aktualisiert:
27. Juni 2006

 

  Vor Ort aktiv  

WasserInBürgerhand!

Kleine Chronologie eines großen Sieges der Vernunft und der demokratischen Mitbestimmung

 

Von Peter A. Lefrank und Günther Zeuner,
den Ansprechpartnern des Fürther Wasserbündnisses Fürth,

im Juni 2006


September 2004:

 
  • Die Stadt Fürth sucht nach Geldquellen zur Verbesserung ihrer prekären Haushaltslage.
  • Die Standards der kommunalen Entwässerungsanlagen in Fürth sind Bayernweit beispielgebend und die Abwassergebühren dennoch im unteren Drittel aller bayerischen Städte.
  • Frau Gunda Röstel von der Gelsenwasser AG und der Geschäftsführer der infra fürth Holding GmbH, unseren ehemaligen Stadtwerken, Dr. Partheimüller, stellen ein sogenanntes Betreibermodell vor. Frau Röstel hält dabei Einsparungen von 25% für möglich. 20 bis 40 Millionen Euro winken und bewirken ein Leuchten in den Augen vieler Stadträte.
  • Das Baureferat setzt dem Betreibermodell die Idee eines optimierten kommunalen Eigenbetriebs entgegen.
  • Die Beschäftigten erteilen dem Personalrat ein 100%iges Votum für den Verbleib bei der Stadt.

23. November 2004:

 
  • Der Personalrat lädt zur ersten öffentlichen Informationsveranstaltung zum Thema Stadtentwässerung ein. Vertreter des Ortsverein von ver.di, von attac Fürth, vom BUND Naturschutz, von den Grünen, vom Fürther Nicaraguaverein und viele Beschäftigte des Abwasserbetriebes nehmen teil.
  • Die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens wird erstmalig diskutiert. Die Durchführung wird allerdings schwer werden. Die Presse kommentiert unsere Bemühungen mit ziemlicher Skepsis. Von 50 Fürther Stadträten befürworten die SPD mit 24 Sitzen mit wenigen Ausnahmen und die CSU mit 20 Sitzen die Privatisierung. Nur die 3 Vertreterinnen der Grünen unterstützen uns.

Dezember 2004

 
  • Im Zuge der Beratungen zum Haushalt 2005 beschließt der Stadtrat die Umwandlung der Stadtentwässerung in einen Eigenbetrieb. Diese Betriebsform ist eine Voraussetzung für die weitergehende Privatisierung. Hauptgrund ist allerdings, dass man den Betrieb mit einem Trägerdarlehen in Höhe von 85 Millionen Euro belasten kann. Mit der ersten Rückzahlrate des Eigenbetriebs an die Stadt in Höhe von 23 Millionen Euro wird der städtische Haushalt genehmigungsfähig gemacht.

26. Januar 2005:

 
  • Offizielle Gründung des Fürther Wasserbündnisses.
  • Beginn der Planung von Aktionen für den internationalen Tag des Wassers und Entwurf von Plakaten und Flugblättern.
  • Im darauf folgenden Pressebericht wird erstmalig die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens in die öffentliche Diskussion gebracht.

Februar und März 2005:

 

  • Plakatieren in Läden und Gaststätten sowie Verteilung von mehr als 2000 Flugblättern mit der Einladung zu unseren Aktionen am internationalen Tag des Wassers.
  • Wir bemühen uns um die Vergrößerung unseres überparteilichen, breit gefächerten Zusammenschlusses unterschiedlicher Interessensgruppen. Der Mieterverein Fürth und Umgebung e.V. tritt unserem Bündnis bei. Das Bündnis besteht nun aus attac Fürth, dem Bund für Geistesfreiheit Bayern, dem Bund Naturschutz Fürth, dem Fürther Sozialforum, dem Mieterverein Fürth und Umgebung e.V., Müll und Umwelt e.V. Fürth, der Nicaraguasolidarität, den Unabhängigen Frauen Fürth, dem ver.di-Ortsverein Fürth und vielen Fürther Bürgerinnen und Bürgern
  • Der Fürther Haus- und Grundbesitzerverein tritt unserem Bündnis zwar nicht bei, arbeitet aber aktiv bei uns mit.

