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14. Dezember 2022

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BBU-Wasserrundbrief Nr. 1197, 17. November 2022

 

WHG geändert – und niemand
problematisiert die Knackpunkte

 

In diesem und im nächsten WASSER-RUNDBR. wird darüber informiert, was es mit einer aktuellen Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) auf sich hat.

Bemerkenswert ist, dass die Medien nur über einen Aspekte der WHG-Änderung berichtet haben – und dass der wesentliche Inhalt der WHG-Änderung in der Berichterstattung gänzlich unter den Tisch gefallen ist. Gestützt auf eine selektiv formulierte Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums fand nur Beachtung, dass die Kommunen künftig verpflichtet sind, öffentliche Trinkwasserbrunnen installieren zu lassen.

Nicht berichtet wurde, dass künftig nicht nur die Wasserschutzgebiete, sondern die deutlich darüber hinausgehenden Einzugsgebiete der Entnahmebrunnen einer Risikobewertung unterworfen werden sollen (s. RUNDBR. 1168/1-2). Und erst recht nicht wurde darüber informiert, dass für diese Zusatzaufgabe in den Wasserbehörden gar kein Personal vorhanden ist – so dass man sehenden Auges in ein weiteres Vollzugsdefizit hineinsteuern wird. Um was geht es also in der im Okt. 2022 beschlossenen WHG-Änderung, die man in der Bundestags-Drs. 20/3878 vom 10.10.22 nachlesen kann? Die Antworten nachstehend und im nächsten RUNDBR. …

Bundeskabinett:
"Mehr Trinkwasserbrunnen in der Stadt!“

 

Im Vorlauf zu der im Okt. 2022 vom Bundestag verabschiedeten WHG-Änderung hatte das Bundeskabinett am 10. Aug. 2022 beschlossen, dass künftig Trinkwasser aus dem Leitungsnetz an möglichst vielen öffentlichen Orten kostenfrei verfügbar sein muss. Deshalb sollen Kommunen

„künftig Trinkwasserbrunnen beispielsweise in Parks, Fußgängerzonen und in Einkaufspassagen aufstellen, sofern dies technisch machbar ist und dem lokalen Bedarf entspricht“.

Die neue Regelung in § 50 (1) des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) zielt darauf ab, möglichst allen Bürgerinnen und Bürgern – beispielsweise auch Obdachlosen - öffentlichen Zugang zu qualitativ hochwertigem Trinkwasser zu gewähren. Wie das Bundesumweltministerium (BMUV) am 10. Aug. 2022 ferner mitteilte, sei leicht verfügbares Trinkwasser

„darüber hinaus auch ein wichtiger Baustein kommunaler Hitzeaktionspläne. So können sich die Menschen besser vor den gesundheitlichen Auswirkungen von Hitze schützen.“

In der BMUV-Medienmitteilung wird die Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) mit den Worten zitiert, dass man aus den letzten trockenen und heißen Sommer Konsequenzen ziehen müsse:

Andauernde Hitzewellen sind kein seltenes Ereignis mehr in Deutschland. In Zukunft werden Extremwetterereignisse wie Hitzewellen und Trockenperioden häufiger und intensiver sein. Trinkbrunnen mit Leitungswasser gehören zudem zu den Basisbausteinen einer guten Hitzevorsorge.“

Wenn Kommunen jetzt bei der Installierung von Trinkbrunnen aktiv würden, dann könnten sie einen wichtigen Beitrag zum Gesundheits- und vor allem Hitzeschutz von Bürgerinnen und Bürger leisten:

Leitungswasser ist ein kontrolliertes Lebensmittel, es spart Energie und wird am Trinkbrunnen verpackungsfrei bereitgestellt – so profitiert auch die Umwelt.“

Trinkwasserbrunnen: Zuständig und
kostenpflichtig sind die Kommunen

 

Die im Okt. 22 mit Mehrheit der Ampel beschlossene WHG-Änderung legt fest, dass künftig zur öffentlichen Wasserversorgung, als einer Aufgabe der Daseinsvorsorge, auch die Bereitstellung von Leitungswasser durch Trinkwasserbrunnen an öffentlichen Orten gehört. Die Presseabteilung des BMUV schreibt weiter:

Städte und Gemeinden müssen die neue Regelung mit Inkrafttreten des Gesetzes umsetzen. Dabei haben sie weitgehende Flexibilität, was Lage, Zahl und Art der Trinkwasserbrunnen angeht. Trinkwasserbrunnen sollten möglichst an zentralen, frequentierten und für die Allgemeinheit gut erreichbaren öffentlichen Orten aufgestellt werden. Derzeit gibt es deutschlandweit bereits schätzungsweise mehr als 1.300 öffentliche Trinkwasserbrunnen. In einem ersten Schritt sollen Städte und Gemeinden nun etwa 1.000 zusätzliche Trinkwasserbrunnen aufstellen.“

