Wo Kluge mit akademischer Zurückhaltung formuliert, hauen die Bürgerinitiativen in den nördlichen Grundwasser-Förderregionen der Rhein-Main-Region kräftig auf die Pauke. Am Vogelsberg wirft man Frankfurt seit Jahrzehnten einen Grundwasserraubzug vor – ohne Rücksicht auf die Ökologie am Vogelsberg. Nachdem in den 1970er Jahren eine „Hydroguerllia“ aus Protest gegen diesen Raubzug Pumpenhäuschen abgefackelt hatte, war es in den Grundwasserlieferregionen längerer Zeit vergleichsweise ruhig zugegangen. In den letzten Jahren hat sich der Protest am Vogelsberg aber wieder intensiviert. Vor allem ärgert man sich am Vogelsberg und in den noch weiter nördlich gelegenen Lieferregionen über das mangelnde Entgegenkommen der grünen Umweltministerin in Wiesbaden, Priska Hinz, und der grünen Umweltdezernentin in Frankfurt, Rosemarie Heilig. U.a. protestierte man am 19. Juli 2022 in einer Pressemitteilung wegen der zunehmenden Trockenschäden in der Vogelsbergregion:
„Alle Proteste gegen den Raubbau im Vogelsberg und die Trinkwasserverschwendung der Metropole lassen Frankfurt kalt. Die Stadtregierung verweigert weiterhin eine stärkere Eigenversorgung trotz gegenteiliger Gutachten.“
Die „Schutzgemeinschaft Vogelsberg e.V.“ (SGD) und weitere Verbände forderten deshalb im Hitze- und Dürresommer 2022 von der hessischen Landesregierung die Ausrufung eines Trinkwassernotstandes für Hessen. Dass Frankfurt die Eigenförderquote beim Grundwasser nicht signifikant erhöhen könne, tituliert die SGD als eine „inakzeptable Behauptung“. Auch die Wasserversorger in der Rhein-Main-Region werden massiv angegriffen. Denn diese würden „mit maßloser Arroganz“ auf die Vorschläge der SGV zu den Wassereinspar-Möglichkeiten im Großraum Frankfurt reagieren und mit dem Verkauf von Vogelsberger Grundwasser „glänzende Geschäfte“ machen. Alle geharnischten Pressemitteilungen der SGD aus den letzten Monaten und Wochen unter:
https://www.sgv-ev.de/aktuelles/pressemitteilungen/
Der BUND Frankfurt ist mit dem dortigen Wasserversorgungskonzept ebenfalls höchst unzufrieden. Am 23. Juni 2022 hatte der Umweltverband deshalb eine ganze Palette von Maßnahmen vorgestellt, mit denen der Trinkwasserbedarf in Frankfurt reduziert und die Eigenversorgungsanteil von nur 25 % deutlich erhöht werden könnte. Der Fremd- und Fernwasserbezug von 75 % müsse im Gegenzug dringend reduziert werden. Was man sich dazu im Frankfurter Rathaus überlegt habe, sei viel zu „unverbindlich“ und „kraftlos“. Der BUND fordert in seinem 8-Punkte-Programm u.a. dass in allen aktuellen Bebauungsplänen Maßnahmen zur Trinkwassereinsparung sowie zur Regen- und Grauwassernutzung „konsequent berücksichtigt“ werden müssen. Die BUND-Pressemitteilung zum 8-Punkte-Programm und den Link zum Programm gibt es unter
https://www.bund-frankfurt.de/pressemitteilungen/frankfurter-wasserkonzept/
Weitere Auskunft zu den breit gefächerten Vorschlägen des BUND an die Stadt Frankfurt, an den Fernwasserversorger HESSENWASSER und an die Mainova als städtischem Wasserversorger gibt es bei
Wolf-Rüdiger Hansen
E-Mail: ruediger.hansen@bund-frankfurt.de
Mehr zu den Auseinandersetzungen über die prekäre Lage der Wasserversorgung in der Rhein-Main-Region in den RUNDBR. 1117/1-2, 1083/3-4, 1079/3-4, 1056/1-2, 1041/4, 619/1 und 417/1-2.)
„Schwebendes Grundwasser“ am Vogelsberg?
Hinsichtlich von eskalierenden Wassernutzungskonflikten entwickelt sich das Rhein-Main-Gebiet zu einem hotspot im Bundesgebiet. Die Wasserentnahmen im Vogelsberggebiet zur Versorgung der boomenden Rhein-Main-Region sorgen mehr und mehr für Zoff. Am Vogelsberg führt man das Austrocknen von Bächen und das Schrumpfen von Torf- und Moorböden auf die "zu hohen" Wasserentnahmen für Frankfurt, Offenbach und Wiesbaden zurück.
Die dortigen Wasserversorger gehen demgegenüber davon aus, dass die Wasserentnahmen in den tieferen Grundwasserleitern am Vogelsberg von den Vorgängen in den oberflächennahen Grundwasservorkommen völlig abgekoppelt sind. Es würde sich dort um "schwebende Grundwasservorkommen" handeln, die keinerlei Verbindung zu den tieferen Grundwasserstockwerken hätten.
Den Leuten am Vogelsberg fällt es schwer, diese Hypothese zu akzeptieren. Deshalb ist man auf der Suche nach unabhängigen Fachleuten, die sich mal kritisch und qualifiziert die vorliegenden Gutachten über die hydraulische Entkopplung von oberflächennahen und tieferen Grundwasserleitern am Vogelsberg anschauen. In den Vogelsberg-Gemeinden befürchtet man zudem, dass die Brunnen, über die das Fernwasser abgepumpt wird, die Ergiebigkeit der gemeindeeigenen Brunnen sowie die Löschwasserversorgung beeinträchtigen könnten. Darüber hinaus würden nicht nur Quellschüttungen versiegen, sondern auch ehemals grundwassergespeiste Bäche seit der Aufnahme der Fernwasserförderung trocken fallen. Damit würden u.a. einst ergiebige Saugstellen für die Feuerwehr kein Wasser mehr führen.
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