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14. Dezember 2022

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief Nr. 1197, 17. November 2022

 

Die Wasserversorgung der Rhein-Main-Region
stößt an Grenzen

 

Bereits in der Ausgabe 03/2020 der GWF-WASSER/ABWASSER hat Thomas Kluge erläutert, wie die Wasserwirtschaft im Rhein-Main-Gebiet an die zurückgehende Verfügbarkeit der Wasserressourcen angepasst werden könnte. Unter der Überschrift „Die Regulation der Ressource Grundwasser raumplanerisch und infrastrukturell gestalten – Transformationspotenziale am Beispiel der Metropolregion Rhein-Main“ (S. 51 – 60) schreibt Kluge, dass man in der Rhein-Main-Region die kritischen Schwellen bei der Nutzung der zurückgehenden Grundwasservorkommen längst überschritten hätte. Infolge der Klimakrise hätten die veränderten Niederschlagsmuster, die länger werdenden Vegetationsperioden, die erhöhten Temperaturen und die steigende Verdunstung zu einem Absinken der Erneuerungsraten in den Grundwasserförderregionen im Umland des Rhein-Main-Ballungsraumes geführt.

Demgegenüber würden die Planungsgrundsätze in der Wasserwirtschaft und in der Raumplanung immer noch daran festhalten, dass es Wasser in Hülle und Fülle geben würde – und falls doch nicht, müsse man eben die Fernwasserverbünde ausbauen und die Grundwasseranreicherung forcieren. „Das klassische Vorgehen der Ressourcendisposition durch die Wasserversorger ist daher im Kern auf Expansion angelegt (…)“.

Kluge fordert demgegenüber konkrete Maßnahmen zur Einsparung von Trinkwasser – so u.a. durch eine Grauwassernutzung, die „ein enormes Ressourcenpotenzial“ beinhalten würde. Ferner kämen eine Regenwassernutzung und insgesamt eine intelligenterer Trinkwassernutzung in Frage. Mit Hilfe eines derartigen „Multiressourcen-Mixes“ könne man „zu einer erheblichen Substitution des Trinkwasserbedarfes“ und damit zu einer Entkoppelung von Bevölkerungszuwachs und Trinkwasserbedarf beitragen. Das Fazit des ISOE-Wasserspezialisten: „Die bisherige Analyse legt den Schluss nahe, dass die bislang genutzte Trinkwassermenge für die Rhein-Main-Region das Maximum darstellt!“ Mehr Grund- und Trinkwasser würde im Großraum Frankfurt nicht mehr zur Verfügung stehen.

Gegen den Frankfurter „Grundwaserraubzug“
am Vogelsberg

 

Wo Kluge mit akademischer Zurückhaltung formuliert, hauen die Bürgerinitiativen in den nördlichen Grundwasser-Förderregionen der Rhein-Main-Region kräftig auf die Pauke. Am Vogelsberg wirft man Frankfurt seit Jahrzehnten einen Grundwasserraubzug vor – ohne Rücksicht auf die Ökologie am Vogelsberg. Nachdem in den 1970er Jahren eine „Hydroguerllia“ aus Protest gegen diesen Raubzug Pumpenhäuschen abgefackelt hatte, war es in den Grundwasserlieferregionen längerer Zeit vergleichsweise ruhig zugegangen. In den letzten Jahren hat sich der Protest am Vogelsberg aber wieder intensiviert. Vor allem ärgert man sich am Vogelsberg und in den noch weiter nördlich gelegenen Lieferregionen über das mangelnde Entgegenkommen der grünen Umweltministerin in Wiesbaden, Priska Hinz, und der grünen Umweltdezernentin in Frankfurt, Rosemarie Heilig. U.a. protestierte man am 19. Juli 2022 in einer Pressemitteilung wegen der zunehmenden Trockenschäden in der Vogelsbergregion:

Alle Proteste gegen den Raubbau im Vogelsberg und die Trinkwasserverschwendung der Metropole lassen Frankfurt kalt. Die Stadtregierung verweigert weiterhin eine stärkere Eigenversorgung trotz gegenteiliger Gutachten.“

Die „Schutzgemeinschaft Vogelsberg e.V.“ (SGD) und weitere Verbände forderten deshalb im Hitze- und Dürresommer 2022 von der hessischen Landesregierung die Ausrufung eines Trinkwassernotstandes für Hessen. Dass Frankfurt die Eigenförderquote beim Grundwasser nicht signifikant erhöhen könne, tituliert die SGD als eine „inakzeptable Behauptung“. Auch die Wasserversorger in der Rhein-Main-Region werden massiv angegriffen. Denn diese würden „mit maßloser Arroganz“ auf die Vorschläge der SGV zu den Wassereinspar-Möglichkeiten im Großraum Frankfurt reagieren und mit dem Verkauf von Vogelsberger Grundwasser „glänzende Geschäfte“ machen. Alle geharnischten Pressemitteilungen der SGD aus den letzten Monaten und Wochen unter:

