aktualisiert:
17. Oktober 2007

 

 

 

 

 

 

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  Untersuchungen  


WasserInBürgerhand!

 

aus: FORMAT/Geld und Börse 13.9.2007

Österreich

Das Milliardenbusiness Wasser -
Kommunalversorgung gerät in private Hand

Grundlage des Lebens garantiert sprudelnde Gewinne
Angst vor profitgierigen Wasserkonzernen ist groß

Foto: brigitta.klotz@web.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weltweit sind die großen Wasserkonzerne auf dem Vormarsch und Privatisierungen am Wassermarkt ein Megatrend – auch in Österreich. Politisch ist das Thema hochsensibel, denn die Angst vor profitgierigen Unternehmen, die den Hahn einfach abdrehen können, wenn Gewinne nicht ordentlich sprudeln, und sich österreichischer Quellen und Brunnen bemächtigen, sitzt tief.

Derzeit werden weniger als zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung von privaten Anbietern versorgt, in Frankreich dagegen sind es mehr als achtzig, in England gar hundert Prozent. Doch das könnte sich bald ändern. Denn das Geschäft der internationalen Wasserriesen läuft wie geschmiert: Alleine der französische Multi Suez steigerte den Umsatz seiner Wassersparte im Vorjahr um sieben Prozent auf 3,8 Milliarden Euro, Konkurrent Veolia um zehn Prozent auf mehr als zehn Milliarden Euro. Die beiden Unternehmen kontrollieren gemeinsam 65 Prozent des internationalen Marktes privater Anbieter. Insgesamt – den kommunalen Bereich eingerechnet – ist der globale Markt für Wasserversorgung sogar 400 Milliarden Dollar schwer und wächst pro Jahr um sechs bis acht Prozent.

Die Wasserversorgung ist ein natürliches Monopol, und seit Jahren steigt die Verbrauchsmenge dramatisch an. Der Wasserkonsum hat sich in den letzten vierzig Jahren verdoppelt und liegt heute bei rund 4.300 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. 2025 werden es 5.200 Milliarden Kubikmeter sein, vor allem wegen gigantischer landwirtschaftlicher Bewässerung in manchen Teilen der Erde. Nur neun Prozent der weltweiten Wasserversorgung sind in privater Hand – ein riesiges Potenzial für Konzerne. Dazu kommt ein enormer Investitionsbedarf in den kommenden Jahren. "In den USA sind manche Leitungsnetze zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg saniert worden. Wenn diese Probleme sichtbar werden, fasst der private Sektor weiter Fuß", glaubt Hans-Peter Portner. Der Schweizer ist Manager des Pictet-Wasserfonds, in dem derzeit 4,4 Milliarden Euro veranlagt sind und der in den letzten drei Jahren 67 Prozent Rendite erwirtschaftete.

Europa als Wachstumsmarkt

Vor allem Europa steht auf der Expansionsliste der globalen Wasserversorger wie Veolia und Suez ganz oben. Der Grund: Das Engagement der Konzerne in einigen Schwellen- und Entwicklungsländern scheiterte, und die Unternehmen wollen ihren Aktionären stabile Renditen bieten. In Europa und den USA ist dies leichter möglich als etwa in Bolivien und Gabun.

Denn in Afrika, Südamerika und Südostasien gehört Wasserknappheit zum Alltag. Anders als in Österreich, wo nur vier Prozent des jährlich verfügbaren Wassers überhaupt verbraucht werden können, bedeuten dort weniger Wasser oder hohe Preise Krankheit und Tod. Dementsprechend groß sind auch die Proteste gegen eine Aneignung des Wassers durch profitorientierte Konzerne. Und dementsprechend lang ist auch die Liste der Misserfolge bei Privatisierungen: Im bolivianischen Cochabamba etwa musste der US-Konzern Bechtel nach monatelangen Straßenkämpfen wegen gestiegener Wasserpreise die Versorgung im Jahr 2000 wieder zurückgeben. In Gabun und Kolumbien gab es ähnliche Fälle. Auch in Buenos Aires und Manila beendeten die internationalen Wasserkonzerne ihr Engagement.

Erfolgreicher waren die Multis bislang in europäischen Metropolen wie Berlin. Veolia und der deutsche Versorgungsmulti RWE erwarben im Jahr 1999 vom Land um 1,7 Milliarden Euro exakt 49,9 Prozent an den BerlinerWasserbetrieben. Dort sahnt Veolia nun jährlich 30 Millionen Euro ab.

