aktualisiert:
28. April 2008
|
Nachrichten |
|
|
|
Pressemitteilung
RA Stefan Sarrach, 24.4.2008
Der
Abwasserstreit in Rauen
Familie Plenzke ist moralischer Sieger - Zwangsmaßnahmen heute
ausgesetzt
Hintergrund
|
Am
heutigen Donnerstag ging der "Abwasserstreit" in
Rauen, die seit Montagmorgen andauernde Belastung durch eine
ständig drohende Ersatzvornahme des Zweckverbandes Wasserversorgung
und Abwasserentsorgung Fürstenwalde und Umland mit Polizeieinsatz
auf dem Grundstück der Familie Plenzke zu Ende. Nach einem
von der Polizei vermittelten Gespräch konnte heute Nachmittag
eine Lösung in der juristisch und politisch festgefahrenen
Situation gefunden. Die Erklärung von Stefan Sarrach nach
diesem Gespräch wird nachfolgend dokumentiert. Am Ende
der Erklärung finden Sie eine Zusammenfassung der Hintergründe
des Konfliktes.
Stefan
Sarrach:
"Familie Plenzke hat erreicht, dass Zweckverbände
mit den Menschen nicht machen können, was sie wollen. Sie
sind, wir alle hier sind seit Montag die moralischen Sieger gegen
einen übermächtig scheinenden Zweckverband, der die
Gerichte noch (!) auf seiner Seite hat. Die Zwangsvollstreckung
ist vorerst ausgesetzt.
Das
ist der ständig wachsenden Solidarität von Bürgern,
dem zivilgesellschaftlichen Engagement von Bürgern zu danken.
Herzlichen Dank dafür. Zu danken ist Vertretern der Landespolitik,
Frau Kaiser, Frau Adolph und Frau Steinmetzer-Mann als Mitglieder
des Landtages, die hier vor Ort waren.Auch die Besonnenheit der
Polizei war mustergültig. Wir haben heute auf Vermittlung
der Polizei zum Gespräch mit dem Zweckverband zurückfinden
können.
Im
Ergebnis wird der förmliche Belagerungszustand des Grundstückes
der Familie Plenzke beendet, die Ersatzvornahme, der Zwang, wird
nicht stattfinden. Familie Plenzke wird selbstbestimmt den geforderten
Anschluss an die Kanalisation herstellen und geordnet ihre Nutzwasserrückgewinnungsanlage
vorläufig abschalten. Insofern beugen wir uns im Augenblick
der von Gerichten für zulässig erklärten Gewalt
des Zweckverbandes, aber die Nutzwasserrückgewinnungsanlage
wird nicht zerstört und ist jederzeit wieder in Funktion
zu setzen.
Das
was hier in Rauen geschehen ist, war kein "Abwasserkrieg".
Es ist der Beginn einer notwendigen politischen und juristischen
Auseinandersetzung darüber, ob Bürger in diesem Land
gezwungen werden können, alles Abwasser an Zweckverbände
abgeben zu müssen. Familie Plenzke ist schon jetzt auf dem
Weg zum Verfassungsgericht des Landes Brandenburg und in ganz
Brandenburg verfolgt man interessiert, was wir schon jetzt erreicht
haben, noch erreichen wollen und erreichen werden.
So
wie 1999 von der Politik versprochen, sollen Bürger
nicht behindert und bestraft werden, wenn sie ihr Wasser mehrfach
nutzen wollen. Sie sollen nicht gezwungen werden, alles Abwasser
den Zweckverbänden "andienen" zu müssen,
sie sollen vielmehr bestärkt werden, ihre ökologisch
sinnvollen Wasseraufbereitungsanlagen zu betreiben. Diesem Ziel
kamen wir einen bedeutenden Schritt näher. Das Eilverfahren
vor dem Verfassungsgericht ist nicht mehr nötig, die Verfassungsbeschwerde
umso mehr.