https://www.sgv-ev.de/aktuelles/pressemitteilungen/

Der BUND Frankfurt ist mit dem dortigen Wasserversorgungskonzept ebenfalls höchst unzufrieden. Am 23. Juni 2022 hatte der Umweltverband deshalb eine ganze Palette von Maßnahmen vorgestellt, mit denen der Trinkwasserbedarf in Frankfurt reduziert und die Eigenversorgungsanteil von nur 25 % deutlich erhöht werden könnte. Der Fremd- und Fernwasserbezug von 75 % müsse im Gegenzug dringend reduziert werden. Was man sich dazu im Frankfurter Rathaus überlegt habe, sei viel zu „unverbindlich“ und „kraftlos“. Der BUND fordert in seinem 8-Punkte-Programm u.a. dass in allen aktuellen Bebauungsplänen Maßnahmen zur Trinkwassereinsparung sowie zur Regen- und Grauwassernutzung „konsequent berücksichtigt“ werden müssen. Die BUND-Pressemitteilung zum 8-Punkte-Programm und den Link zum Programm gibt es unter

https://www.bund-frankfurt.de/pressemitteilungen/frankfurter-wasserkonzept/

Weitere Auskunft zu den breit gefächerten Vorschlägen des BUND an die Stadt Frankfurt, an den Fernwasserversorger HESSENWASSER und an die Mainova als städtischem Wasserversorger gibt es bei

Wolf-Rüdiger Hansen
E-Mail: ruediger.hansen@bund-frankfurt.de

Mehr zu den Auseinandersetzungen über die prekäre Lage der Wasserversorgung in der Rhein-Main-Region in den RUNDBR. 1117/1-2, 1083/3-4, 1079/3-4, 1056/1-2, 1041/4, 619/1 und 417/1-2.)


Schwebendes Grundwasser“ am Vogelsberg?

Hinsichtlich von eskalierenden Wassernutzungskonflikten entwickelt sich das Rhein-Main-Gebiet zu einem hotspot im Bundesgebiet. Die Wasserentnahmen im Vogelsberggebiet zur Versorgung der boomenden Rhein-Main-Region sorgen mehr und mehr für Zoff. Am Vogelsberg führt man das Austrocknen von Bächen und das Schrumpfen von Torf- und Moorböden auf die "zu hohen" Wasserentnahmen für Frankfurt, Offenbach und Wiesbaden zurück.
Die dortigen Wasserversorger gehen demgegenüber davon aus, dass die Wasserentnahmen in den tieferen Grundwasserleitern am Vogelsberg von den Vorgängen in den oberflächennahen Grundwasservorkommen völlig abgekoppelt sind. Es würde sich dort um "schwebende Grundwasservorkommen" handeln, die keinerlei Verbindung zu den tieferen Grundwasserstockwerken hätten.
Den Leuten am Vogelsberg fällt es schwer, diese Hypothese zu akzeptieren. Deshalb ist man auf der Suche nach unabhängigen Fachleuten, die sich mal kritisch und qualifiziert die vorliegenden Gutachten über die hydraulische Entkopplung von oberflächennahen und tieferen Grundwasserleitern am Vogelsberg anschauen. In den Vogelsberg-Gemeinden befürchtet man zudem, dass die Brunnen, über die das Fernwasser abgepumpt wird, die Ergiebigkeit der gemeindeeigenen Brunnen sowie die Löschwasserversorgung beeinträchtigen könnten. Darüber hinaus würden nicht nur Quellschüttungen versiegen, sondern auch ehemals grundwassergespeiste Bäche seit der Aufnahme der Fernwasserförderung trocken fallen. Damit würden u.a. einst ergiebige Saugstellen für die Feuerwehr kein Wasser mehr führen.

 

Kritik an unzureichendem
Bedarfsnachweis für Frankfurt

 

Zu einer entscheidenden Frage in den Auseinandersetzungen um den Fernwasserbezug der Rhein-Main-Region könnte der strittige Bedarfsnachweis avancieren: Braucht die Rhein-Main-Region in noch weiter steigendem Umfang den Wasserbezug aus dem Umland überhaupt? Oder könnte der prognostizierte Mehrbedarf an Trinkwasser beispielsweise durch Brauchwassernetze in Neubaugebieten, Brauchwassergewinnung aus dem Main, Regen- und Grauwassernutzung abgefangen werden. In den Vogelsberggemeinden wird kritisiert, „dass bis heute ein ernstzunehmender Wasserbedarfsnachweis der Städte - auch unter Einbeziehung von Bezugsalternativen - fehlen“ würde. Und weiter:

Noch immer bleibt außer Betracht, dass die Schonung des Grundwassers im Rahmen des Klimawandels eine hohe Priorität haben muss. Die Nehmerkommunen erleben überhaupt keinen Leidensdruck, den Fremdbezug durch Brauchwassergewinnung auf eigenen Flächen, Dächern etc. zu reduzieren.“

Die „billige Grundwassergewinnung“ am Vogelsberg würde für die Abnehmer in der Rhein-Main-Region „eine derart günstige Wasserbeschaffung“ darstellen, „dass überhaupt kein Interesse an Einsparungen“ bestehen würde.

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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