aktualisiert:
17. November 2011
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Recht
und Unrecht |
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WasserInBürgerhand!
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BBU-Wasser-Rundbrief,
2.10.2011
Verbessert die EG-Wasserrahmen-Richtlinie
das gesundheitliche Wohlbefinden?
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Der
Relevanz der EG-Wasserrahmenrichtlinie für die menschliche
Gesundheit gehen CHRISTIANE SCHREIBER & THOMAS KISTEMANN
in dem Aufsatz „Die Berücksichtigung von Aspekten
des Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsförderung
im modernen Gewässermanagement“ in HygMed 2010;
35 [10], S. 352 – 360, nach.
Die
Autoren konstatieren große Gemeinsamkeiten zwischen
der EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) und dem WHO-Protokoll über
Wasser und Gesundheit (PWG). Allerdings sei dieses
Protokoll so gut wie allen Akteuren
in der Wasserwirtschaft unbekannt – und selbst die
MitarbeiterInnen der Gesundheitsverwaltung hätten oft
nur rudimentäre
Kenntnisse.
Als
Beleg für die erkannten Defizite führen
SCHREIBER & KISTEMANN die Ergebnisse von sechzehn qualifizierten
Experteninterviews an. Die Interviews waren mit wasserwirtschaftlichen
Fachleuten aus Behörden, Wasserverbänden und
Planungsbüros
sowie mit MitarbeiterInnen der Gesundheitsverwaltung im
Einzugsgebiet eines nordrhein-westfälischen Fließgewässers
geführt worden. In den Interviews war u.a. das „individuelle
Bewusstsein der Gesprächspartner über die Verknüpfung
von Gewässerschutz und Gesundheitsschutz“ abgefragt
worden. Beispielsweise waren die Interviewpartner mit
folgenden Fragen konfrontiert worden:
-
Kennen Sie Bereiche in der EG-WRRL, die die menschliche
Gesundheit betreffen?
-
Können Sie sich vorstellen, dass das neue Gewässermanagement
im Sinne der EG-WRRL Auswirkungen auf die Gesundheit
des Menschen haben kann? Wenn ja, welche? Wenn nein,
warum nicht? (Positiveffekte
und Negativeffekte)
-
Kennen Sie das WHO-Protokoll über Wasser und Gesundheit?
Nach
Ansicht der Autoren zeugten die Antworten von viel Unwissenheit.
Die Wissens- und Bewusst-seinsdefizite führten die
Autoren u.a. darauf zurück, dass
zwischen Wasserwirtschafts- und Gesundheitsbehörden
immer noch zu wenig kooperiert wird, dass es darüber
hinaus aber grundsätzlich am interdisziplinären
Handeln fehlt. Wenn in Ausnahmefällen doch
ein Mal über den Tellerrand
geblickt wurde,
„schien die Inanspruchnahme
informeller Kontakte zum Erfahrungsaustausch (…) dabei
im Wesentlichen abhängig zu sein von persönlichen
Kontakten und der prinzipiellen Offenheit des jeweiligen Akteurs.“
Korrespondierende Autorin:
Dipl.-Biol. Dipl.-Geogr. Christiane Schreiber
Arbeitsgruppe Medizinische
Geographie und Public Health
Institut für Hygiene und Öffentliche
Gesundheit
Sigmund Freud-Str. 25
53015 B o n n
E-Mail: christiane.schreiber@ukb.uni-bonn.de
Der
Rezensent hat den Eindruck, dass die Herstellung von Gemeinsamkeiten
zwischen PWG und
WRRL etwas
zu bemüht erscheint. Gleichwohl
vermittelt der Aufsatz interessante Einblicke
in bislang wenig diskutierte Zusammenhänge. Mehr
zu den Ergebnissen aus der Untersuchung von SCHREIBER & KISTEMANN
in den nachfolgenden Notizen. -ng-
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PWG & WRRL:
Wo gibt es Gemeinsamkeiten? |
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Die Autoren
schreiben, dass „die Parallelen zwischen PWG und EG-WRRL
unverkennbar“ seien. Deshalb könne man beide Dokumente
und deren Vollzug „zweifellos synergistisch verknüpfen“.
