BBU-Wasserrundbrief,
11. August 2019
EU-Kommission für eine Strategie zur Reduktion von Pharmawirkstoffen in der aquatischen Umwelt
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Im RUNDBR. 1147 wurde der Vorschlag der EU-Kommission für eine Strategie zur Reduktion von Pharmawirkstoffen in der aquatischen Umwelt vorgestellt. Hier folgt der zweite Teil:
In ihrer „Mitteilung“ vom März 2019 macht sich die Kommission auch für ein »grünes Pharmadesign« stark – heißt: „Unterstützung der Entwicklung weniger gewässerschädlicher Pharmawirkstoffe sowie die Förderung von weniger umweltschädlichen Produktionsverfahren“. Vorbehaltlich der Haushaltslage der EU will die Kommission die Entwicklung weniger umweltschädlicher Arzneimittel fördern – vor allem mit der Zielsetzung, dass Pharmawirkstoffe in den in Kläranlagen „leichter zu harmlosen Stoffen abgebaut werden“ können.
Wegen der Globalisierung des Pharmamarktes will sich die Kommission ferner dafür einsetzen, dass weltweit schärfere Bestimmungen bei der Herstellung von Pharmawirkstoffen erlassen werden – um Wettbewerbsnachteile für die Pharmaindustrie in der EU zu minimieren. Daneben wird aber auch eine „erweiterte Herstellerverantwortung“ der hiesigen Pharmabranche hervorgehoben. Die Herstellerverantwortung „könnte“ sich auf Maßnahmen zur Spurenstoffeliminierung auf Kläranlagen beziehen. Auch hier bleibt die Kommission wieder im vorsichtigen Konjunktiv – im Bewusstsein dessen, dass die Pharmaindustrie Sonderlasten beim Bau von „Vierten Reinigungsstufen“ – beispielsweise in Form einer Arzneimittelabgabe – kategorisch ablehnt (vgl. RUNDBR. 1147/1, 1141/3).
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Umweltqualitätsziele für
Pharmawirkstoffe in Gewässern?
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Die Kommission empfiehlt in ihrem Sechs-Punkte-Programm des Weiteren, bei der Fortschreibung der Richtlinie über Umweltqualitätsnormen (UQN) zu erwägen, Umweltqualitätsziele auch für Arzneimittel in die UQN-Richtlinie aufzunehmen.
(Zur Erinnerung: Zwei Hormone und sowie Diclofenac stehen bereits auf einer „Watchlist“. Vor der endgültigen Aufnahme in die UQN-Richtlinie ist die Kommission aus verschiedenen Gründen zurückgeschreckt.Würden die drei Stoffe tatsächlich von der Watchlist in die UQN-Richtlinie überführt, würde dies den Zwang zum flächenweiten Ausbau der Kläranlagen mit Vierten Reinigungsstufen nach sich ziehen. Ansonsten könnten die strengen Umweltqualitätsziele in den Gewässern gar nicht eingehalten werden; Anm.: BBU-WASSER-RUNDBBRIEF.)
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Mehr Transparenz bei den
Umweltdaten von Pharmawirkstoffen
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Im Hinblick auf die Umweltverträglichkeitsprüfung von Pharmawirkstoffen fordert die Kommission einen „verbesserten Zugriff“ auf die hierbei generierten Daten durch die interessierten Kreise zu ermöglichen. Der „öffentliche Zugang zu den wichtigsten Umweltrisiken“ von Pharmawirkstoffen sollte verbessert werden. Dies sollte auch für die Beurteilungsergebnisse und für die relevanten toxikologischen Schwellenwerte für Arzneimittel „unter Beachtung der Datenschutzbestimmungen“ gelten. Je nach Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung für Pharmawirkstoffe sollten „angemessene Risikomanagementmaßnahmen festgelegt und veröffentlicht“ werden.
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Sind die Hersteller für eine
sachgerechte Entsorgung zuständig?
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Ein Beitrag zur Risikominimierung könne ferner darin bestehen, Arzneimittel sparsamer einzusetzen. Eine Arzneimittelverschwendung könne beispielsweise durch kleinere Packungsgrößen eingeschränkt werden. In Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten und der Europäischen Arzneimittelagentur wolle die Kommission Packungsgrößen optimieren und eine bessere Dosierung von Medikamenten erreichen. Für trotzdem übrig bleibende Altmedikamente solle eine ordnungsgemäße Entsorgung angestrebt werden. (Im Gegensatz zur Kommission geht das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfAM) davon aus, dass zumindest in Deutschland ohnehin nur noch passende Packungsgrößen auf dem Markt seien).