Mit
dieser jetzt möglichen Verfassungsbeschwerde werden
wir erreichen, dass die falsche Auffassung der Verwaltungsgerichte,
wonach der Anschluss- und Benutzungszwang nötig sei, weil
es keine gesetzliche Abwasserüberlassungspflicht gibt, korrigiert
wird. Der Landtag wollte eine solchen Abwasserüberlassungspflicht
im Wassergesetz ausdrücklich nicht und das Verfassungsgericht
wird dazu dank dem Wirken und Durchhalten der Familie Plenzke
Recht sprechen müssen. Aber auch dank Frau Groger aus Briesensee,
die jeden Tag hier in Rauen war. Das hilft dann allen, die in
Brandenburg zwangskanalisiert wurden, obwohl sie nur ihr Wasser
mehrfach nutzen wollten, statt kostbares Trinkwasser zu verschwenden."
|
Nichtalphabetischer Glossar
oder
Die Hintergründe des Abwasserstreits in Rauen aus
unserer Sicht
(am Ende dieser Darstellung finden Sie Links zu relevanten Dokumenten
und Presseberichten)
|
1.
Der Streit
|
|
Der moralische Sieg der Familie
Plenzke und ihrer Mitstreiter, den Ihnen Stefan Sarrach oben
am Ende einer
ereignisreichen
Woche beschrieb, ist das (nur) vorläufig letzte Kapitel in einer
sehr viel längeren Geschichte.
Stellvertretend für viele Menschen im Land streitet die
Familie Plenzke seit Jahren für ihre Befugnis, das auf ihrem
Grundstück anfallende Wasser ökologisch wiederzuverwenden.
Streitgegner ist der Zweckverband für Trinkwasserversorgung
und Abwasserentsorgung Fürstenwalde und Umwelt, der den
sog. Anschluss- und Benutzungszwang gegenüber der Familie
Plenzke durchsetzen will.
|
2.
Anschluss- und Benutzungszwang (ABZ)
|
|
Der ABZ findet sich in Brandenburg
in § 15 der Gemeindeordnung.
Der Umfang, der Inhalt und die
genaue Zielstellung dieser Befugnis (der Gemeinden oder der
beliehenen Zweckverbände, den Anschluss der Grundstücke
an ihr Ver- und Entsorgungsnetz fordern zu dürfen) ist
umstritten. Wohl auch, weil sich diese Befugnis nur aus einer
schwierigen Gesamtschau des bundes- und landesrechtlichen Wasserrechts
und auch der europäischen Vorgaben sinnvoll bestimmen
lässt.
Gesetzgeberische Grundintention
eines ABZ war es einmal, den Gemeinden zu ermöglichen,
vor den Vorgaben der Volksgesundheit eine zentrale Wasserbehandlung
auf die Beine zu stellen, die ökonomisch (wegen der Anzahl
der Angeschlossenen) machbar und ökologisch verantwortlich
ist.
Diese Grundidee ist zunächst
absolut richtig. Sie ist aber nicht die einzige Idee im Staate.
Erst recht nicht in Brandenburg.
In Brandenburg postulierte schon
im Jahre 1999 das Ministerium für Umwelt, Naturschutz
und Raumordnung in einem Rundschreiben die politische Vision
eines abwasserfreien Grundstückes.
|
3.
Abwasserfreies Grundstück / Mehrfachnutzungsanlagen
|
|
Das abwasserfreie bzw. abflusslose
Grundstück ist ein Grundstück, auf dem Brauchwasser
mehrfach ökologisch aufbereitet und wiederverwendet wird.
Solche Grundstücke sind
heute keine Vision mehr: wachsendes Umweltbewusstsein unter
den Menschen und neue, erschwingliche Technologie haben sie
tausendfach in die Realität gebracht.
Auch auf dem Grundstück
der Familie Plenzke existiert diese von Fachfirmen errichtete
und überwachte Technologie, die es ermöglicht, Wasser
durch Aufbereitung mehrfach und damit ökologisch sinnvoll
zu verwenden. Wasser, das anderenorts nach einmaliger Benutzung
verschwenderisch im Abfluss verschwindet, erfährt bei
Plenzkes größere Wertschätzung. Es durchläuft
mehrere Reinigungsstufen und kann danach den Teich füllen
oder die Blumen blühen lassen. Zwecke - für die ansonsten
wertvolles Trinkwasser verschwendet würde.