19. März 2005:

 

  • Unser erster Wasseraktionstag:
    • - Infostand der Beschäftigten des Abwasserbetriebs mit Informationen über die Funktion unserer Kläranlage und die zu erwartende Gebührenentwicklung.
    • - Infostände von ver.di und attac mit Informationen zur geplanten Bolkestein-Dienst-leistungsrichtlinie und zu den Themen Privatisierung und Globalisierung.
    • - Infostände vom BUND Naturschutz und vom Nicaraguaverein mit Informationen zum Thema Wasserkreislauf
  • Ergebnis: Die äußerst positive Resonanz der Bürgerinnen und Bürger ist ein voller Erfolg für uns. Der anschließende Pressebericht ist ebenfalls durchwegs erfreulich.

1. Mai 2005:

 

  • Das Fürther Wasserbündnis schließt sich der Demo zum 1. Mai an und hat einen eigenen Infostand. Der Oberbürgermeister bekräftigt in seiner Ansprache zum 1. Mai unter dem Eindruck unseres Erfolgs am Wasseraktionstag, dass nun das Thema der Privatisierung vom Tisch und Gründlichkeit besser als Eile sei.
Sommer 2005:

 

  • Im Stadtrat werden dennoch weiter Modelle diskutiert, die Stadtentwässerung in Form eines 50/50 Modells zur infra fürth Holding GmbH zu geben, die eine städtische Tochter ist und somit problemlos.
  • Im Versorgungsbereich der infra fürth Holding GmbH ist allerdings die E.ON Bayern bereits mit einem 20%igen Anteil beteiligt – und damit auch an der Fürther Wasserversorgung, was den meisten Fürther Bürgern gar nicht bewusst ist.

25. September 2005:

 

  • Unser zweiter Wasseraktionstag am Tag der offenen Tür der Stadt Fürth:
    • Groß angelegte Plakataktion in der gesamten Stadt. Von Seiten der Grünen und der WASG wird uns die kostenlose Nutzung ihrer Wahlplakatständer gestattet, die unmittelbar nach den Bundestagswahlen noch über das ganze Stadtgebiet verteilt sind.
    • Verteilung von Hunderten von Flugblättern mit der Einladung zu unseren Infoständen.
    • Infostände von Verdi und attac, vom BUND Naturschutz und vom Nicaraguaverein.
  • Ergebnis: Wieder ist die Resonanz der Bürgerinnen und Bürger überaus positiv.

Januar bis März 2006:

 

  • Seit dem 01. Januar 2006 wird der Stadtentwässerungsbetrieb als kommunaler Eigenbetrieb geführt. Der Stadtrat will jedoch bis zur Jahresmitte entscheiden, ob diese Betriebsform weiterhin beibehalten werden soll. Von verschiedenen Seiten werden weitere Pläne diskutiert, den kommunalen Eigenbetrieb in eine Abwasser GmbH unter dem Dach der infra fürth gmbh umzuwandeln.
  • Wir besuchen das Treffen von W!B (Wasser in Bürgerhand) in Augsburg und lernen viel vom Vorgehen der Wasserallianz Augsburg bei ihrem erfolgreichen Bürgerbegehren „Wasserkreislauf in Bürgerhand“.
  • Wir laden in mehreren Treffen Rechtsanwälte und Berater zur Durchführung von Bürgerbegehren ein.
  • Schließlich entscheiden wir uns dafür, ein Bürgerbegehren zu starten, da uns die Überführung des öffentlich rechtlichen kommunaler Eigenbetriebs in eine privatrechtliche GmbH nicht geheuer ist. Wir befürchten die Möglichkeit einer Privatisierung durch die Hintertür. Mit Hilfe unseres Rechtsbeistandes formulieren wir unser Bürgerbegehren wie folgt: Sind Sie dafür, dass die Fürther Entwässerungsanlagen weiterhin Eigentum der Stadt Fürth und deren Betrieb in Kommunaler Verantwortung bleiben und somit nicht privatisiert werden? Als Begründung dafür wählen wir: Schlecht gereinigtes Abwasser gefährdet Gesundheit und Umwelt. Abwasserreinigung ist ein notwendiger Bestandteil unserer kommunalen Daseinsvorsorge. Unsere Abwasserentsorgung darf darum nicht aus der Verantwortung der Stadt und aus der öffentlichen Kontrolle gegeben werden. Sie darf nicht in die Hände von Investoren fallen, deren vorrangiges Interesse der Profit ist. Wir Fürther Gebührenzahler wollen nicht zur Gewinnmaximierung von Konzernen missbraucht werden.
  • Wir
    • entwerfen unser schönes LOGO.
    • bauen unsere informative Website auf.
    • geben Presseerklärungen heraus, die leider nicht immer gedruckt werden.
    • geben Radiointerviews.
    • entwerfen, drucken und verteilen mehr als 20.000 Flugblätter in viele Briefkästen unserer Stadt.
    • stellen 200 eindrucksvolle Plakate an zentralen Punkten auf.

