Weltweit sind die großen
Wasserkonzerne auf dem Vormarsch und Privatisierungen am
Wassermarkt ein Megatrend – auch in Österreich.
Politisch ist das Thema hochsensibel, denn die Angst vor
profitgierigen Unternehmen, die den Hahn einfach abdrehen
können, wenn Gewinne nicht ordentlich sprudeln, und
sich österreichischer Quellen und Brunnen bemächtigen,
sitzt tief.
Derzeit werden weniger als
zehn Prozent der österreichischen
Bevölkerung von privaten Anbietern versorgt, in Frankreich
dagegen sind es mehr als achtzig, in England gar hundert Prozent.
Doch das könnte sich bald ändern. Denn das Geschäft
der internationalen Wasserriesen läuft wie geschmiert:
Alleine der französische Multi Suez steigerte den Umsatz
seiner Wassersparte im Vorjahr um sieben Prozent auf 3,8 Milliarden
Euro, Konkurrent Veolia um zehn Prozent auf mehr als zehn Milliarden
Euro. Die beiden Unternehmen kontrollieren gemeinsam 65 Prozent
des internationalen Marktes privater Anbieter. Insgesamt – den
kommunalen Bereich eingerechnet – ist der globale Markt
für Wasserversorgung sogar 400 Milliarden Dollar schwer
und wächst pro Jahr um sechs bis acht Prozent.
Die Wasserversorgung ist ein natürliches Monopol, und
seit Jahren steigt die Verbrauchsmenge dramatisch an. Der Wasserkonsum
hat sich in den letzten vierzig Jahren verdoppelt und liegt
heute bei rund 4.300 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. 2025 werden
es 5.200 Milliarden Kubikmeter sein, vor allem wegen gigantischer
landwirtschaftlicher Bewässerung in manchen Teilen der
Erde. Nur neun Prozent der weltweiten Wasserversorgung sind
in privater Hand – ein riesiges Potenzial für Konzerne.
Dazu kommt ein enormer Investitionsbedarf in den kommenden
Jahren. "In den USA sind manche Leitungsnetze zuletzt
nach dem Zweiten Weltkrieg saniert worden. Wenn diese Probleme
sichtbar werden, fasst der private Sektor weiter Fuß",
glaubt Hans-Peter Portner. Der Schweizer ist Manager des Pictet-Wasserfonds,
in dem derzeit 4,4 Milliarden Euro veranlagt sind und der in
den letzten drei Jahren 67 Prozent Rendite erwirtschaftete.
Europa als Wachstumsmarkt
Vor allem Europa steht auf der Expansionsliste der globalen
Wasserversorger wie Veolia und Suez ganz oben. Der Grund:
Das Engagement der Konzerne in einigen Schwellen- und Entwicklungsländern
scheiterte, und die Unternehmen wollen ihren Aktionären
stabile Renditen bieten. In Europa und den USA ist dies leichter
möglich als etwa in Bolivien und Gabun.
Denn in Afrika, Südamerika und Südostasien gehört
Wasserknappheit zum Alltag. Anders als in Österreich,
wo nur vier Prozent des jährlich verfügbaren Wassers überhaupt
verbraucht werden können, bedeuten dort weniger Wasser
oder hohe Preise Krankheit und Tod. Dementsprechend groß sind
auch die Proteste gegen eine Aneignung des Wassers durch profitorientierte
Konzerne. Und dementsprechend lang ist auch die Liste der Misserfolge
bei Privatisierungen: Im bolivianischen Cochabamba etwa musste
der US-Konzern Bechtel nach monatelangen Straßenkämpfen
wegen gestiegener Wasserpreise die Versorgung im Jahr 2000
wieder zurückgeben. In Gabun und Kolumbien gab es ähnliche
Fälle. Auch in Buenos Aires und Manila beendeten die internationalen
Wasserkonzerne ihr Engagement.
Erfolgreicher waren die Multis bislang in
europäischen
Metropolen wie Berlin. Veolia und der deutsche Versorgungsmulti
RWE erwarben im Jahr 1999 vom Land um 1,7 Milliarden Euro exakt
49,9 Prozent an den BerlinerWasserbetrieben. Dort sahnt Veolia
nun jährlich 30 Millionen Euro ab.