Familie Plenzke besteht übrigens
gar nicht darauf, ihr häusliches Schmutzwasser vollständig
zu behalten oder es etwa selbst zu entsorgen. Solches Wasser,
für das nach mehreren Aufbereitungen kein Wiederverwendungszweck
mehr gesehen wird, möchten die Plenzkes gerne ganz regulär
in den öffentlichen Abwasserkanal einleiten.
Wie viele andere Zweckverbände
im Land auch, erhebt der Fürstenwalder Verband aber gleichsam
einen Abwasserbeseitungsanspruch auf jeden Tropfen, sofort
nachdem er den Hahn verlassen hat.
In dieser Anspruchshaltung bestärken
die Verbände leider bislang die Brandenburger Verwaltungsgerichte.
|
4.
Die Verwaltungsgerichte
|
|
Die Menge der Verfahren und
die Entscheidungsmaßstäbe der ergangenen Entscheidungen
können hier nicht angemessen besprochen werden.
Relevant für die gesamte
Entscheidungspraxis ist aber vor allem die Annahme der Gerichte,
der Brandenburger Gesetzgeber habe es gleichsam versehentlich
versäumt, eine Abwasserüberlassungspflicht der Grundstückseigentümer
im Wasserrecht ausdrücklich zu regeln. Aus diesem Grund
müsse der Abschluss- und Benutzungszwang der Gemeindeordnung
eben so verstanden werden, dass er diese Pflicht bereits enthalten.So
verfestigte sich eine Spruchpraxis der Verwaltungsgerichte,
wonach eine Mehrfachnutzung von Wasser erschwert oder sogar
völlig ausgeschlossen wird.
|
5.
Der Gesetzgeber
|
|
War der Gesetzgeber aber tatsächlich
so vergesslich, wie die Gerichte es vermuteten? Wir sind überzeugt
davon, dass der Gesetzgeber ganz bewusst darauf verzichtet
hat, eine Abwasserüberlassungspflicht zu normieren. Wir
meinen, es ist nicht die Aufgabe der Gerichte, sich an die
Stelle des Gesetzgebers zu setzen. Wir hoffen, dass auch zu
diesem Punkt die Verfassungsbeschwerde der Familie Plenzke
für alle Interessierte im Land Klarheit bringen wird.
Denn die dezentrale Mehrfachnutzung von Wasser ist ökologisch
sinnvoll und dies nicht nur für die Grundstückseigentümer,
sondern auch für die Gesellschaft.
|
6.
Die Gesellschaft
|
|
Wir alle tragen die Lasten,
die durch ökologisch falsche Verhaltensweisen von Individuen
oder Unternehmen auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.
Denn wir alle leben in der Umwelt, die durch solche Verhaltensweisen
geschädigt wird. Wir alle aber aber profitieren auch davon,
wenn einzelne Menschen beginnen, ihre Verhaltensweisen umzustellen.
Durch die Mehrfachnutzung wird von einem Haushalt weniger energieintensives
Trinkwasser dem zentralen Netz entnommen und natürlich
auch weniger Schmutzwasser dem zentralen Netz wieder zugefügt.
Wenn auch die Integrität der Umwelt im allgemeinen Interesse
liegt, dann ist Mehrfachnutzung allgemeinwohlnützlich.
Die Frage ist dann, ob auch
der Zweckverband Fürstenwalde und Umland von sich sagen
könnte, dass er der Umwelt nützt?
|
7.
Schließlich: Der Zweckverband
|
|
Der Zweckverband Wasserversorgung
und Abwasserentsorgung Fürstenwalde und Umland verrieselt
das gesammelte Abwasser nach drei Reinigungsstufen auf alten,
bereits belasteten Rieselfeldern. Gegen diese Praxis gab es
schon seit Mitte der 90ziger Jahre zunehmende Bedenken bei
der zuständigen Unteren Wasserbehörde Oder-Spree.
