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      BBU-Wasserrundbrief Nr. 1196, 30. August 2022   
        
      
        
      
        
      
        
      
        
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      Sechs Jahre  „Bundes-Spurenstoffdialog“ – was hat er gebracht?
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        Die  Debatte über Mikroverunreinigungen in der aquatischen Umwelt und im  Trinkwasser ist erstmals journalistenöffentlich am 22.03.22 auf  einer Bilanzveranstaltung des Bundesumweltministeriums geführt  worden. Dazu fand sich bereits eine Kommentierung im RUNDBR. 1190/S.  2-3.  Hier folgt  exklusiv für die LeserInnen des  BBU-WASSER-RUNDBRIEFS ein ausführlicher Bericht über die  Veranstaltung, auf der die beteiligten Akteure am „Spurenstoffdialog“  ihr Fazit vorgetragen hatten. Für das BMU war schon seit längerem  absehbar, dass – insbesondere wegen europarechtlicher Restriktionen  (freier Warenverkehr in der EU) – allein mit dem Ordnungsrecht die  Mikroschadstoffe in der aquatischen Umwelt nicht aus der Welt zu  schaffen sind. Anders die Sicht von Pharmakritikern: Das BMU habe vor  der Macht der Pharmabranche gekuscht und die notwendige Regulierung  durch eine unverbindliche Gesprächsrunde ersetzt. Wie dem auch sei.  In einem aufwendigen Stakeholderprozess wurde mit allen  interessierten Lobbygruppen versucht, nach „freiwilligen“  Lösungsansätzen zu suchen. In den ersten vier Jahren wurde in  zahlreichen Plenar- und Arbeitsgruppen-Sitzungen eine Einigung über  die grundsätzliche Herangehensweise an die Spurenstoffthematik  vereinbart. Basierend auf diesen Vereinbarungen starteten dann vor  zwei Jahren drei  „Runde Tische“,  in denen die maßgeblichen Stakeholder (Interessenvertreter) konkrete  Lösungen für die jodierten  Röntgenkontrastmittel (RKM), den Volatarenwirkstoff Diclofenac und das Antikorrosionsschutzmittel Benzotriazol (BTA) vereinbaren sollten.  | 
  
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Spurenstoffminderung: BMU  „für höhere Schlagzahl“ | 
  
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        In ihrem Eingangsreferat zur  digital geführten Spurenstoffbilanzveranstaltung am 22. März 2022  versuchte sich die parlamentarische Staatssekretärin im BMU, Bettina  Hoffmann (Grüne), an einer Abwägung zwischen „Freiwilligkeit“  und Ordnungsrecht.  Zunächst  lobte sie aber „den bemerkenswerten Erfolg des  Spurenstoffdialogs“. Bei der Arbeit der „Runden Tische“ h  hätte es sich um einen „lösungsorientierten Ansatz“ gehandelt, „der bei einer Fortsetzung sicher weitergehende  Ergebnisse erzielen wird“. Gleichwohl hätte sie sich „aber  konkretere Vereinbarungen gewünscht“, so die Mahnung der  Staatssekretärin. Künftig sei eine „höhere Schlagzahl  erforderlich. Wir werden uns im BMU mit Verve dafür einsetzen“,  versprach die grüne Umweltpolitikerin – und kündigte an: „Sicher  wird es an der einen oder anderen Stelle ein Anwendungsverbot geben  müssen.“ Notwendig seien zur Immissionsbegrenzung in den  Gewässern mehr Umweltqualitätsnormen für weitere Mikroschadstoffe.  Ferner stellte Bettina Hoffmann in Aussicht, dass das beim Dessauer  Umweltbundesamt neu eingerichtete Spurenstoffzentrum „als  zentrale Anlaufstelle für Chemikalien in Gewässern personell  gestärkt werden“ solle. Zu den Aufgaben des  Spurenstoffzentrums würden u.a. die Detektion der Eintragsquellen  und die Quantifizierung der unterschiedlichen Eintragswege gehören.  Zur  Arbeit der drei „Runden Tische“ vertrat Hoffmann den Standpunkt,  dass sie sich auch „mehr als nur drei Stoffe gewünscht“ hätte. Denn die Zeit dränge, um zu tatsächlichen Verbesserungen zu  kommen. | 
  
