aktualisiert:
14. April 2023

 

 

 


 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief Nr. 1203, 31. März 2023

 

Novelle der Trinkwasserverordnung
kurz vor der Verabschiedung

 

Die neue EU-Trinkwasserrichtlinie zieht neben der Einfügung eines neuen Absatzes 4a in Paragraf 50 des Wasserhaushaltsgesetzes (siehe RUNDBR. 1198/2-4) auch wesentliche Änderungen in der Trinkwasserverordnung nach sich. Die Änderungen im WHG und in der TrinkwV dienen dazu, das Water Safety Plan-Konzept (s. RUNDBR. 1045/2, 699/1) der Trinkwasserrichtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Das bedingt, dass sowohl die Wasserwirtschaftsverwaltung als auch die

Gesundheitsämter künftig dazu verpflichtet werden, zu prüfen, ob die Wasserversorger alle potenziellen Gefährdungen in den Einzugsgebieten ihrer Rohwasserentnahmen erfasst haben. Über die ergänzten Paragraphen 30, 34, 35, 38 (3), 54 (1) und 55 werden in der neuen Trinkwasserverordnung die zusätzlichen Aufgaben für die Gesundheitsämter bei der Überwachung der Wasserversorger adressiert. Zu beachten ist dabei, dass das Bundesgesundheitsministerium die Trinkwasserverordnung komplett überarbeitet hat und die Paragraphenfolge im Novellenentwurf nichts mehr mit der Paragraphenfolge in der bisher gültigen Verordnung zu tun hat. Wer in den Gesundheitsämtern und bei den Wasserversorgern mit der Verordnung zu arbeiten hat, muss sich also völlig neu sortieren.

Wesentlich ist aber, dass in der Begründung zur Neufassung der Verordnung zunächst alle Angaben gefehlt haben, welche zusätzlichen (Personal-)Kosten auf die Gesundheitsämter durch den Vollzug – insbesondere der erweiterten §§ 30, 34 und 35 - zukommen werden. Inzwischen liegt die vorgesehene Neufassung der Trinkwasserverordnung auch als Bundesrats-Drucksache 68/23 vom 15.02.23 vor. Darin wird der „Vollzugsaufwand“ bei den Ländern – im Wesentlichen in den dortigen Gesundheitsämtern – einmalig auf 24,8 Mio. Euro beziffert. Hinzu komme ein jährlicher Erfüllungsaufwand von rd. 813.000 Mio. Euro. Diese Kosten resultieren überwiegend aus dem Aufwand für die Prüfung der Ergebnisse des Risikomanagements, das die Versorger bei den Gesundheitsämtern künftig einreichen müssen.

Wir befürchten, dass man sowohl in den Wasser- als auch in den Gesundheitsbehörden in ein weiteres Vollzugsdefizit hineinlaufen wird (s. RUNDBR.: 1197/4) Immer weniger Personal muss sich um immer mehr Aufgaben kümmern – wobei im verbleibenden Personal zunehmend Verwaltungsfachleute und Juristen gegenüber den Technikern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern dominieren. Gemäß dem Zeitplan der EU-Trinkwasserrichtlinie hätte der Bundesrat bereits im Januar 2023 die neue Trinkwasserverordnung verabschieden müssen. Der für die Verabschiedung angestrebte März 23 ist jetzt aber auch schon verstrichen. Damit ist Deutschland einmal mehr bei der Umsetzung von EU-Richtlinien säumig.

 

Wasserrechtliche „Einzugsgebietsverordnung“ steht weiterhin aus

Die neue EU-Trinkwasserrichtlinie und die dadurch bedingte Umsetzung des Water Safety Plan-Konzeptes in der deutschen Trinkwassergewinnung und -versorgung hat auch eine kleine Novelle des Wasserhaushaltsgesetzes notwendig gemacht. Denn für die Überwachung des neu einzuführenden Risikomanagements der Wasserversorger in den Einzugsgebieten der Rohwasserbrunnen werden vor allem die Unteren Wasserbehörden bei den Landratsämtern und bei den kreisfreien Städten verantwortlich sein (s. RUNDBR. 1198/2-4, 1197/3-4). Mit der WHG-Novelle wird die „Ermächtigung“ für den Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung geschaffen. Diese „Einzugsgebietsverordnung“ steht aber weiterhin aus. Der Entwurf der „Einzugsgebietsverordnung“ ist noch nicht einmal in die Verbändeanhörung gegangen. Insofern sind auch noch keine Abschätzungen bekannt geworden, welche zusätzlichen Personalkosten auf die Unteren Wasserbehörden zukommen werden.