In der Begründung zur entsprechenden Ergänzung im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) geht das BMUV davon aus, dass nach einer groben Abschätzung die Installierung von 1.000 zusätzlichen Trinkwasserbrunnen mit Kosten von 15 Mio. Euro verbunden sein könnte. Zudem müssten die Kommunen mit Betriebskosten in der Summe von etwa einer Million Euro pro Jahr rechnen (s. RUNDBR. 1178/4). Angaben zur Hygieneüberwachung der Trinkwasserbrunnen werden in der Begründung zur WHG-Ergänzung (§ 50 (1)) nicht gemacht. Die WHG-Ergänzung geht auf die neue EU-Trinkwasserrichtlinie zurück, die in Art. 16 das Menschenrecht auf Wasser beinhaltet (siehe RUNDBR. 1137/4).

Water Safety Plan zum Nulltarif?
Oder droht ein weiteres Vollzugsdefizit?

 

Die zuvor erwähnte BMUV-Pressemitteilung zu den Trinkwasserbrunnen ist in den Medien breit zitiert worden. In der Presseberichterstattung ist ein Aspekt im „Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes“ allerdings völlig untergegangen: Die WHG-Änderung beinhaltet in einem neu eingefügten Abs. 4a zu § 50 auch die Verpflichtung der Wasserversorger zur risikobasierten Überwachung ihrer Einzugsgebiete – wohlgemerkt der ganzen Einzugsgebiete und nicht nur der räumlich begrenzten Wasserschutzgebiete!

Mit der anstehenden WHG-Novelle wird der Überwachungsumfang für Versorger und Behörden somit deutlich erweitert: Die Wasserversorger müssen künftig Gutachten zur Risikobewertung in den Einzugsgebieten ihrer Brunnen den Behörden zur Prüfung vorlegen. Die neuen WHG-Anforderungen gehen ebenfalls auf die Bestimmungen in der neuen EU-Trinkwasserrichtlinie (Art. 7 und 8) zurück. Mit der jetzt vom Bundestag beschlossenen WHG-Änderung soll die Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden, um per Rechtsverordnung die Regelungen aus der EU-Trinkwasserrichtlinie über die Risikobewertung und das Risikomanagement für Einzugsgebiete von Entnahmestellen für die Trinkwassergewinnung in deutsches Recht überführen zu können.

(Die neue EU-Trinkwasserrichtlinie wird zudem noch Änderungen im Infektionsschutzgesetz (§ 38 (1)) und in der Trinkwasserverordnung nach sich ziehen. Darauf wird der RUNDBR. in weiteren Ausgaben zurückkommen.)

Risikobewertung:
„Kein Erfüllungsaufwand bei den Ländern“

 

Die EU-Richtlinie erfordert die durchgehende Anwendung des Water Safety Plan-Konzeptes der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Einzugsgebiet bis zum Wasserhahn. Bemerkenswert ist in der Begründung zu dem Änderungsgesetz, dass man im Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) davon ausgeht, dass der Wasserwirtschaftsverwaltung in Bund und Ländern durch die WHG-Ergänzung kein zusätzlicher „Erfüllungsaufwand“ entstehen würde.

Das verwundert insofern, weil bereits auf dem virtuellen Symposium des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW) am 7. Juni letzten Jahres zur rechtlichen Umsetzung der neuen EU-Trinkwasserrichtlinie Herr Hans-Hartmann Munk (Referatsleiter Wasserrecht im rheinland-pfälzischen Umweltministerium) darauf aufmerksam gemacht hat, dass „die Hauptlast“ bei der Umsetzung der Risikobewertung der Einzugsgebiete bei den Ländern liegen wird - also bei den Wasserbehörden und den Gesundheitsämtern (s. RUNDBR. 1168/1-2).

Insofern ist in einer Stellungnahme von uns die Befürchtung artikuliert worden, dass man mit der geplanten WHG-Änderung in das nächste Vollzugsdefizit hineinlaufen wird. Um das abzuwenden, wurde vorgeschlagen, dass man bereits in der Vorabstimmung mit dem Bundesrat darüber berät, wie die erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen bei den Wasserbehörden und Gesundheitsämtern der Bundesländer gesichert werden können. Anderenfalls könnten nach unserer Auffassung die neuen und zusätzlichen Aufgaben bei der Risikobewertung der Einzugsgebiete nicht hinreichend umgesetzt werden! Erstaunlich ist es, dass auch in der Begründung zur jetzt verabschiedeten WHG-Änderung eisern davon ausgegangen wird, dass der Wasserwirtschaftsverwaltung durch die neuen Aufgaben kein zusätzlicher „Erfüllungsaufwand“ entstehen wird – mehr dazu im nächsten RUNDBRIEF.

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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