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BMU:Kosten für  Spurenstoffeliminierung gerechter umlegen!
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          Hoffmann erwähnte auch den  „Orientierungsrahmen“ für den Bau von „vierten  Reinigungsstufen“ zur Eliminierung von Mikroverunreinigungen in den  kommunalen Kläranlagen. Der in den ersten vier Jahren des  Spurenstoffdialogs erarbeitete Orientierungsrahmen sei der Leitfaden,  an dem man sich bei der Auswahl der in Frage kommenden Kläranlagen  orientieren könne. Der „Orientierungsrahmen“, dem bislang nur  ein Empfehlungscharakter zukomme, müsse „jetzt aber auch  umgesetzt werden“.  An den Kosten für Bau und Betrieb der  „Vierten Stufen“ müssten sich die Hersteller und  Inverkehrbringer von Mikroschadstoffen beteiligen: „Die  Kosten müssen gerecht auf mehrere Schultern verteilt werden – und  dürfen nicht nur auf die GebührenzahlerInnen abgewälzt werden“ mahnte Hoffmann. Deshalb werde das BMU auf EU-Ebene für eine  „erweiterte Herstellerverantwortung“ eintreten. Mit der  „erweiterten Herstellerverantwortung“ (s. RUNDBR.  1150/3-4) sollen auch die Hersteller und Inverkehrbringer von  Mikroschadstoffen in die finanzielle Pflicht genommen werden, wenn es  gilt, die Schäden zu minimieren - beispielsweise durch eine  weitergehende Abwasserreinigung. Dazu müsse aber „eine  rechtlich sichere Lösung gefunden werden“. Die  Parlamentarische Staatssekretärin kündigte an, dass zur  „erweiterten Herstellerverantwortung“ die EU-Kommission plane,   im Sommer 2022 geeignete Vorschläge zu unterbreiten. | 
  
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            Bewertung des  Spurenstoffdialogs durch ein breites Meinungsspektrum
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          In einer sich anschließenden  – ebenfalls digital geführten – Diskussionsrunde bewerteten  folgende Stakeholder aus ihrer jeweiligen Verbandssicht die Arbeit  des Spurenstoffdialogs und der drei „Runden Tische“: 
          
            Prof.  	Norbert Jardin vom Ruhrverband als Vertreter der Wasserwirtschaft 
            Tim  	Bagner vom Deutschen Städtetag in der Perspektive der Kommunen
            Michael  	Denk, Abteilungsleiter Wasserwirtschaft im hessischen  	Umweltministerium, der auch für die Länderarbeitsgemeinschaft  	Wasser (LAWA) Stellung bezog.
            Dr.  	Thomas Kullick vom Verband der Chemischen Industrie (VCI), der zudem  	die Interessen der Pharmabranche wahrnahm.
            Paul  	Kröfges vom BUND für die Umweltverbände | 
  
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            Chemieverband erwartet  weiteren Reglementierungsdruck
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          In seiner Bilanz kam Dr.  Kullick vom VCI  zum Ergebnis, dass sich die Arbeit in den drei  „Runden Tischen“ gelohnt habe. In einer Zukunftsperspektive sei  damit zu rechnen, „dass wir EU-rechtlich über neue ‚prioritär  gefährliche Stoffe‘ sprechen werden“. Aber nicht nur aus der  EU-Kommission werde weitergehender Druck zur Reglementierung der  Spurenstoffe kommen. Auch die kommunale Wasserwirtschaft und die  Umweltverbände würden wohl weiterhin „Dampf unter dem Kessel  machen“, so die Erwartungshaltung des VCI-Vertreters.  | 
  
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BUND: „Schwafelrunden“   befürchtet | 
  
