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14. Dezember 2022

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BBU-Wasserrundbrief Nr. 1198, 19. November 2022

 

Reicht die Personaldecke in den Behörden
für die Risikobewertung?

 

Wie im RUNDBR. 1997/3-4 erläutert, wurden mit der im Okt. 2022 beschlossenen Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) im Gefolge der neuen EU-Trinkwasserrichtlinie die Kontrollbefugnisse der Wasserbehörden auf die Einzugsgebiete der Trinkwasserentnahmebrunnen ausgeweitet. Die Wasserversorger müssen künftig den Behörden Gutachten vorlegen, die bestätigen dass alles Machbare unternommen wird, um die Risiken für die Rohwasserqualität in den Einzugsgebieten zu bewerten und ggf. zu minimieren. Selbst wenn in einem ersten Schritt nur die größeren Wasserversorger Risikobewertungsgutachten vorlegen müssen, wird das die ohnehin knappe Personaldecke in vielen Unteren Wasserbehörden arg strapazieren. Das führende Personal in den Wasserwirtschaftsverwaltungen der Bundesländer geht aber davon aus, dass die personellen Ressourcen bei den Ländern abnehmen und nicht zunehmen werden.

Sieht man dies vor dem Hintergrund der eklatanten Defizite bei BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1197 vom 17. Nov. 2022 Seite 3 der Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie und der Fülle zusätzlicher Aufgaben, die durch die immer rasanter voranschreitende Klimakrise auf die Wasserbehörden zukommen, ist kaum vorstellbar, dass die Risikobewertung der Einzugsgebiete von den überlasteten Wasserbehörden auch nur ansatzweise wahrgenommen werden kann.

Nebenbei bemerkt: Auf Seiten der Gesundheitsämter sieht es eher noch defizitärer aus. Schon vor der Coronakrise hatten die Gesundheitsämter Probleme, die Vorgaben der Trinkwasserverordnung im Hinblick auf den Paragraph 18 (2) (Überwachung [der Schutzzonen] durch das Gesundheitsamt) und den § 19 (Umfang der Überwachung) im notwendigen Umfang wahrzunehmen. »Seit Corona« sind fast alle Kapazitäten der Gesundheitsämter mit coronarelevanten Angelegenheiten befasst. Eine Überwachung der Anlagen und Schutzzonen der Wasserwerke konnte in den beiden ersten Corona-Jahren nur noch rudimentär gewährleistet werden.

Man kann hoffen, dass bis zum faktischen Wirksamwerden von § 50 (4a) WHG sowie der anstehenden Änderungen im Infektionsschutzgesetz und in der Trinkwasserverordnung die Überlastung der Gesundheitsämter infolge der Corona-Pandemie – und eventueller »Nachfolge-Viren« - vorbei sein wird. Man kann allerdings eher nicht darauf hoffen, dass dann die Gesundheitsämter genügend Personal haben werden, um die §§ 18 (2) und 19 der Trinkwasserverordnung – und die bis dahin ggf. erfolgten Anpassungen an die neue EU- Trinkwasserrichtlinie – zu vollziehen.

Unsere Vorhersage: Es wird kaum jemand da sein, um die Risikobewertung der Einzugsgebiete durch die Wasserversorger inhaltlich zu überprüfen – weder auf Seiten der Wasserbehörden noch auf Seiten der Gesundheitsämter. Deshalb haben wir in unserer Stellungnahme zur WHG-Änderung gefordert, dass mit der Verabschiedung der vorgesehenen WHG-Ergänzung geklärt werden sollte, wie man das sicher zu erwartende Vollzugsdefizit zumindest reduzieren kann!

Welche „Risikodaten“ können die
Behörden zur Verfügung stellen?