U.a. weisen SCHREIBER & KISTEMANN darauf hin, dass sowohl
in der Wasserrahmenrichtlinie als auch im „Protokoll
Wasser und Gesundheit“ die Aufstellung von Wasser-Managementplänen
auf der Basis von Einzugsgebieten gefordert würde. Ferner
werde in beiden Dokumenten eine sektorübergreifende
Zusammenarbeit gefordert. Und Indikatoren, einheitliche
Standards, Monitoring und Öffentlichkeitsarbeit seien „wichtige
gemeinsame Instrumente beider Dokumente“. Hygienerelevante
Aspekte der Wasserrahmenrichtlinie sehen die Autoren bei
der Umsetzung der WRRL in der Trink- und Abwasserwirtschaft,
aber auch in der Landwirtschaft und im Bereich der Badegewässer.
Gleichwohl würden hygienische Aspekte im Gewässermonitoring
der EG-WRRL „bisher nicht betrachtet“.
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PWG & WRRL:
Warum Gesundheits- und Gewässerschutz nicht
zusammenfinden |
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Trotz des Gleichklangs von
PGW und WRRL könne man von einer
vernetzten Umsetzung der beiden Dokumente nicht sprechen. Die
suboptimale Vernetzung zwischen Wasserwirtschaft- und Gesundheitsverwaltung
bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie führen die
Autoren auf folgende Ursachen zurück:
„Da die EG-WRRL in ihren Zielen und Maßnahmen
die menschliche Gesundheit selbst nicht näher thematisiert,
wurde die kontinuierliche Beteiligung von Gesundheitsexperten
weder von leitender Stelle
gefordert, noch sahen sich die befragten örtlichen
Gesundheitsämter
selbst in der Verantwortung, aktiv zu werden, da die EG-WRRL
zunächst
keine ihrer behördlichen Pflichtaufgaben berührte.“
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PWG & WRRL:
Was steht im „WHO-Protokoll Wasser und Gesundheit“ |
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Was in dem „WHO-Protokoll
Wasser und Gesundheit“ inhaltlich
zu finden ist, wird von SCHREIBER & KISTEMANN nur kurz zusammengefasst:
„Die Verfolgung der Ziele des PWG soll über
eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung realisiert we-den, was
zum einen den Schutz
von Wasserökosystemen und -ressourcen und zum anderen
die Verhütung, Bekämpfung und Verringerung wasserbedingter
Krankheiten unterschiedlicher Art beinhaltet.“
Für diejenigen, die sich über das
WHO-Protokoll über
Wasser und Gesundheit schlau machen wollen, geben
die Autoren folgende Literatur an:
-
VEREINTE NATIONEN: „Protokoll über
Wasser und Gesundheit zu dem Übereinkommen
von 1992 zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender
Wasserläufe und internationaler
Seen vom 16. August 2006“. BGBl. II Nr.
22 vom 21.08.2006, S. 763 oder URL:
http://www.euro.who.int/Document/
Peh-ehp/ProtocolWaterg.pdf
-
WELTGESUNDHEITSORGANISATION: „The Protocol
on Water and Health: making a difference.“ 2005.
URL:
http://www.euro.who.int/document/wsn/
Water_protocol_2005.pdf
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PWG & WRRL:
Wie die WRRL indirekt die Gesundheit fördert |
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Auch wenn für viele der Interviewpartner
keine konkreten Zusammenhänge zwischen der Gesundheit
mit der EG-WRRL ersichtlich gewesen wären, so habe doch
Einigkeit darüber geherrscht, dass es „verschiedene
Berührungspunkte“ zur Gesundheit geben würde:
„Positiveffekte der EG-WRRL auf die
Gesundheit wurden von den befragten Akteuren durchaus vermutet.