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          In seiner Bilanz kam Dr.  Kullick vom VCI  zum Ergebnis, dass sich die Arbeit in den drei  „Runden Tischen“ gelohnt habe. In einer Zukunftsperspektive sei  damit zu rechnen, „dass wir EU-rechtlich über neue ‚prioritär  gefährliche Stoffe‘ sprechen werden“. Aber nicht nur aus der  EU-Kommission werde weitergehender Druck zur Reglementierung der  Spurenstoffe kommen. Auch die kommunale Wasserwirtschaft und die  Umweltverbände würden wohl weiterhin „Dampf unter dem Kessel  machen“, so die Erwartungshaltung des VCI-Vertreters.  | 
  
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Kommunale  Kläranlagenbetreiber skeptisch gegenüber der „4. Stufe“
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          Genau eine gegenteilige  Meinung vertrat Prof. Dr. Jardin vom Ruhrverband. Er verwahrte sich  gegen eine flächendeckende Einführung der „Vierten  Reinigungsstufe“. Er sei froh, dass es gelungen sei, „den  Angriff auf die Größenklasse III abzuwehren“. Gemeint war  damit, dass für ihn als Vertreter der kommunalen  Kläranlagenbetreiber ein Bau von „Vierten Reinigungsstufen“ bei  den mittelgroßen Kläranlagen nicht in Frage gekommen sei.  Das  bezeichnete wiederum Dr. Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt als  Popanz. Weder das Umweltbundesamt noch andere ernst zu nehmende  Beteiligte am Spurenstoffdialog hätten den flächendeckenden Bau von  „Vierten Reinigungsstufen“ verlangt.  Der Ruhrverbands-Chef ließ  sich durch den Einspruch von Rechenberg aber nicht beirren. Jardin  nahm für die kommunalen Kläranlagenbetreiber in Anspruch, dass sie  im Spurenstoffdialog “den differenzierten Blick durchgesetzt“ hätten: „Weg allein und ausschließlich von der Aufrüstung der  kommunalen Kläranlagen. Das Thema ist viel breiter.“ Wegen der  zunehmenden Niedrigwasserproblematik seien Maßnahmen zur Reduzierung  der Mikroschadstoffe noch vordringlicher – bevorzugt durch das  Abfangen der Problemstoffe schon in der Anwendung. So könnten  beispielsweise in Mülheim a.d.R. die Röntgenkontrastmittel durch  eine separate Abtrennung mit Urinauffangbeuteln und  Urinseparationstoiletten „rechnerisch um 40 Prozent reduziert  werden“. Er fasse den Spurenstoffdialog „als ersten  Schritt in die richtige Richtung auf“.  | 
  
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            Spurenstoffminderung:  Erfolgskontrolle soll in der Ruhr stattfinden
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Norbert Jardin betonte, dass  die „erweiterte Herstellerverantwortung“ und die Finanzierung des  Kläranlagenausbaus für die kommunale Wasserwirtschaft an erster  Stelle stehen würden. Zudem sei es wichtig, dass Finanzmittel nicht  nur für die „Vierte Reinigungsstufe“ sondern „auch für das  Stopfen der Quellen“ bereitgestellt werden müssten. Wenn zudem  Informationskampagnen nicht greifen würden, müssten stringentere  Mittel zur Anwendung gebracht werden. Ferner müsse „das absolut  notwendige Monitoring“ gewährleistet werden. Prof. Jardin bot  die Ruhr für eine Erfolgskontrolle an, da die Ruhr schon jetzt wie  kaum ein anderer Fluss einem Monitoring unterzogen werde. | 
  
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            „Der Erfolg muss in den  Gewässern nachweisbar sein!“ | 
  