 

Wie sich der neu gefasste § 50, Abs. 4a WHG bewähren wird, wird – abgesehen von der oben erläuterten Personalmisere – im Wesentlichen davon abhängen, wie die darauf beruhende Rechtsverordnung ausgestaltet wird. Das betrifft vor allem Zi. 3 hinsichtlich der vorgesehenen Vorschriften zu den „behördlichen Verfahren bei der Bewertung und beim Risikomanagement“. Denn auf die Hilfestellung durch die Behörden wird es bei der Risikobewertung der Einzugsgebiete entscheidend ankommen!

Die Betreiber von Wasserversorgungsanlagen (bzw. die von ihnen beauftragten Fachbüros) können nämlich nur dann eine qualifizierte Risikoerfassung für die Einzugsgebiete ihrer Entnahmestellen vornehmen, wenn sie von den Behörden die erforderlichen Angaben über potenzielle Risiken (beispielsweise AwSV-Anlagen wie Tankstellen, industrielle und gewerbliche Produktionsbetriebe einschl. LAU- und HBV-Anlagen, Pestizidanwendungen in der Landwirtschaft, Altlasten, kontaminierte Standorte usw. usf.) zur Verfügung gestellt bekommen!

Den Wasserversorgern liegen diese Angaben in der Regel nicht vor und die Wasserversorger haben auch keine hoheitlichen Rechte, sich bei den potenziellen Emittenten diese Angaben zu beschaffen.

Angesichts der oben erwähnten Personaldefizite in der Wasserwirtschafts- und in der Gesundheitsverwaltung ist zu vermuten, dass diese „Risikodaten“ auch den Wasserbehörden nur unvollständig vorliegen und erst noch verifiziert werden müssen. Die Qualität der Risikoermittlung und –bewertung wird also entscheidend davon abhängen, welche „Risikodaten“ bei den Behörden vorliegen und in welchem Umfang diese Daten den Wasserversorgern zu Verfügung gestellt werden.

Risikobewertung: Dreht sich zwischen
Behörden & Versorgern alles im Kreise?

 

Wenn die Behörden dann nach erfolgter Risikobewertung durch den jeweiligen Wasserversorger (bzw. durch das von ihm beauftragte Fachbüro) diese Risikobewertung entsprechend § 50 (4) überprüfen, dreht sich die Sache im Kreise: Die Behörden überprüfen dann letztlich auch, ob sie dem Wasserversorger die erforderlichen Daten zur Verfügung gestellt haben – oder eben nicht.

Ob das alles so seinen Sinn machen wird, wird von uns in Zweifel gezogen. Denn die Überprüfung der vom Wasserversorger erstellten Risikobewertung steigt und fällt mit der Güte der von den Behörden bereit gestellten „Risikodaten“ im jeweiligen Einzugsgebiet!

Wenn sich also die Behörden mit der Qualitätssicherung der Risikobewertung des Wasserversorgers auseinandersetzen, werden sie quasi über sich selbst Gericht sitzen: Wie gut und umfassend waren die Angaben über potenzielle Risiken, die wir als Behörde mit dem hoheitlichen Zugriff auf mögliche Emittenten dem Wasserversorger für dessen Risikobewertung mitgeteilt haben?

Datenschutz als Hemmnis
bei der Risikobewertung?

 

Wenn man den ursprünglichen Referentenentwurf mit der jetzt beschlossenen Bundestagsfassung vergleicht, fällt auf, dass im Referentenentwurf im Hinblick auf die Weitergabe von „Risikodaten“ durch die Behörde an den Wasserversorger noch der „Datenschutz“ (§ 50 (5) Ziffer 3b) Erwähnung gefunden hat.

Dies hatte bei uns zur Befürchtung geführt, dass bei aller Wertschätzung für den Datenschutz die Übermittlung der Angaben zu den Risikopotenzialen im Einzugsgebiet einem überzogenem Datenschutz zum Opfer fallen könnte. Insofern wurde in unserer Stellungnahme gefordert, dass bereits in der WHG-Ergänzung – und nicht erst in der darauf basierenden Rechtsverordnung – sichergestellt werden sollte, dass der Datenschutz zwar gewährleistet werden muss, dass der Datenschutz aber zugleich keine Barriere sein darf, dem Wasserversorger die notwendigen „Risikodaten“ in seinem Einzugsgebiet mitzuteilen.