Im Hinblick auf die „sachgerechte Entsorgung“ von Altmedikamenten wird in der Mitteilung der Kommission die „Einführung von Sammelsystemen“ empfohlen (vgl. RUNDBR. 1137/4). Deren Verfügbarkeit und Funktionsfähigkeit sollte verbessert werden – und zwar durch eine Sensibilisierung der Bevölkerung. Auch hier kommt die Kommission wieder auf die „Herstellerverantwortung“ zu sprechen – und bleibt beim gewohnten Konjunktiv: „Die Herstellerverantwortung könnte eine Rolle bei der Verringerung unangemessener Entsorgung spielen.“
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Handlungsnotwendigkeiten
in der Landwirtschaft und in der Aquakultur
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Viele Empfehlungen in der Mitteilung beziehen sich auf Verfahren und Praktiken, mit denen die Belastung von Gülle und landwirtschaftlichen Abwässern mit Tierarzneimitteln verringert werden können. Der Schwerpunkt der Bemühungen sollte auch im Landwirtschaftssektor auf einer Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes liegen. Für die Umweltverträglichkeitsprüfung von Pharmawirkstoffen, die in Aquakulturen eingesetzt werden, empfiehlt die Kommission die Ausarbeitung von Leitlinien. [Alle hier zitierten Übersetzungen aus der englischen Kommissionsmitteilung: BBU-WASSER-RUNDBR.]
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EU-Pharmastrategie breiter angelegt
als die Bundesstrategie Spurenstoffe
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Der Kommissions-Mitteilung und der deutschen „Bundesstrategie Spurenstoffe“ (s. RUNDBR. 1147/1, 1129/1) ist gemein, dass sie beide zunächst einmal unverbindlich sind und eher nur vage Absichtserklärungen enthalten. Allerdings sind die Handlungsfelder in der Mitteilung deutlich breiter angelegt als in der deutschen Spurenstoffstrategie. Dies gilt, obwohl von den ursprünglich von der Kommission zu Debatte gestellten 30 Optionen jetzt in der Mitteilung nur noch sechs Handlungsfelder übrig geblieben sind. Und in der Mitteilung werden auch Handlungsmöglichkeiten erwähnt, die in der „Bundesstrategie Spurenstoffe“ tabu sind – beispielsweise die Einschränkung der Werbung für gewässerschädigende Arzneimittel. Es ist erfreulich, dass sich die EU-Kommission in ihrer Mitteilung bereit erklärt, Ausbildungsprogramme für das medizinische Personal in den Mitgliedsstaaten zu bezuschussen.
Weniger erfreulich ist, dass das Bundesumweltministerium noch nicht einmal das Gesundheitsministerium und die Kultusministerkonferenz darauf hin angesprochen hat, entsprechende Aus- und Fortbildungen über die Gewässerrelevanz von Pharmawirkstoffen zu konzipieren. Die für einige Akteure ernüchternden Ergebnisse der „Bundesstrategie Spurenstoffe“ sind am 19. März 2019 der Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in Berlin übergeben worden. Die weiteren Schritte sind auf einer Sitzung mit den beteiligten Akteuren am 30. Juli in Bonn beraten worden.
Als nächster Schritt soll eine bundesweite Werbekampagne für die sachgerechte Entsorgung von Altmedikamenten gestartet werden. Dabei sollen die bereits in vielen Bundesländern laufenden Kampagnen („Auf keinen Fall in die Kloschüssel – sondern in die schwarze Totalmülltonne!“) aufgegriffen und bundesweit ausgerollt werden.
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Ein »Filterapparat« zur Detektion
von kritischen Mikroverunreinigungen
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Auf der zuvor genannten Sitzung zur Konkretisierung der „Bundesstrategie Spurenstoffe“ gab es am 30. Juli 2019 weitgehende Einigung darauf, dass eine Expertengruppe installiert werden soll, die relevante Mikroverunreinigungen benennen soll. Die Expertengruppe wird ungefähr wie ein »Filterapparat« funktionieren: In den »Filterapparat« werden oben 50 Mikroverunreinigungen hineingekippt – und unten purzeln vielleicht im Jahr fünf »relevante Mikroverunreinigungen« heraus. Die von der Expertengruppe ausgewählten vier oder fünf relevanten Mikroverunreinigungen werden anschließend einem „Runden Tisch“ übergeben. Dort sollen dann im Rahmen ihrer Herstellerverantwortung die Produzenten und Inverkehrbringer dieser Schadstoffe beraten, wie der Eintrag der ausgesuchten vier oder fünf relevanten Mikroverunreinigungen in den Abwasserpfad reduziert werden kann.
Zu den ersten Kandidaten gehören die im RUNDBR. 1147/1-2 genannten Röntgenkontrastmittel. Im Gespräch sind auch die Benzotriazole, die u.a. als Silberschutzmittel in Maschinengeschirrspülmittel enthalten sind. Die schwer abbaubaren Benzotriazole gehören zu den Mikroverunreinigungen, die mit höchster Konzentration im Rhein zu messen sind (vgl. 1141/2-3).
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Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
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