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Michael Denk, Abteilungsleiter  Wasserwirtschaft im Hessischen Umweltministerium, bewertete als  Vertreter der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) den  Spurenstoffdialog und die Arbeit der drei „Runden Tische“ „im  großen und ganzen als Erfolg“. „Aber am Ende des Tages  muss der Erfolg in den Gewässern messbar sein!“ Lt.  Michael Denk würden die Länder  große Erwartungen in das neue  Spurenstoffzentrum setzen. Das Spurenstoffzentrum müsse dabei  behilflich sein, die kosteneffizientesten Maßnahmen zur Reduktion  der Mikroschadstoffe herauszufinden. Dazu müsse das BMU die  notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen für das  Spurenstoffzentrum bereit stellen.  Denk  erläuterte ferner, dass der separat geführte Spurenstoffdialog im  Südhessischen Ried „ein großes Interesse der Kommunen am Bau  von Vierten Reinigungsstufen zu Tage gebracht hätte“. Die  interessierten Kommunen wollten sich als „Modellkommunen“  präsentieren. Die „Modellkommunen“ könnten als gutes Beispiel  für noch zögerliche Kommunen fungieren. Im Hinblick auf den Bau und  Betrieb von „Vierten Reinigungsstufen“ sei aber aus der Sicht der  Länder die Klärung der  Finanzierungsfrage prioritär – „sonst  treten wir weiterhin auf der Stelle“. Wie seine Vorredner  betonte auch Denk, dass ein gutes Monitoring  wichtig sei, um den  Erfolg der angestrebten Reduktionsmaßnahmen messen zu können. 
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Städtetag:  „Kennzeichnungspflicht auf der Medikamentenschachtel!“
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          Tim Bagner vom Deutschen  Städtetag stufte den Spurenstoffdialog „schon deshalb als gut  ein, weil man in den Kontakt mit InteressenvertreterInnen gekommen  ist, mit denen man es bis dato nicht zu tun hatte“. So hätten  Städtetag und Landwirtschaft bis jetzt nicht so viel miteinander zu  tun gehabt.  Die  für ihn noch offenen Fragen seien die vakante Finanzierung der  „Vierten Reinigungsstufen“ und die rechtliche Verankerung der  „erweiterten Herstellerverantwortung“. Die von Hoffmann in  Aussicht gestellte Implementierung der „erweiterten  Herstellerverantwortung“ in der anstehenden Neufassung der alten  EG-Kommunalabwasserrichtlinie werde nach seiner Einschätzung viel zu  lange dauern. Deshalb müsse man nach Ansicht des Städtetages „schon  mal im deutschen Recht schauen, was man erreichen könne“. Für  ihn liege eine Analogie zum Abfallrecht auf dem Tisch: Denn ähnlich  wie bei den Entsorgungshinweisen im Abfallsektor brauche es „ganz  konkrete Hinweise auf den Medikamentenschachteln“. Wie schon  zuvor Prof. Jardin vom Ruhrverband sprach sich auch Banger für eine  Kennzeichnungsverpflichtung für die richtige Entsorgung von  Altmedikamenten aus:  Reste von Medikamenten dürften nicht länger  auf Grund fehlender Kennzeichnung über die Kloschüssel entsorgt  werden. | 
  
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              Ist Voltaren ein „Life-Style-Medikament“? | 
  