25. März 2006:

 
  • Unser dritter Wasseraktionstag und Start unseres Bürgerbegehrens:
    • Trotz des miserablen Wetters kommen Hunderte von Bürgern aus allen Stadtteilen in die Innenstadt, um sich an unseren Ständen oder bei unseren engagierten StimmensammlerInnen in die Listen einzutragen.
    • Allein an diesem Tag sammeln wir mehr als 3.000 Unterschriften

5. April 2006:

 
  • Die Stadt Fürth hat ca. 85.000 wahlberechtigte Bürger. Für das Bürgerbegehren sind am Stichtag der Abgabe 4.260 Unterschriften nötig. Am 5. April, nur zehn Tage nach unserer Auftaktveranstaltung, überreichen wir bei der Sitzung unseres Stadtrats dem Oberbürgermeister 10.000 Unterschriften, also fast zweieinhalb mal so viel als nötig. Im weiteren Verlauf sammeln wir insgesamt mehr als 13.000 Unterschriften.

3. Mai 2006:

 
  • Der Stadtrat beschließt die formelle und inhaltliche Zulässigkeit unseres Bürgerbegehrens.

31. Mai 2006:

 
  • Der Fürther Stadtrat beschließt ohne Gegenstimme:

    1. Die Fürther Entwässerungsanlagen bleiben weiterhin Eigentum der Stadt Fürth und deren Betrieb in kommunaler Verantwortung, sie werden somit nicht privatisiert.
    2. Damit entfällt die Durchführung eines Bürgerentscheids

  • Der Oberbürgermeister beglückwünscht das Fürther Wasserbündnis zu seinem Sieg und schreibt zusätzlich einen Brief an das Fürther Wasserbündnis, im dem er ergänzende Zusagen zum Stadtratsbeschluss macht, wie sie nach dem bewährten Muster der Wasserallianz Augsburg vom Fürther Wasserbündnis gefordert worden waren.

Abschlussbemerkung:

 

Wir verdanken unseren beeindruckenden Erfolg in erster Linie dem unglaublichen Einsatz aller Mitglieder unseres Bündnisses und darunter vor allem der Belegschaft unseres Stadtentwässerungsbetriebes.

Außerdem hat uns unser überparteilicher Ansatz geholfen; denn anfänglich konnten wir mit Ausnahme der Grünen sowie einiger weniger SPD-Stadträte auf keine Hilfe im Stadtrat hoffen. Durch unseren parteienübergreifenden Verbund wurden politische Differenzen nie zum Thema sondern nur das verbindende Anliegen, die Privatisierung eines notwendigen Bereiches der Daseinsvorsorge und damit die Möglichkeit von Preiserhöhungen oder Qualitätsminderungen zu verhindern.

Schließlich hat uns der nachhaltige und gut koordinierte Aufbau unseres Bündnisses viel gebracht. Wir haben dazu mehr als eineinhalb Jahre benötigt und haben uns aus einer kleinen, aber virulenten Keimzelle, die aus dem Ortsverein von ver.di und attac, dem Personalrat der Stadt und den Beschäftigten des Abwasserbetriebes sowie dem BUND Naturschutz bestand, zu einer ernst zu nehmenden, flächendeckenden Organisation entwickelt.

Mit dem Bürgerbegehren „Hände weg vom Abwasser“ ist es uns gelungen, Abwasser und Wasser als notwendige Grundbedürfnisse der Daseinsvorsorge in die öffentliche Diskussion zu bringen. Die Bürgerinnen und Bürger sind nun dafür sensibilisiert und haben mit 13.000 Stimmen innerhalb kürzester Zeit ein klares NEIN zur Privatisierung dieser Bereiche und damit ein JA zur demokratischen Mitbestimmung abgegeben.

Gemeinsam mit den Fürther Bürgerinnen und Bürgern und den politisch Verantwortlichen werden wir weiterhin sämtliche Privatisierungsbestrebungen kritisch beobachten.

 

 

Weitergehende Informationen mit sämtlichen Flugblättern, Plakaten, Presseartikeln und Leserbriefen sowie der Unterschriftenliste unseres Bürgerbegehrens mit Text und Begründung sind, auch als Downloads, auf unserer Website zu finden unter: www.wasserbuendnis.fuerth.org

 

 

 

 

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