In der jetzt verabschiedeten WHG-Änderung kommt die Begrifflichkeit „Datenschutz“ gar nicht mehr vor. Stattdessen heißt es jetzt in dem neu eingefügten Abs. 4a, dass in die künftige Rechtsverordnung Bestimmungen über

„die behördlichen Verfahren bei der Bewertung und beim Risikomanagement, einschließlich der Behörden und Betreibern von Wassergewinnungsanlagen obliegenden Dokumentations- und Berichtspflichten sowie der Pflichten zur Beschaffung und Übermittlung von Informationen“ aufgenommen werden sollen.

„Risikobeherrschung“ durch
weitergehende Rohwasseraufbereitung?

 

In dem in RUNDBR. 1197/4 erwähnten Referat von Herrn Munk im letzten Jahr auf dem „DVGW-Trinkwasserrichtlinien-Symposium“ hatte es bereits eine Rolle gespielt, ob die Beherrschung der Risiken im Einzugsgebiet auch mit geeigneten Aufbereitungsverfahren erfolgen können: „Einhaltung der Vorgaben der Trinkwasserrichtlinie unter Berücksichtigung des angewandten Aufbereitungsverfahrens“ Soll heißen: Restrisiken im Einzugsgebiet sol-
len unter Beachtung von Kostenaspekten durch (zusätzliche) Aufbereitungsverfahren beherrscht werden – siehe RUNDBR. 1168/1-2.

Sollte sich diese Ansicht durchsetzen, würde sie Art. 7 (3) der EG- Wasserrahmenrichtlinie widersprechen. Danach haben

„die Mitgliedstaaten (…) für den erforderlichen Schutz der ermittelten Wasserkörper (zu sorgen), um eine Verschlechterung ihrer Qualität zu verhindern und so den für die Gewinnung von Trinkwasser erforderlichen Umfang der Aufbereitung zu verringern.“

Die Wasserrahmenrichtlinie geht also davon aus, dass eine risikobehaftete Rohwasserqualität eher nicht durch weitergehende Aufbereitungsverfahren aufgefangen werden sollte.

Um einer „Missachtung“ von Art. 7 (3) der EG-WRRL einen Riegel vorzuschieben, hatten wir in unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf vorgeschlagen, dass der Passus mit der „Risikobeherrschung“ mit folgender Aussage abgeschlossen werden sollte:

„Eine Risikobeherrschung durch zusätzliche Rohwasseraufbereitungsverfahren bedarf der Zustimmung der Behörde“.

Damit könne einerseits sichergestellt werden, dass eine Beherrschung von Risiken im Einzugsgebiet nicht auf breiter Front durch zusätzliche Aufbereitungstechniken erfolgt, dass andererseits aber beispielsweise bei neuen Befunden von PFAS im Einzugsgebiet in begründeten Fällen zur Gefahrenabwehr und zum Gesundheitsschutz der TrinkwasserkonsumentInnen u.a. (zusätzliche) Aktivkohlefilter eingebaut werden können. In der verabschiedeten WHG-Ergänzung heißt es jetzt, dass das Risikomanagement in den Einzugsgebieten

„insbesondere Vorsorge-, Risikominderungs-, Überwachungs- und Untersuchungsmaßnahmen, sonstige Maßnahmen zur Risikobeherrschung sowie die Prüfung der Notwendigkeit, Schutzgebiete festzusetzen oder anzupassen“ beinhalten sollte.

Wer sich ein eigenes Bild vom WHG- Änderungsgesetz machen will, findet den Referentenentwurf samt Begründung unter:

https://www.bmuv.de/gesetz/entwurf-eines-zweiten-gesetzes-zur-aenderung-des-wasserhaushaltsgesetzes

Die letztlich verabschiedete Fassung findet sich in der Bundestagsdrucksache 20/3878 vom 10.10.22.



Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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