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In  seinem Vortrag über die Ergebnisse des „Runden Tisches“ zu  Diclofenac war Herrn Dr. Jörg Wagner vom BMU die Unvorsichtigkeit  unterlaufen, Voltaren als „Livestyle-Medikament“ einzustufen. Das rief dann sofort im Chat zur Veranstaltung die  Vertreter der Pharmabranche auf den Plan:  
          „Diclofenac  ist KEIN Lifestyle-Produkt, es ist ein zugelassenes und sehr  wirksames Arzneimittel!“ Ein anderer Teilnehmer der Bilanzveranstaltung widersprach:  
          „Es  wird aber wie ein Lifestyle- Produkt beworben....“ Philip Heldt, der Umweltexperte der nordrhein-westfälischen  Verbraucherschutzzentrale, setzte nach:  
          „Und  es wird massenhaft als Lifestyle-Produkt genutzt!“ Dr. Thomas Kullick vom Chemieverband sah das anders:  
          „Lifestyle  ist für mich, wenn ich mich durch ein Produkt positiv darstellen  kann, eine ‚Salbe‘ taugt da wenig  bzw. ist eher ‚unsexy‘!“  Hintergrund  des Schlagabtausches war die bisherige Machart der TV-Werbung für  Voltaren. Der „Runde Tisch Diclofenac“ hat aber selbst nach dem  Urteil von Paul Kröfges vom BUND – einem maßgeblichen Akteur beim  „Runden Tisch“ - dazu geführt, dass die Werbung für Voltaren  modifiziert worden sei: Voltaren werde „nicht  mehr als Allheilmittel für alle Altersbeschwerden“ präsentiert, so auch der Eindruck von Dr. Wagner vom BMU. Wagner  hatte zuvor ausgeführt, dass viele  ältere Leute  
          „ein  Mehr an Lebensqualität durch Diclofenac“ empfinden würden. Für eine Reduktion der Voltaren-Verwendung müsse „eine festsitzende  Erwartungshaltung geändert werden. Das geht nicht durch einen  Schnips des Gesetzgebers. Das braucht eine längere gesellschaftliche  Debatte. Das sind Prozesse, die sich über Jahre hinziehen, weil  Voltaren als Lifestyle-Medikament angesehen wird.“ | 
  
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                        „Herstellerverantwortung  ist, wenn wir die Werkskläranlagen optimieren“
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          Dass  sich die Hersteller und Inverkehrbringer von Chemikalien, die  letztlich als Mikroschadstoffe in der aquatischen Umwelt enden, an  den Bau- und Betriebskosten von „Vierten Reinigungsstufen“ auf  kommunalen Kläranlagen beteiligen sollen, war bei den betreffenden  Branchen auf wenig Begeisterung gestoßen. Man habe bereits  beträchtliche Mittel aufgewandt, um “Vierte Reinigungsstufen“ in  den produzierenden Betrieben zu finanzieren. So argumentierte  beispielsweise ein Mitarbeiter des Darmstädter Chemieunternehmens  Merck KGaA:  
           „Für unsere  Abwasserbehandlungsanlagen übernehmen wir die  Herstellerverantwortung und gehen dabei über den derzeitigen Stand  der Technik hinaus.“   Es  seien darüber hinaus „viele weitere Beispiele von  leistungsstarken Kläranlagen sowie Vorbehandlungsanlagen in der  Chemischen Industrie“ zu finden. Soll heißen: Ein finanzielles  Engagement bei Bau und Betrieb von „Vierten Reinigungsstufen“  auch auf kommunalen Kläranlagen erübrige sich somit nach Auffassung  der Chemie- und Pharmabranche. Zur Erinnerung: BMU-Staatsekretärin  Bettina Hoffmann hatte eingangs der Tagung dafür plädiert, die  Industrie an den Kosten zur Eliminierung von Mikroverunreinigungen  auf kommunalen Kläranlagen zu beteiligen. Man darf deshalb gespannt  sein, wie die Bundesregierung dieses Ansinnen der  Staatssekretärin  gegen den Widerstand der Industrie durchsetzen wird. | 
  