Die Verbesserung der
stofflichen Trinkwasserqualität spielt in diesem Zusammenhang
nach Meinung der Befragten die größte Rolle.“
Der bessere Schutz der Rohwasserressourcen
komme „besonders
den Eigenversorgern im ländlichen Raum zu Gute“,
die nach Meinung der Befragten auf eine gute Rohwasserqualität „besonders
angewiesen“ seien. Als „eher weiche Faktoren“ wurde
die Stichworte Freizeit, Erholung, Erlebnisraum, Wohlbefinden, ästhetische
Aufwertung der (Stadt-)Landschaft und Begeisterung
an Natur eingestuft:
„Sie wurden am zweithäufigsten
als gesundheitsrelevante Konsequenz der EG-WRRL genannt.
An dritter Stelle rangierte
die Reduktion hygienisch-mikrobiologischer Belastungen
des Trinkwassers und der Badegewässer, welche u.a.
durch eine gesteigerte Selbstreinigungskraft der Gewässer
erwartet wurden.“
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PWG & WRRL:
Die therapeutische Wirkung von Flusslandschaften |
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Für die Autoren selbst kommt dem „landschaftsästhetischen“ Wert
von Flusslandschaften eine große Bedeutung für
das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen zu. Zitiert
wird Literatur, in der den Flüssen
„eine kulturhistorische,
künstlerische, psychologische und identitätsbestimmende
Dimension“
zugeschrieben wird. Deshalb müsse eine
ganzheitliche Betrachtung „über das objektiv
Inventarisierbare“ hinausgehen. Auch im Konzept der „therapeutic
landscapes“ würden Gewässer
„durch
ihre besondere Rolle der Umgebungsgestaltung
als raumgliedernde und klimawirksame, erlebbare Landschaftselemente
eine zentrale
Stellung ein(nehmen), da das seelische Wohlbefinden
eines Menschen stark mit der Wahrnehmung seiner Umgebung“ zusammenhängen
würde. „Das Zusammenspiel vielfältiger
Funktionen des Wassers“ sei der Grund, „Wasser
als ein Leitmotiv im medizinischgeographischen
Konzept der Therapeutischen
Landschaften anzusehen“,
argumentieren SCHREIBER & KISTEMANN.
So sei auch die Heimatidentifikation in ihrem
nordrhein-westfälischen
Untersuchungsgebiet „von Wasser und
Gewässern
geprägt“ gewesen.
Für diejenigen,
die sich für die therapeutische Wirkung
von Flusslandschaften interessieren, geben
die Autoren folgende Literatur
an:
-
POHL J.: „Die Wirklichkeit von Planungsbetroffenen
verstehen“.
Eine Studie zur Umweltbelastung
im Münchener Norden.
In: Sedlacek P, Hrsg. Programm und
Praxis quantitativer Sozialgeographie. Wahrnehmungsgeographische
Studien 6. Oldenburg; 1989: 39–64.
-
KLEEFELD K-D.: „Flusslandschaften zwischen
Persistenz und Überformung“. In:
Fischer H, Graafen R, Hrsg. Themenheft Flusslandschaften
zwischen Persistenz und Überformung.
Koblenzer Geographisches Kolloquium
23. Koblenz; 2001: 7–17.
-
GESLER WM.: „Therapeutic landscapes:
medical issues in light of the new cultural
geography“. Soc Sci Med 1992;
34 (7): 735–746.
-
FREDE H-G, BACH M, FOHRER D ET AL.: „Multifunktionalität
der Landschaft – Methoden
und Modelle“.
Pe359
-
MEIER A, ERDMANN K-H.: „Naturbilder
in der Gesellschaft: Analyse sozialwissenschaftlicher
Studien zur Konstruktion
von Natur“. Natur
und Landschaft 2004;
79 (1): 18–25.
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PWG & WRRL:
Begünstigt
die WRRL die Malaria? |
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Negativeffekte auf die Gesundheit, die durch
ein Gewässermanagement im Sinne der EG-WRRL hervorgerufen
werden könnten, waren den befragten Akteuren nur schwer
vorstellbar. Von einem Vertreter der Bodendenkmalpflege
[!] wurde allerdings die Befürchtung geäußert,
dass „die Entstehung von Mückenbrutherden in Stillwasserbereichen
im Zuge der Renaturierung und Klimaerwärmung mit Gefahr
von Malaria und anderen Vektor-übertragbaren Krankheiten“ begünstigt
werden könnte.
