabbeltiere mit in Wasser gelöstem Kohlendioxid betäubt.

„So können sie sich nicht mehr in den Rohren festhalten und ausgespült werden", erläutert der Limnologe. "Das Verfahren wurde dann in mehreren norddeutschen Gemeinden erfolgreich getestet und wird bis Ende Mai auch in Brieselang angewendet", berichtete GUNKEL.
Eine Vergiftungsgefahr für die Verbraucher bestehe nicht, das CO2-haltige Spülwasser sei mit kohlesäurehaltigem Mineralwasser vergleichbar und werde nach der Behandlung wieder ausgespült.

Derzeit arbeitet der Wissenschaftler am Antrag für ein Folgeprojekt, das in Kürze eingereicht werden soll. Gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden und zwei mittelständischen Unternehmen will das Team von der TU Berlin dann weitere Daten erheben und ein neues mobiles Probeentnahme- und Messsystem entwickeln, mit dem die Wasserversorger direkt am Hydranten den Befall ihrer Leitungen mit Wasserasseln und anderen Organismen problemlos nachweisen und quantifizieren können. (Nach einer Pressemitteilung der Technische Universität Berlin vom 29.05.09; vgl. RUNDBR. 820/3, 416/2).

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 



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