  
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Voltaren: Führt „Wischen  statt Waschen“ zum Erfolg?
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          Dr. Jörg Wagner, bisher im  BMU als Unterabteilungsleiter Wasserwirtschaft für den  Spurenstoffdialog zuständig, hatte auf der Bilanzveranstaltung die  Ergebnisse des „Runden Tisches Diclofenac“ vorgetragen. Wagner  war zugleich der Moderator des „Runden Tisches“ zu diesem  Schmerz- und Rheumamittel.  Nach langwierigen und manchmal auf der  Kippe stehenden Diskussionen habe man sich in zahlreichen Plenar- und  Arbeitsgruppensitzungen vornehmlich darauf einigen können, den  PatientInnen den Ratschlag „Wischen  statt Waschen“  mit auf den Weg zu geben. Das bedeutet: Nach dem Auftrag der  diclofenac-haltigen Salben solle man zuerst die Hände an einem Stück  Papier (beispielsweise von einer Küchenpapierrolle) abwischen. Das  diclofenac-belastete Papier solle anschließend in der Totalmülltonne  entsorgt werden. Erst nach dem Wischen sollten dann die weitgehend  diclofenac-freien Hände abgewaschen werden.   Auf der Tagung wurden  zweifelnde Fragen laut, ob man mit dem Ratschlag „Wischen statt  Waschen“ tatsächlich zu einer signifikanten Entlastung des  Abwasserpfades mit Diclofenac beitragen könne – zumal Diclofenac  auch in Form von Tabletten eingenommen werde. So erkundigte sich  beispielsweise von Frau Dr. Ursula Maier, Fachfrau für  Mikroschadstoffe im Stuttgarter Umweltministerium, woher man  überhaupt wisse, „dass  der Haupteintrag über die Verwendung von Salben - und nicht über  die Einnahme als Tabletten - erfolgt?“  In der Beantwortung der Frage wurde u.a. auf Untersuchungen von  HamburgWasser in dem ökologisch inspirierten Neubaustadtviertel  „Jensfelder Aue“ verwiesen. In dem Neubaustadtteil werden  Schwarzwasser aus den Toiletten und Grauwasser aus den sonstigen  Haushaltsbereichen getrennt gesammelt. fortgeleitet und dann  verwertet bzw. gereinigt. Dabei habe sich gezeigt, dass 90 Prozent  des Diclofenacs im Grauwasser, das vom Duschen und Waschen herrührt,  gefunden worden waren. Der geringe Tablettenanteil sei darauf  zurückzuführen, dass Diclofenac  nach oraler Aufnahme zum Großteil  in pharmakologisch inaktive Metabolite umgesetzt und nur ein kleiner  Teil als unverändertes Diclofenac ausgeschieden wird.   Die  skeptischen Stimmen zum Erfolg von „Wischen statt Waschen“  wollten allerdings nicht verstummen. Zum einen würden sich  höchstwahrscheinlich nicht alle VoltarenawenderInnen an diese  Vermeidungsmethode halten. Zum anderen würde der größte Teil von  Votaren und verwandten Produkten nach der Applikation auf  schmerzenden Gelenken und anderen Körperteilen beim Duschen oder  beim Waschen von diclofenac-belasteten Kleidungsstücken in den  Abwasserpfad gelangen. Insofern werde der „Runde Tisch Diclofenac“  mit seiner Empfehlung „Wischen statt Waschen“ allenfalls einen  Minderungserfolg von zehn bis zwanzig Prozent erreichen. Das sei aber  viel zu wenig, um zu einer tatsächlichen Entlastung der  diclofenac-sensiblen Fließgewässerorganismen beizutragen,  argumentierte beispielsweise die Spurenstoffexpertin Prof. Dr. Rita  Triebskorn von der Universität Tübingen.  Den Skeptikern wurde  entgegnet, dass man sich beim „Runden Tisch“ nicht mit der  Empfehlung „Wischen statt Waschen“ begnügt habe. So sei man  dabei, die Ärzte und Apotheker sowie die Mitglieder von  Sportvereinen für das Thema zu sensibilisieren. U.a. sei bereits ein  entsprechender Aufsatz im Deutschen Ärzteblatt erschienen, weitere  Aufsätze in Apothekerzeitschrif-ten und Sportverbandsmagazinen seien  in Vorbereitung. Insofern könne man annehmen, dass es im Verlauf  der Zeit zu einer weiteren Entlastung der aquatischen Umwelt und der  Rohwasserressourcen von Diclofenac kommen werde. Mehr  zum „Spurenstoffdialog“ in den WASSER-RUNDBR. 1190/2-4, 1188/1, 1167/2 und 1147/1-4.  
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  Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
            regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
            Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
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