Rund 7.900 Versorger sind in Österreich am Wassermarkt tätig – von lokalen Genossenschaften örtlicher Bauern über kommunale Organisationen bis hin zu börsennotierten Konzernen wie EVN und deren Tochtergesellschaft EVN Wasser. Große Privatisierungen in der Wasserwirtschaft sind bis zur Ausschreibung der Versorgung in Klagenfurt ausgeblieben. Der Grund: Wie eine kürzlich von der AK Wien veröffentlichte Studie belegt, ist die Branche mit ihrer öffentlichen Struktur im Vergleich zu anderen europäischen Ländern äußerst effizient. Die Investitionen in das Leitungsnetz und die Wasserqualität sind seit Jahren hoch, die Wasserverluste durch lecke Rohre gering.

Auch die Preise sind im Gegensatz zu Ländern mit einem Wassermarkt, der sich vorwiegend in der Hand Privater befindet, wie England und Frankreich, niedrig. In Österreich liegt der Preis für einen Kubikmeter Trinkwasser bei 1,06 Euro. In Frankreich sind es 1,26, in England 1,25. Dennoch fehlt den Kommunen oft das Geld, oder sie sind schlicht überfordert. Die hohen Standards aus der neuen EU-Wasserrichtlinie sind für die meisten ebenfalls schwer zu erfüllen, sodass Gemeinden die Aufgaben an Unternehmen abgeben. EVN, die Linz AG sowie die Energie AG expandieren daher rasant. "Wir sind immer offen für langfristige Geschäfte mit Gemeinden", bekennt EVN-Wasser-Chef Franz Dinhobl, der bereits mehr als 300 Gemeinden mit Wasser beliefert.

Die Modelle dabei sind sehr unterschiedlich: Meist übernehmen Firmen durch langfristige Verträge den Betrieb der Wasserleitungen, ohne die Rohre, Anlagen und Quellen selbst zu besitzen. Investitionen in das Netz muss dann weiter die Kommune tätigen. Für die meisten Konzerne ist das lukrativ, denn so bleiben hohe Bau- und Erhaltungskosten Sache der öffentlichen Hand. Manchmal aber geht auch das Eigentum am Netz und der Wasseranlage an den neuen Betreiber über. In solchen Fällen darf dieser auch die Gebührenhöhe bestimmen. Die EVN Wasser etwa hat in 16 Gemeinden Gebührenhoheit. Derzeit verlangt das Unternehmen, das 2006 rund 23 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete und damit nach den Wiener Wasserwerken zweitgrößter Wasserversorger des Landes ist, bei den Endkunden 1 bis 1,70 Euro pro Kubikmeter Wasser. "Der Wasserpreis ist bei uns immer gleich geblieben. Dieser ist an den Verbraucherpreisindex gekoppelt und wird nach Rücksprache mit der Gemeinde festgelegt", sagt Dinhobl.

Explodierende Gebühren in England

Denn steigende Preise sehen Konsumenten gar nicht gern. In England und Wales, wo 1989 unter Margaret Thatcher hundert Prozent der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung an Unternehmen auf Konzessionsbasis abgegeben wurden, explodierten die Gebühren. Auch in Berlin wurde seit der Privatisierung 1999 das Entgelt für Wasser dramatisch erhöht. Derzeit läuft ein Volksbegehren für einen Rückkauf durch die Stadt. Der heikelste Punkt im Wassergeschäft ist jedoch, wer letztlich die Wasserrechte besitzt. Bei dieser Frage geht es um das Eingemachte. Laut österreichischem Wasserrecht sind Quellen, Grundwasser und kleine Bäche private Gewässer. Diese dürfen nur für den eigenen Haus- und Wirtschaftsnutzen verwendet werden. Versorgt man Dritte damit, wird eine behördliche Genehmigung benötigt. Diese Bewilligungen sind auch übertragbar. Politisch ist das höchst sensibel.

Mit seinem Wasserreichtum besitzt Österreich einen vorläufig noch kaum genutzten Schatz. Das Vordringen privater Versorger wird in Zukunft dafür sorgen, dass das kühle Nass, Grundlage allen Lebens, verstärkt für sprudelnde Gewinne herangezogen wird.


Ausführlichere Informationen finden Sie im aktuellen FORMAT 36/07!

 

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