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PWG & WRRL:
Seuchenhygienische Risiken |
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SCHREIBER & KISTEMANN selbst ziehen in
ihrem Aufsatz einen großen Bogen vom Water Safety
Plan der WHO bis zu den hygienischen Risiken beim Baden
in Flüssen: Neben Sondergesetzen und Verordnungen für
Badegewässer, Roh- und Trinkwasser, in denen die entsprechenden
gesundheitsrelevanten Parameter Berücksichtigung finden,
biete der einzugsgebietsbezogene Gewässerschutz selbst
„als
die erste Stufe im Multibarrierenkonzept die Möglichkeit,
Wasserkontaminationen im Vorfeld zu vermeiden, die Aufbereitung
zu entlasten und zu adäquater Trink- und Badewasserqualität
beizutragen“.
Die „Guidelines for drinking
water quality“ der WHO würden mit dem
Konzept der „Water
Safety Plans“ diesen holistischen Ansatz ebenfalls
verfolgen. Dabei würde die Gesamtkette der Wasserversorgung
vom Einzugsgebiet bis zum Verbraucher in die Risikobewertung
einbezogen. Für die Autoren ist es auch wichtig,
„in
Anbetracht der zunehmenden Freizeitnutzung von
Gewässern
nicht nur den ökologischen Zustand zu verbessern,
sondern auch das seuchenhygienische Risikopotential
zu reduzieren“.
Nach Meinung der beiden Mitarbeiter des Instituts
für
Hygiene und Öffentliche Gesundheit der
Universität
Bonn sollte die Umsetzung der EG-WRRL
„daher
in Zukunft dahingehend ausgebaut werden, dass
das Monitoring
auch die
Wirkung auf die menschliche Gesundheit erfasst,
um im Einzelfall negative Wirkungen frühzeitig
erkennen und abwenden zu können“.
Diesbezüglich
wird von den beiden Autoren u.a. auf
folgende Literatur verwiesen:
-
MASCHER F, PICHLER-SEMMELROCK FP, REINTHALER
FF, MARTH E.: „Kann man in Flüssen
baden? Saprobiensystem versus Hygiene“.
Hyg Med 2009; 34:233–239.
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PWG & WRRL:
Umsetzung der WRRL nach dem Minimalprinzip |
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Abseits der hygienischen Betrachtung der EG-WRRL
ist der Aufsatz von SCHREIBER & KISTEMANN deshalb interessant,
weil er einige grundsätzliche Defizite im wasserwirtschaftlichen
Handeln beleuchtet. So kommen die Autoren beispielsweise
zum Schluss, dass „die meisten Kommunen“ bei
der Bearbeitung der EG-WRRL nur „das Minimalprinzip“ praktizieren
würden. Zudem wurde in einem Interview die Meinung
vertreten, dass
„jeder (…) sein Subsystem optimieren“ würde,
wobei sich die Frage stelle, „ob zum Schluss beim
Output da was Vernünftiges bei rauskommt“. Beklagt
wurde zudem „das Ressortdenken der Bürokratie,
bei welchem jeder einerseits darauf bedacht ist, anderen
von seinem
Kompetenzgebiet nichts abtreten zu müssen, andererseits
aber auch nicht bereit oder imstande ist, zusätzliche
Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen“.
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PWG & WRRL:
Die mangelnde Selbstreflektion des Fließgewässers |
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Die Antworten der Interviewpartner gingen
teilweise ins Philosophische:
„Letztlich ist es dem Gewässer ja nun völlig egal, ob in dem
Gewässer Lachse schwimmen oder ob da nur [...] Bakterien drin rumschwimmen
oder gar nichts mehr“, da der Fluss „keine Selbstreflexion hat und
von daher auch keine Meinung zu dem Thema“, argumentierte der Mitarbeiter
eines Wasserverbands.
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