aktualisiert:
31. Januar 2013
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Untersuchungen |
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WasserInBürgerhand!
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Das bisherige mikrobiologische
Untersuchungskonzept in der Trinkwasserversorgung erweist
sich mehr und mehr als unzureichend. Die reine „Endproduktkontrolle“ reicht
nicht mehr aus. Ferner bildet die mikrobiologische Analytik
von nur 100 ml Wasser nicht das Ganze zu erwartende Spektrum
von Mikroorganismen im Wasser ab. Das seit einem Jahrhundert
bewährte Konzept der Untersuchung von E. coli und coliformen
Keimen erweist sich im Hinblick auf neue mikrobiologische Erkenntnisse
und Vorsorgestrategien zusehend als unzureichend. Durch die
Anwendung neuer WHO-Empfehlungen rückt mehr und mehr die
Untersuchung der Rohwasserqualität in den Fokus.
Weil
die Trinkwasserkommission voraussichtlich künftig verschärfte
Anforderungen an die Hygiene stellen wird, müssen sich
die Wasserversorger darauf einstellen, dass der mikrobiologische
Untersuchungsumfang ansteigen wird. Der wachsende Kostendruck – u.
a. bedingt durch das rigide Vorgehen der Kartellämter – könnte
sich als kontraproduktiv für die Umsetzung anspruchsvollerer
Hygieneanforderungen in der Trinkwasserversorgung erweisen.
Dies sind die Kernaussagen eines
Workshops zu neuen mikrobiologischen Bewertungskonzepten in
der Trinkwasserversorgung. Der Workshop
fand im Mai 2012 im Rahmen des RiSKWa-Projektes (siehe
RUNDBR. 999/1) statt.
Details können in den nachfolgenden
Notizen nachgelesen werden. Weitere Informationen gibt es
bei der
RiSKWa-Koordination:
Frau Dipl.-Ing. Susanne Huckele
DECHEMA e. V.
Forschungsförderung und Tagungen
Theodor-Heuss-Allee 25
60486 Frankfurt am Main
Tel: (069) 7564-413; Fax: (069) 7564-117
E-Mail: huckele@dechema.de
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Emerging
pathogens“ führen
zu
neuen Vorsorgestrategien
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Im Rahmen des groß angelegten Forschungsverbundes „Risikomanagement
von neuen Schadstoffen und Krankheitserregern im Wasserkreislauf“ (RiSKWa,
siehe http://www.riskwa.de, siehe 999/1) beschäftigen
sich mehrere Forschergruppen auch mit einer Weiterentwicklung
der hygienischen Standards in der Trinkwasserversorgung. Um
das vorhandene Hygiene-Know-How des aus 12 Forschungsverbünden
bestehenden RiSKWa-Projektes zusammenzuführen, hat am
14. Mai 2012 in Frankfurt ein erstes Fachgespräch zum
Querschnittsthema „Bewertungskonzepte der Mikrobiologie“ stattgefunden.
Die Leitung der Gesprächsrunde im Frankfurter
DECHEMA-Haus hatte Prof. MARTIN EXNER übernommen. Der
Direktor des Instituts für Hygiene und öffentliche
Gesundheit in Bonn stellte sich als das dienstältestes
Mitglied der Trinkwasserkommission und deren Vorsitzender vor.
Exner kündigte
an, dass in der Kommission in den nächsten Monaten und
Jahren die Mikrobiologie ein Schwerpunktthema sein wird.
Die Überarbeitung
und Konkretisierung der Leitlinien „Was tun bei Ausbrüchen?“ sei
auch deshalb erforderlich, weil man es zunehmend mit „emerging
pathogens“ zu tun be-komme. So hätten neu auftretende
Keime wie E-HEC das Gesundheitswesen in Norddeutschland zum „Ächzen“ gebracht.
Bemerkenswert sei gewesen, dass der betreffende EHEC-Stamm
eine niedrigere Infektionsdosis als „normale“ E.
coli gehabt hätte. Bedenklich erscheine auch das Auftreten
von nosokominalen Erregern, die als antibiotikaresistente
Keime beispielsweise in Indien auch via Trinkwasser übertragen
werden. Die Gefahr bestehe, dass derartige „Krankenhauskeime“ bei
uns eingeschleppt werden könnten. Bemerkenswert sei
ferner, dass Parasiten wie Cryptosporidien und Giardien
bei uns routinemäßig
gar nicht untersucht würden.
Nach diesem Überblick über
die sich wandelnde Bedrohungssituation erläuterte
Exner die Zielsetzungen in der Trinkwasserhygiene: Erforderlich
seien umfassendere Bewertungskonzepte.
„Die Gesellschaft
erwartet von uns Strategien, die dann im angewandten Gesundheitsschutz
umgesetzt werden können.“
Der Vorsitzende der
Trinkwasserkommission unterstrich in diesem Zusammenhang,
dass seit 100 Jahren die
Konzepte zur Vorsorge und Ri-sikominimierung nicht
mehr weiterentwickelt worden seien. Die mikrobiologischen
Trinkwasseranalysen würden
sich in der Regel ausschließlich auf bakterielle
Indikatoren beschränken. Diese selektive Vorgehensweise
habe sich für die klassischen trinkwasserbedingten
Seuchen bis heute durchaus bewährt. Aufgrund
neuer Erkenntnisse in der Mikrobiologie und der
Epidemologie
müsse man
dieses beschränkte Konzept aber überdenken.