Rund 7.900 Versorger sind in Österreich am Wassermarkt
tätig – von lokalen Genossenschaften örtlicher
Bauern über kommunale Organisationen bis hin zu börsennotierten
Konzernen wie EVN und deren Tochtergesellschaft EVN Wasser.
Große Privatisierungen in der Wasserwirtschaft sind bis
zur Ausschreibung der Versorgung in Klagenfurt ausgeblieben.
Der Grund: Wie eine kürzlich von der AK Wien veröffentlichte
Studie belegt, ist die Branche mit ihrer öffentlichen
Struktur im Vergleich zu anderen europäischen Ländern äußerst
effizient. Die Investitionen in das Leitungsnetz und die Wasserqualität
sind seit Jahren hoch, die Wasserverluste durch lecke Rohre
gering.
Auch die Preise sind im Gegensatz
zu Ländern mit
einem Wassermarkt, der sich vorwiegend in der Hand Privater
befindet, wie England und Frankreich, niedrig. In Österreich
liegt der Preis für einen Kubikmeter Trinkwasser bei 1,06
Euro. In Frankreich sind es 1,26, in England 1,25. Dennoch
fehlt den Kommunen oft das Geld, oder sie sind schlicht überfordert.
Die hohen Standards aus der neuen EU-Wasserrichtlinie sind
für die meisten ebenfalls schwer zu erfüllen, sodass
Gemeinden die Aufgaben an Unternehmen abgeben. EVN, die Linz
AG sowie die Energie AG expandieren daher rasant. "Wir
sind immer offen für langfristige Geschäfte mit Gemeinden",
bekennt EVN-Wasser-Chef Franz Dinhobl, der bereits mehr als
300 Gemeinden mit Wasser beliefert.
Die Modelle dabei sind sehr
unterschiedlich: Meist übernehmen
Firmen durch langfristige Verträge den Betrieb der Wasserleitungen,
ohne die Rohre, Anlagen und Quellen selbst zu besitzen. Investitionen
in das Netz muss dann weiter die Kommune tätigen. Für
die meisten Konzerne ist das lukrativ, denn so bleiben hohe
Bau- und Erhaltungskosten Sache der öffentlichen Hand.
Manchmal aber geht auch das Eigentum am Netz und der Wasseranlage
an den neuen Betreiber über. In solchen Fällen darf
dieser auch die Gebührenhöhe bestimmen. Die EVN Wasser
etwa hat in 16 Gemeinden Gebührenhoheit. Derzeit verlangt
das Unternehmen, das 2006 rund 23 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete
und damit nach den Wiener Wasserwerken zweitgrößter
Wasserversorger des Landes ist, bei den Endkunden 1 bis 1,70
Euro pro Kubikmeter Wasser. "Der Wasserpreis ist bei uns
immer gleich geblieben. Dieser ist an den Verbraucherpreisindex
gekoppelt und wird nach Rücksprache mit der Gemeinde festgelegt",
sagt Dinhobl.
Explodierende Gebühren
in England
Denn steigende Preise sehen
Konsumenten gar nicht gern. In England und Wales, wo 1989
unter Margaret Thatcher hundert
Prozent der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung an
Unternehmen auf Konzessionsbasis abgegeben wurden, explodierten
die Gebühren.
Auch in Berlin wurde seit der Privatisierung 1999 das Entgelt
für Wasser dramatisch erhöht. Derzeit läuft
ein Volksbegehren für einen Rückkauf durch die
Stadt. Der heikelste Punkt im Wassergeschäft ist jedoch,
wer letztlich die Wasserrechte besitzt. Bei dieser Frage
geht es um das Eingemachte. Laut österreichischem Wasserrecht
sind Quellen, Grundwasser und kleine Bäche private Gewässer.
Diese dürfen nur für den eigenen Haus- und Wirtschaftsnutzen
verwendet werden. Versorgt man Dritte damit, wird eine behördliche
Genehmigung benötigt. Diese Bewilligungen sind auch übertragbar.
Politisch ist das höchst sensibel.
Mit seinem Wasserreichtum besitzt Österreich einen vorläufig
noch kaum genutzten Schatz. Das Vordringen privater Versorger
wird in Zukunft dafür sorgen, dass das kühle Nass,
Grundlage allen Lebens, verstärkt für sprudelnde
Gewinne herangezogen wird.
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