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9. Sept. 2024

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BBU-Wasserrundbrief Nr. 1221, 18. August 2024

 

Fäkalienkrise“:
Englischer
Mischwasserskandal“ zieht Kreise

 

Seit der Privatisierung der ehemals kommunalen Wasser- und Abwasserbetriebe in England und Wales in den 80er Jahren (s. RUNDBR. 827/3, 782/1-2, 777/1, 764/2-3, 580/2-3, 537/1) geht es in der dortigen Wasserwirtschaft drunter und drüber. Das betrifft insbesondere die Mischwasserentlastungen. Diese sind eigentlich für Notfälle vorgesehen – also für Starkniederschlagsereignisse, bei denen so viel Regenwasser in die Mischwasserkanalisation abfließt, dass die Kanalisation das viele Wasser nicht mehr ordnungsgemäß zur Kläranlage ableiten kann. Dann wird das Gemisch aus Schmutz- und Regenwasser über die Mischwasserentlastungen in den nächsten Bach, Fluss oder direkt ins Meer „abgeschlagen“.

Wie die britische Umweltbehörde Environment Agency am 27. März 2024 mitteilte, sei 2023 in England so häufig das Einleiten von ungeklärtem Abwasser ins Meer und in Flüsse registriert wie nie zuvor - mehr als 464.000 Mal. Im Jahr 2023 sollen in der Summe aller Mischwasserentlastungsbauwerke 3,6 Millionen Stunden lang ungeklärte Abwässer in offene Gewässer abgeleitet worden sein. Das würde einer Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr entsprechen, als es rund 1,75 Millionen Stunden waren.
Der starke Anstieg sei teilweise den starken Regenfällen im vergangenen Jahr geschuldet, teilte die Environment Agency mit. Zudem seien inzwischen alle Überlaufstellen mit einem Messgerät ausgestattet. Daher seien die Zahlen nur bedingt mit denen früherer Jahre vergleichbar. Das entbinde die Wasserversorger aber nicht von ihrer Pflicht, sich an die Gesetze zu halten, mahnte die Agentur.

In den vergangenen Jahren seien immer wieder Fälle aufgedeckt worden, in denen ungeklärte Abwässer in die Umwelt abgeleitet worden seien, ohne dass es zuvor stark geregnet habe. Die illegale Praxis beeinträchtige die Gewässergüte in den Fließgewässern und Randmeeren besonders stark, weil das häusliche und gewerbliche Schmutzwasser nicht durch Regenwasser verdünnt worden sei.

Die britische Regierung habe bereits härtere Strafen für das rechtswidrige Ablassen von Schmutzwasser eingeführt, gleichzeitig aber eingeräumt, dass es Jahre dauern dürfte, bis die Infrastruktur entsprechend angepasst sei. Der Branchenverband Water UK habe kürzlich einen Plan zur Verbesserung des Abwassersystems mit Kosten in Höhe von 10 Milliarden Pfund (etwa 11,9 Milliarden Euro) vorgelegt, aber dafür auch deutliche Erhöhungen bei der Wasserrechnung für Kunden angekündigt. Umweltorganisationen werfen den renditeorientierten Wasser- und Abwasserkonzernen vor, über Jahrzehnte hinweg Investitionen in die Infrastruktur versäumt zu haben (s. 1202/3-4). Stattdessen seien hohe Dividenden an die Anteilseigner und hohe Boni an die Konzernbosse („fette Katzen“) ausgeschüttet worden. (Nach Berichten in der Frankfurter Rundschau vom 28.03.24 und von proplanta.de vom 29.03.24.)

 

England: Zahlt nicht länger
die
Rechnungen der Wasserkonzerne!

 

Wie der ARD-Weltspiegel am 21.04.24 berichtete, ist die Empörung in England über die Mischwasserableitungen der Abwasserkonzerne inzwischen so groß, dass es erste Boykott-Aufrufe gegen die Wasserrechnungen der Konzerne gibt. In der Sendung wird Elaine zitiert, die ihre Wasserrechnung nicht länger begleichen will:

"Ich habe gezahlt, seit die Wasserversorgung in den 90ern privatisiert wurde, die Firmen haben das alles damals schuldenfrei übernommen. Wir haben jahrelang geblecht, damit sie in die Infrastruktur investieren und sie haben einfach nichts gemacht. Warum sollte ich dafür jetzt nochmal zahlen?"

Bislang seien „es nur einige wenige, die so radikal sind“, berichtete der Weltspiegel. Die Forderung der aktiven Widerständler: Die Wasser- und Abwasserkonzerne müssen wieder verstaatlicht werden.

Und zwar ohne dass die Aktionäre nochmal absahnen, die haben in den letzten Jahren Milliarden bekommen. Deshalb sind die Firmen auch jetzt so verschuldet. Wir sind quitt, Leute!“

Der Weltspiegel fügte hinzu, dass die privaten Wasser- und Abwasserkonzerne „seit den 90ern mehr als 70 Milliarden Euro an zufriedene Aktionäre weitergegeben“ hätten, während sich heute die Abwasserschlieren die Küsten entlang ziehen.

Bis die Briten hier wieder sorgenfrei baden können, wird es Jahrzehnte dauern. Und selbst wenn der Staat das marode System jetzt wieder übernehmen würde, einen Großteil der Kosten müssten am Ende dann doch wieder die Steuerzahler tragen.“

Die ganze Sendung, in der man die stinkende Misere zum Glück nicht riechen kann, unter
https://kurzlinks.de/wgi6
angeschaut werden (ca. 10 Min.). Der dann gleich folgende Weltspiegel-Beitrag widmet sich der Weltwasserkrise, die u.a. zum Tod von 1000 Kleinkindern am Tag führt. Die Forderung: „Das Menschenrecht auf Wasser muss besser geschützt werden.“



Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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