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100
ml Probenahmevolumen
reichen
nicht mehr aus
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Anschließend verdeutlichte der Bonner
Hygiene-Fachmann den entscheidenden Unterschied zwischen chemischen
und mikrobiologischen Belastungen des Trinkwassers: Während
chemische Kontaminanten chronische Schäden zur Folge
hätten, erfordere eine mikrobiologische Belastung ein
sofortiges Handeln – also ein sofortiges Abkochgebot,
bis die Stoßchlorung beim Verbraucher ankommt. Dabei
sei zu beachten, dass bakterielle Krankheitserreger in der
Infektionsdosis große Unterschiede aufweisen könnten.
Die Infektionsdosis könne so niedrig liegen, dass die
bislang übliche Routineanalytik mit 100 ml Probenahmevolumen
in Frage zu stellen sei. So sei es beispielsweise im Hinblick
auf EHEC nicht statthaft, anzunehmen, dass ein Nichtnachweis
in 100 ml eine Risikofreiheit bedeute. Die niedrige Infektionsdosis
von EHEC habe auch Bedeutung für die Badwasserqualität.
Insofern solle man bei den Fluss- und Badegewässeruntersuchungen
im RiSKWa-Projekt auch EHEC ins mikrobiologische Untersuchungsspektrum
aufnehmen. Aufgrund der Beprobung in Einzelwasserversorgungen
in Bayern sei bekannt, dass auch dort positive Befunde öfters
vorkommen würden.
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Auf
die Rohwasserbeschaffenheit
kommt es an!
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Das Umweltbundesamt und die Trinkwasserkommission
seien sich einig, dass das traditionelle Überwachungskonzept
ergänzt werden müsse: Bei primär aus dem Rohwasser
stammenden Erregern müssten die Erreger quantitativ erfasst
werden. Nur dann könne in der Risikobewertung beurteilt
werden, ob Maßnahmen im Einzugsgebiet und/oder in der
Aufbereitung erforderlich seien. EXNER verwies in diesem Zusammenhang
auf die Begründung zu § 14 (4) der Trinkwasserverordnung.
Würden tatsächlich trinkwasserbürtige Erkrankungen
auftreten, könnten sich Wasserversorger und Gesundheitsämter
nicht mehr auf die Einhaltung des veralteten Konzepts zurückziehen.
Künftig werde jedes Wasserwerk über die Rohwasserbeschaffenheit
Rechenschaft ablegen müssen. Die Forderung von Prof.
EXNER:
„Jeder Wasserversorger muss wissen, wie
es mit dem Rohwasser unter bestimmten Witterungseinflüssen
aussieht. Jeder Wasserversorger muss die Effizienz der Aufbereitung
belegen
können.“
Dazu diskutiere man in der Kommission
standardisierte Verfahren, die für Rohwasser in
speziellen Fällen über 100 ml Volumina hinausgehen
könnten.
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Die
Wetterabhängigkeit
der Rohwasserbelastung
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Für EXNER kommt es darauf an, wetterbedingte
Hochrisikoperioden – beispielsweise Starkniederschlagsereignisse
nach längeren Trockenwetterphasen – mit in die
Bewertung einzubeziehen. Zu beachten sei hierbei, dass die
Abklingzeit für das Auftreten von Erregern nach Starkniederschlagsereignissen
einzugsgebietsspezifisch sei. Basierend auf den Untersuchungen
im Einzugsgebiet müsse man eruieren, welche Schritte
im Einzugsgebiet vonnöten sind – beispielsweise
die Verlegung von besonders gesicherten Abwasserleitungen,
die Ertüchtigung von Kläranlagen oder eine Reduzierung
der Beweidungsintensität im Einzugsgebiet. Erst wenn
man an der Schraube im Einzugsgebiet nicht mehr drehen könne,
müsse man an die Aufbereitung ran. Der Auswahl der
geeigneten Aufbereitungstechnik müsse der schlechteste
Befund im Rohwasser zu Grunde gelegt werden. Nur dann könnten
eventuell auftauchende Peaks sicher abgefangen werden. Eine
kurzzeitige Spitzenbelastung reiche aus, um einen Ausbruch
zu provozieren, so die Warnung von EXNER. Im Hinblick auf
Viren erläuterte der Vorsitzende der Trinkwasserkommission
die analytischen Schwierigkeiten: Bei hochvirulenten Viren
wäre die Untersuchung von bis zu mehreren 10.000 Litern
Trinkwasser von Nöten. Im stärker belasteten Rohwasser
brauche man weniger Volumina für den analytischen Nachweis.
Die Konzentration im Rohwasser sei aber u. a. vom Wetter
abhängig – vor allem in Hinblick auf die Einschwemmung
von Erregern auf Grund von Starkniederschlägen. Die
Probenahmen müssten in die kritischen Phasen gelegt
werden.