Diese drückten sich zunächst in der mehrmaligen Befristung
der Erlaubnis für die Verrieselung und in der Herabsetzung
der zulässigen Wassermengen aus, deren Verrieselung man
duldete. Ab 2006 konnte die befristete Verrieselungs-Duldung überhaupt
nicht mehr verlängert werden. Aber auch eine neue Genehmigung
ist seit Jahren mangels Erlaubnisfähigkeit wegen Verstoßes
gegen die Grundwasserverordnung nicht erteilbar. Um die zentrale
Entsorgung nun nicht lahm zu legen, schloss das Landesumweltamt
mit dem Zweckverband "ersatzweise" einen öffentlich-rechtlichen
Vertrag, der den Verband u.a. auch zu Eigenkontrollen von (Grund)wasserqualitäten
anhält.
Das Landesumweltamt musste jedoch
erleben, dass der Zweckverband trotz mehrmaliger Aufforderung
mit Fristsetzung solche Unterlagen nicht beibrachte, die für
das Zulassungsverfahren so unentbehrlich waren, insbesondere
zu einem angepassten technischem Konzept - um eine erlaubnisfähige
Lösung zu finden.Bis heute wurden die gestellten Auflagen
vom Verband nicht alle erfüllt und weiter angemahnt.
Das Ministerium für Landwirtschaft,
Umwelt und Verbraucherschutz kam zu der Einschätzung,
dass die weitere Nutzung der Rieselfelder aus Gründen
des Grundwasserschutzes nicht in Frage kommt.
Genau so aber verfährt
- bis heute - der Zweckverband.
Eine Stellungnahme der Forschungsstelle
Umweltrecht an der Universität Hamburg kam zu der Einschätzung,
dass die Abwasserentsorgungspraxis des Verbandes formell und
materiell rechtswidrig und der Weiterbetrieb der zentralen
Kläranlage illegal sei. Auch der soeben erwähnte öffentlich-rechtliche
Vertrag vermag daran nicht zu ändern: denn dieser Vertrag
sei seinerseits nichtig. Zitat: "(...) ein subordinationsrechtlicher
Vertrag nach § 54 VwVfG ist dann nichtig, wenn ein Verwaltungsakt
mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre." Mit anderen
Worten: Weil die wasserrechtliche Einleiterlaubnis dem Verband
nicht erteilt werden konnte, kam auch ein Vertrag nicht in
Frage.
|
8.
Fazit:
|
|
Wir meinen, kein Mensch darf
mit den Mitteln des Rechtes verpflichtet werden, sich an rechtswidrigem
Verhalten des Staates beteiligen zu müssen. Wenn der Zweckverband
rechtswidrig Abwasser entsorgt, so kann es nicht rechtmäßig
sein, die Bürgerinnen und Bürger zu zwingen, ihr
Abwasser in dessen System zu leiten.
Als besonders dreist muss im Übrigen
ein Flyer des Zweckverbandes bezeichnet werden, in dem die
Bürgerinnen und Bürger aufgefordert werden, den Zweckverband
bei seinem rechtswidrigen Handeln zu unterstützen.
Den Flyer finden Sie unter dem
LINK: http://www.fuewasser.de/KLAER.htm
|
9.
Dokumente und Medien
|
|
a) Stellungnahme der Forschungsstelle
Umweltrecht der Universität Hamburg
b1) Antwort der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage von Stefan Sarrach, MdL (Rechtsgrundlage
für den Weiterbetrieb der zentralen Kläranlage Fürstenwalde),
Drs. 4/5964
b2) Kleine Anfrage von Stefan
Sarrach, MdL an die Landesregierung
(Schnelle bürgerfreundliche und umweltgerechte Lösung für Fragen
der zentralen Abwasserentsorgung in Fürstenwalde finden, Drs. 4/6176
c.) Rundfunk Berlin Brandenburg
vom 22.04.2008
d.) Rundfunk Berlin Brandenburg
vom 23.04.2008:
e) Märkische Allgemeine
Zeitung vom 23.04.2008
f.) Berliner Zeitung vom 24.04.2008
g.) Märkische Allgemeine
Zeitung vom 25.04.2008
h. )Lausitzer Rundschau vom
25.04.2008
i.) Zu weiteren "Vorhaben" des
Fürstenwaldener Zweckverbandes beachten Sie bitte auch
diesen Artikel der Märkischen Oderzeitung.
|
|
|
|
Startseite |
|