 

 

Wie der Wasserversorger mit
seinen Kunden kommunizieren muss

 

Die neue EU-Trinkwasserrichtlinie setzt nicht nur die Standards für die Trinkwasserqualität, sie enthält in Art. 17 (in den ersten Entwürfen noch Art. 13) auch Vorgaben, welche Informationen der Wasserversorger gegenüber seinen KundInnen preiszugeben hat. Dazu gehören selbstverständlich Angaben über die jeweilige Trinkwassergüte – darüber hinaus aber auch Angaben über die Kostenstruktur, die Verwaltungs- und Eigentumsstruktur sowie über die Investitionen und das Handling von Verbraucherbeschwerden. (s. RUNDBR. 1139/2). In Deutschland sollen diese Kommunikationsvorgaben in der neuen Trinkwasserverordnung in Abschnitt 10 mit der Bezeichnung „Regelmäßige Information der Anschlussnehmer und Verbraucher“ umgesetzt. In den zugehörigen Paragraphen 45 und 46 werden die Details festgelegt – siehe Kasten. Nach § 72, Zi. 28 ist es übrigens eine Ordnungswidrigkeit, wer gegen diese Informationsauflagen verstößt:

Ordnungswidrig (…) handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig Informationsmaterial nicht, nicht richtig, (…) nicht vollständig oder nicht rechtzeitig übermittelt (…).“

Was die WasserverbraucherInnen alles wissen dürfen

Nach § 46 (2) des Entwurfs der novellierten Trinkwasserverordnung muss der Wasserversorger mindestens jährlich folgende Informationen für seine Kundschaft bereitstellen:

1. die Gesamtleistung der Wasserversorgungsanlage oder -anlagen in Bezug auf ihre Effizienz und ihre Wasserverlustzahlen,

2. die Eigentumsstruktur des Wasserversorgungsunternehmens,

3. die Struktur der Gebühren oder der Preise pro Kubikmeter Trinkwasser inklusive der fixen und variablen Kosten sowie über Kosten im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Trinkwasser im öffentlichen Raum (…) und

4. Verbraucherbeschwerden im Zusammenhang mit dem Regelungsbereich dieser Verordnung in Form von Zusammenfassungen oder Statistiken, sofern solche verfügbar sind.

(3) Auf begründetes Verlangen sind den Verbrauchern die Informationen (…) durch den Betreiber auch auf anderem Wege als über das Internet zur Verfügung zu stellen.

(4) Der Betreiber einer zentralen Wasserversorgungsanlage hat den Verbrauchern auf Antrag den Zugang zu vorhandenen Daten (…) bis zu zehn Jahre zurückreichend (…) zu ermöglichen.“ [Fettdruck: BBU].

 

 

ISO-Norm 24510 zur
guten Unternehmensführung im Wasserwerk

 

Inzwischen gibt es auch eine Norm der Internationalen Standardisierungsorganisation (ISO), die ebenfalls Kommunikationsempfehlungen enthält. Die ISO-Norm 24540 zur guten und effizienten Unternehmensführung in Wasserbetrieben („Principles for effective and efficient corporate governance of water utilities“, s. RUNDBR. 1142/1) geht dabei noch über die Vorgaben der EU-Trinkwasserrichtlinie und der nationalen Trinkwasserverordnung hinaus!. Ein Aktivist von „Wasser in Bürgerhand“ und ehemaliger Kommunikationschef eines großen Wasserversorgers kommentierte uns gegenüber die Informationsempfehlungen mit folgenden Worten:

Beachtlich sind im Normentwurf die an zahlreichen Stellen angeführten Informationsansprüche der Öffentlichkeit bis hin zur Erklärung von Unternehmenszielen und Zielerfüllung auf den Webseiten von Unternehmen.( Ich stelle mir vor, von meinem Ex-Geschäftsführer (…) eine öffentliche Erklärung dafür zu lesen, warum er einen einzelnen (…) Schwimmer mit Kundengeld von etwa 250.000 Euro gefördert hat – in einem Jahr.) Hier wäre ein weites Feld der Diskussion eröffnet, weil hier nicht einmal eine Diskussion mit den Verbrauchern über die Angemessenheit der Preisbildung ausgeschlossen wäre.“

Im Hinblick auf die Informationsempfehlungen führt die ISO-Norm 24540 die Gebote zur aktiven Nutzerbeteiligung fort, die bereits seit über zehn Jahren in der ISO-Norm 24510 angelegt waren (s. RUNDBR. 1066/3, 940/3-4, 870/2-3, 825/1-3, 783/1-2, 769/2-3, 737/3, 666 und 661). Ein Problem ist allerdings, dass kaum ein Wasserwerker in Deutschland diese Normen kennt – und schon mal gar nicht in kleineren Wasserwerken. Ein Hemmnis, das auch der Kommentator von „Wasser in Bürgerhand“ erkannt hat:

„… was sollen all die kleineren Wasserversorger machen, deren Betriebsleitung aus ein paar Nasen und die Technikcrew aus mehr oder weniger begabten Praktikern mit Erfahrungswissen besteht. Die Anforderungen an Zusammenarbeit, Transparenz der Kommunikations- und Entscheidungsebenen und verantwortlichen Akteure, deren Ziele und Zielkommunikation innerhalb des Betriebs, regelmäßiges Monitoring der technischen,  wirtschaftlichen und sozialen  Ziele, Veröffentlichung der Zielerreichung nach innen und womöglich nach außen an die einbezogenen Stakeholder usw. sind schon gewaltig. Die Umsetzung würde, ich sage das mal als Ex-Mitarbeiter in einem größeren Laden und früherer Soziologe, eine Flexibilisierung und Bereitschaft zur Selbstentäußerung verlangen, die menschliches Normalmaß überschreiten. Aber wer immer strebend sich bemüht ...“ (s. auch RUNDBR. 1059/4).


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
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