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Konzentration
x Virulenz x Antibiotikaresistenz
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Der Bonner Hygiene-Professor rief anschließend
noch einmal das WHO-Bewertungskonzept in Erinnerung: Die
Gefährdung ergäbe sich aus der Konzentration der
Mikroorganismen und deren Virulenz – wobei man diesbezüglich
eine sehr breite Varianz schon innerhalb der E. coli konstatieren
müsse. In die Gefährdungsbeurteilung müsse
außerdem die Antibiotikaresistenz der Mikroorganismen
sowie der spezifische Immunstatus der sensibelsten Trinkwasserkonsumenten
einbezogen werden. EXNER wies in diesem Zusammenhang darauf
hin, dass beispielsweise bei Noroviren keine langandauernde
Immunität vorhanden sei und AIDS-Kranke ohnehin einen
schlechten Immunstatus aufweisen würden. Zu berücksichtigen
sei außerdem, dass eine älter werdende Bevölkerung
generell anfälliger werden könnte.
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Durchkreuzen
die Kartellämter
die Vorsorgestrategie?
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EXNER zog das Fazit, dass sich die Verfahren
zur Risikobewertung derzeit „in einem großen
Wandel befinden“ würden. Im Hinblick auf die wachsenden
Anforderungen an die Trinkwasserhygiene erwähnte EXNER
den zunehmenden Druck der Kartellbehörden. Die Preissenkungsverfügungen
und der dadurch verursachte Kostendruck könnten die
Abwälzung der Kosten im Gefolge steigender Hygieneanforderung
auf Preise erschweren.
„Wenn das zum Zuge kommt, werden
die Wasserwerke vor den eigentlich notwendigen Investitionen
zurückschrecken“,
so die Befürchtung des
Hygiene-Professors.
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Gibt
es einen Goldstandard
für die Analyse von Viren?
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Auch Frau Dr. BEATE HAMBSCH kam in ihrem Vortrag über „Vorkommen
und Nachweisverfahren für Mikroorganismen und Viren
im Wasser“ zum Ergebnis, dass die bisherige „Endproduktkontrolle“ allein
nicht mehr ausreiche. Die Untersuchung auf Indikatoren für
fäkale Erreger (E. coli) erfasse nicht die viralen Gefährdungen.
Die Mitarbeiterin des DVGW-Technologiezentrums Wasser (TZW)
in Karlsruhe erläuterte, dass bei dem niedrigen Größenbereich
der Viren von max. 100 nm eine Eliminierung anspruchsvoll
sei. Hinzu komme die niedrige Infektionsdosis der Viren.
Außerdem bedinge der Nachweis von Viren einen hohen
analytischen Aufwand. Auch wenn eine Anreicherung von bis
1.000 Litern erfolge, müsse man teilweise eine sehr
geringe Wiederfindungsrate in Kauf nehmen. Weil Bakteriophagen
in einer größeren Anzahl als Viren auftreten,
seien sie als virale Indikatoren geeignet. Aufwendige Anreicherungsverfahren
könne man sich ersparen. Zudem seien Bakteriophagen
in Bezug auf Umweltstabilität und Rückhaltung gut
mit enteropathogenen Viren vergleichbar.
HAMBSCH erläuterte,
dass die Erfassung der mikrobiellen Belastungen entlang
des Rheins seit dem Jahr 2011 mit der Analytik von Coliphagen
ergänzt worden sei. Deren Konzentrationen hätten
um zwei Zehnerpotenzen geschwankt. Eine feste Korrelation
zur Wasserführung habe man nicht feststellen können.
Allerdings sei zu beobachten, dass sowohl Coliphagen als
auch E. coli und andere Mikroorganismen auf der Fließstrecke
zunehmen würden. Im Hinblick auf Phagen habe man auch
Talsperren unter Hochwassereinfluss untersucht. Wenn man
allerdings im Rohwasser in stark belasteten Talsperren
nur 20 Phagen findet, könne man in der Aufbreitung
keine 5 Log-Stufen nachweisen. Generell sei zu beachten,
dass der
Eliminationsgrad in der großtechnischen Aufbereitung
in Bezug auf Viren nicht gemessen werden könne – dies
sei allenfalls halbtechnisch mit Aufstockungsversuchen
mit Referenzpathogenen möglich.
In der anschließenden
Diskussion wurde die Indikatorfunktion von Bakteriophagen
allerdings in Zweifel gezogen. „Es gibt keinen
Goldstandard für Viren“, so die Überzeugung
eines Workshop-Teilnehmers. Hamsch führte hierzu
aus, dass es eine direkte Korrelation zwischen dem Auftreten
von Bakteriophagen und humanpathogenen
Keimen nicht geben würde. Für die Einfachheit
der Analytik sei aber wichtig, dass Bakteriophagen sehr
viel
häufiger als Adenoviren, geschweige denn Noroviren,
seien. Humanpathogene Viren werde es nur geben, wenn
beim beprobten Vorfluter Abwassereinleitungen erfolgen
würden.
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